In den ersten zwei Tagen nach der Behandlung hatte Julia noch Schmerzen, nicht in dem Zahn der er eigentlich weh tat, sondern in den beiden Backenzähnen im Unterkiefer in denen sich Dr. Schneider ausgetobt hatte. Der Anblick der grauen Füllungen war zwar schrecklich- die gesamte Backenzahnreihe im Unterkiefer war nun mehr Füllung als Zahn. Aber bestimmt konnte ihr Zahnarzt zu Hause etwas dagegen tun, vielleicht kann man die Zähne ja verblenden oder so.

Julia konnte die Klassenfahrt doch noch genießen. Je näher die Heimreise rückte, desto beklemmender wurde aber das Gefühl, wenn sie an die Begegnung mit ihren Eltern dachte. Da würde sie einiges zu hören bekommen. Ihr Vater hatte zweimal auf dem Handy angerufen, was sie geflissentlich ignoriert hatte. Am besten würde sie zunächst mit ihrer Mutter reden. Ein unschuldiger Blick kombiniert mit einem Eingeständnis ihrer Dummheit- damit kam sie meistens durch. Und wenn Mama erstmal auf ihrer Seite war...

Etwas verspätet erreichte der Bus schließlich den Parkplatz der Schule, wo schon eine Vielzahl von Eltern darauf wartete, ihre Sprößlinge im Empfang zu nehmen. Unter ihnen- Julia traute ihren Augen kaum- ihr Vater, der an seinem schicken SUV lehnte und etwas genervt auf seine Uhr schaute. Gar nicht gut- ihr Vater hatte sie noch nie abgeholt, das war aus seiner Sicht Aufgabe der Mutter. Julia hatte es plötzlich gar nicht mehr eilig, ihre Tasche im Empfang zu nehmen. Samt Gepäck ging sie Richtung Auto. "Hallo Papa" sagte sie leise. Er sah sie mit einem durchdringenden Blick an. "Pack deine Tasche ein, wir haben es eilig". Julia tat wie geheißen und nahm auf dem Beifahrersitz platz. Um das Schweigen zu durchbrechen fragte sie "Was hast du denn noch für einen wichtigen Termin? Eine Konferenz?". Ihr Vater schaute sie kurz an und stieß ein schnaubende Geräusch aus. "Wir- vielmehr du- hast direkt einen Termin bei Dr. Kaiser. Und ich werde dich von nun an zu jedem Termin begleiten. Mehr muss ich wohl nicht sagen."

Julia blieb kurz die Luft weg. Frau Dr. Kaiser war die langjährige Zahnärztin die Familie und ebenjene, die ihr damals beim Bohren ihres ersten Lochs so viele Schmerzen bereitet hatte. Sie traute sich nicht, zu protestieren.