Immer dann wenn Ärzte objektiv nicht begründbare Untersuchungen und Befragungen, die in die Intimsphäre von Patienten eingreifen, aus „Tradition“ durchführen, sollten sich Organisationen, die für die Rechte von Patienten eintreten, mit denen die die Anordnung für diese Untersuchungen und Befragungen gegeben haben oder die Empfehlung dazu ausgesprochen haben (z.B. Kliniken und Berufsverbände) auseinandersetzen. Neben jungen Männern bei der Musterung zur Zeit der allgemeinen Wehrpflicht sind Menschen mit psychischen Erkrankungen ebenfalls oft davon betroffen.
Als Patient bin ich bisher bei jeder Aufnahme in eine psychiatrische Tagesklinik (wegen Depression) körperlich untersucht worden und Fragen zur somatische Anamnese hatte ich vollständig zu beantworten.*Eine Bescheinigung (Arztbrief) von meinem Hausarzt, ob ich akute oder chronische somatische Erkrankungen habe und welche das sind, ist nicht akzeptiert worden. Wer teilstationär oder vollstationär in eine psychiatrische Klinik aufgenommen wird, hat selbst bei bester somatischer Gesundheit, welche vom Hausarzt bestätigt worden ist und ausführlichem Arztbrief vom Hausarzt oder anderen behandelnden Ärzten eine körperliche Untersuchung (Ausziehen bis auf die Unterhose) mit Abtasten usw. über sich ergehen zu lassen.
Es ist offensichtlich nicht möglich nur diejenigen körperlich zu untersuchen bei denen ein Bedarf da ist oder die keinen Arztbrief (oder so etwas wie eine Bescheinigung) vorlegen. Alle Patienten in psychiatrischen Kliniken werden offenbar als so unmündig angesehen, dass eine körperliche Untersuchung obligatorisch erfolgt und die Patienten diese auch nicht umgehen können. Es gibt psychische Erkrankungen bei denen der Erkrankte (vorübergehend) nicht mehr selbst ermessen kann ob er eine behandlungsbedürftige somatische Krankheit hat oder nicht. Die meisten Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Tageskliniken und teilweise auch in den vollstationären Psychiatrien sind aber selber in der Lage zu sagen ob sie körperliche Beschwerden und ob sie chronische somatische Krankheiten haben.
Eine neurologische Untersuchung wäre dagegen sinnvoll, die ist aber bei mir bisher noch nicht bei einer Aufnahme gemacht worden und so weit ich weiß auch nicht bei Mitpatienten. Auch die Blutuntersuchung und Abgabe einer Urinprobe finde ich richtig, weil Drogen und einige somatische Krankheiten über die eine Laboruntersuchung des Blutes Aufschluss geben kann psychische Symptome bewirken können.
Das alles ist natürlich zum Wohle des Patienten. Dass es Patientinnen und Patienten gibt, die mit dieser „Fleischbeschau“ Probleme haben und sich das aber auch nicht trauen zu sagen, sehen offensichtlich weder Ärzte, die diese Untersuchungen durchführen noch diejenigen (Kliniken) die diese Untersuchungen angeordnet haben.
*d.h. alle Arten von medizinischen Eingriffen insbesondere Operationen. D.h. auch so etwas persönliches wie Schwangerschaftsabbrüche, Vasektomie oder eine Operation wegen Hodentorsion etc. müssen genannt werden. Es bleibt nicht den Patientinnen und Patienten überlassen selber zu Entscheiden ob sie mit ihrem Therapeuten oder ihrer Therapeutin darüber sprechen möchten, falls sie das Bedürfnis dazu haben. Falls sie nicht das Bedürfnis dazu haben, kann es schon mal passieren, dass der Therapeut oder die Therapeutin „prüft“ ob die Patientin oder der Patient ein Problem damit hat. Und wenn die Patientin oder der Patient zwar kein Problem mit der Sache an sich hat, aber keine Lust hat beim „auf den Zahn fühlen“ mit mit unter auch schon mal ziemlich unsensiblen bis hin zu neugierigen und grenzverletzendn Fragen konfrontiert zu werden, kann es sein, dass der Patient dann zu hören bekommt Therapie sei nicht dazu da angenehm zu sein. Persönlich habe ich schon Fragen über meine fehlenden Körperfunktion, die bei mir natürlich den Genitalbereich betreffen, anhören müssen ohne dass ich überhaupt erstmal gefragt worden bin, welche Probleme ich aktuell habe. Manche Behandler (Arzt oder Therapeut) möchten auch noch mal selber so eine Art Begutachtung machen. Nur zur Information: Die Begutachtung für sogenannte „Transsexuelle“ (wie sie damals genannt wurden) schloss zu der Zeit als ich das machen musste eine Psychotherapie über 1,5 Jahre ein, sonst hätten die Operationen nicht durchgeführt werden dürfen. Das ist schon eine ganze Weile her, aber trotzdem kann mich jeder Behandler das alles noch mal fragen und mit mir durchgehen, unabhängig davon ob es Sinn macht oder ob ich es möchte. Das Erstaunen war groß als ich mal gesagt habe, dass die Begutachtung schon lange erledigt ist und dass es jetzt keiner Begutachtung mehr bedarf.
P.S: Bitte entschuldigt, dass ich das ursprüngliche Thema verlassen habe. Die intensive Diskussion über die Musterung und was das letztendlich für diejenigen, die gemustert worden sind, bedeutet hat, hat bei mir einiges aufgewühlt.
Es geht auch anders. Tiefgründig und respektvoll schließt sich nicht aus.