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Auf Abschlussfahrt

Es gibt viel zu tun

Nach kurzer Fahrt parkte ihr Vater vor der Praxis. "Na dann los," grummelte er. Julia schlich hinter ihm her. Beim Betreten der Praxis schlug ihr gleich der durchdringende Geruch nach Zahnarzt entgegen, viel intensiver als in der Praxis von Dr. Schneider. Ihr Vater polterte zum Anmeldetresen "Schmitt, meine Tochter hat einen Termin" und knallte ihre Versicherungskarte auf den Tisch. "Ach ja, Sie hatten mit Frau Doktor telefoniert. Nehmen Sie doch noch kurz im Wartezimmer platz." Das Wartezimmer hatte eher den Charme einer

Bahnhofshalle. Beide Behandlungszimmer gingen direkt vom Wartezimmer ab, sodass man bestens beobachten konnte, wer aufgerufen wurde. Dann blieb es entweder ruhig und derjenige kam schon nach wenigen Minuten zufrieden schauend wieder raus- Kontrolle, alles ok, in 6 Monaten wieder. Oder das Kreischen des Bohrers ertönte, mal länger, mal kürzer und eher blasse Patienten verließen das Zimmer, jedoch durchaus froh, die Folter für den Augenblick überstanden zu haben. Die Tür Behandlungszimmer 2 öffnet sich. Heraus kommt ein Mann in mittlerem Alter, die Hand an die rechte Wange gepresst. Mit den Worten "Nehmen Sie noch einen Moment platz bis die Betäubung wirkt, dann machen wir weiter" bekommt er eine Galgenfrist. Er schaut gequält.

Auch in dieser Praxis sind die Türen mit Symbolschildern versehen. Allerdings nicht ein strahlender Zahn wie in der anderen Praxis, hier sind es Piktogramme, auf denen ein Mensch tief in einem Zahnarztstuhl liegt, während sich der Zahnarzt ganz seinem Mund widmet. Wenig erbaulich, denkt sich Julia

Nun öffnet sich die Tür zu Raum 1. "Julia Schmitt bitte." Seufzend erhebt sie sich, gefolgt von ihrem Vater.

Die Assistentin strahlt sie an: "Nimm schon mal auf dem Behandlungsstuhl platz, es geht gleich los." Schon hat sie das Papierlätzchen um den Hals. Ihr Vater nimmt in einem Stuhl in der Ecke platz. Auf dem Tablett liegen nur Songe, Spiegel und eine Pinzette. Zum Glück denkt sich Julia. Die Assistentin geht zum PC. "So, hier haben wir ja deine Unterlagen. Hm, du warst ja schon eine Weile nicht mehr bei uns." Ihr Zahnschema leuchtet auf, hier noch fast unschuldig, nur die Kaufläche des 26 ist schwarz markiert.

"Guten Tag Julia", nun betritt Frau Dr. Kaiser das Zimmer. Sie nickt ihrem Vater zu. "Dein Vater hat mich schon auf den aktuellen Stand gebracht. Hättest du damals deine Termine wahrgenommen, wäre es sicher nicht soweit gekommen. Aber gut. Jetzt machen wir mal eine genaue Bestandsaufnahme und werden weiter sehen."

Der Stuhl fährt nach hinten, das Licht wird ausgerichtet und Frau Dr. Kaiser greift zu Sonde und Spiegel. "Schön weit aufmachen. Wir fangen im Oberkiefer an" Julia öffnet den Mund. Die Ärztin beginnt auf der rechten Seite. Sie schaut sich die hintersten Zähne genau an, pustet sie mehrfach trocken und sondiert dann die Fissuren. Julia merkt, dass die Sonde zwei- oder dreimal ein wenig hängenbleibt. Was hatte der andere Arzt nochmal gesagt? Unter Beobachtung oder so. Die Ärztin beginnt zu diktieren: "17c, 16c, 15, 14, 13, 12 o B" Wieder pusten und sondieren, diesmal an der Rückseite des Schneidezahns. Julia unterdrückt ein Stöhnen. "11c, 21,22,23,24,25 o.B.; 26 und 27 sind anbehandelt- bitte auch c." Nun wird die Lampe auf den Unterkiefer ausgerichtet. "37 Amalgam, 36 Amalgam, 35 und 34 ebenfalls. 33, 32,31,41,42,43 o.B." Zumindest unten rechts sollte alles in Ordnung sein. Auch die Zahnärztin schien trotz pusten und stochern nichts zu finden. Dann nahm sie eine andere Sonde vom Tisch. Damit ging sie in den Zwischenraum zwischen der 4er und 5er. Julia zuckte zusammen. "Das müssen wir uns genauer anschauen. Wir werden nun eine komplette Röntgendiagnostik machen. Dann sehen wir weiter". Mit diesen Worten legte Frau Dr. Kaiser die Instrumente auf das Tablett und verließ den Raum. "Gut Julia, dann kannst mit mir zum Röntgen gehen," sagte die Helferin die laut ihrem Namenschild Mirjam hieß. Durch das Wartezimmer gelangten sie in einen Nebenraum, wo verschiedenste Aufnahmen gemacht wurde. "Du kannst wieder zurück in die 1 gehen." Wiederum ging es durch das Wartezimmer. Peinlich, hier mit dem Papierlatz durch zu laufen, dachte sie sich. "Herr Krüger bitte Raum 2" Der Mann, der vorhin die Betäubung bekommen hatte, legte seine Autozeitschrift zur Seite, seufzte tief und verschwand nebenan. Julia setzte sich wieder auf

den Stuhl, ihr Vater saß noch in der Ecke und schien sich auf seinem Tablet um geschäftliche Dinge zu kümmern. Von nebenan ertönte das Geräusch des Bohrers, es ging Julia durch Mark und Bein. Hoffentlich geht es bald weiter, damit ich nach Hause komme. Doch der Bohrer bohrte und bohrte, verstummte kurz, nur um dann wieder aufzuheulen. "Auuuu"- ein langgezogener Schmerzensschrei ertönte. "Auflassen, sonst kann ich nichts sehen. Das bisschen schaffen sie auch noch." Und wieder heulte der Bohrer auf. Dann schien er geschafft zu sein. Es war nur noch das Geklirr von Instrumenten und der Sauger zu hören. "Gut Herr Krüger, sie machen dann noch Termine für die weiteren Behandlungen aus." Innerlich grinste Julia- warum sollten es anderen besser ergehen als ihr?

Mittlerweile waren die Röntgenbilder fertig und wurden am Leuchtschirm befestigt. Frau Dr. Kaiser kam durch die Verbindungstür aus dem anderen Zimmer herein. Sie studierte gründlich die Röntgen- Bilder, sagte aber nichts weiter. Dann rollte sie mit ihrem Hocher in Richtung Stuhl. "Gut, gut, dann schauen wir mal zusammen. Der Herr Papa darf gerne mitschauen, schließlich muss er wohl am Ende bezahlen..."

Julia riss ihre Augen weit auf. Jetzt sollte ihr Vater mit in ihren Mund schauen?

"Weit aufmachen". Das Licht blendete. Wieder griff die Ärztin zu Spiegel und Sonde, wieder Begann sie auf der rechten Seite oben. "Moment, ich fahre den Stuhl etwas weiter runter, dann können Sie besser sehen. So, sehen Sie: die letzten beiden Backenzähne haben schwarz verfärbte Rillen. Das kann eine beginnende Karies sein, aber da ich in beiden Zähnen mit der Sonde hängenbleibe, sollte man hier schon behandeln. Dann das Loch hinten im Schneidezahn. Da ist natürlich nicht viel Substanz zum Bohren, das müssen wir uns während der Behandlung genau anschauen. Hier oben links haben wir den Zahn, den ich damals schon behandeln wollte, aber ihre Tochter ist zu den Terminen nicht erschienen. In der Zwischenzeit war die Karies so ausgeprägt, dass die Innenseite vom Zahn abgebrochen ist und der Nerv frei lag. Daher auch die starken Schmerzen. Der Kollege hat eine Einlage gemacht, die den Nerv abtötet, sodass wir mit der Wurzelbehandlung beginnen können. Der Zahn wird aber definitiv eine Krone brauchen. Der hinterste Zahn wurde leider auch in Mitleidenschaft gezogen und ist ebenfalls provisorisch gefüllt. Die vier Backenzähne hier unten wurden versorgt. Wirklich exzellente Arbeit des Kollegen. Auch hier war die Karies teils schon weit fortgeschritten, dies sehen Sie ja an der Größe der Füllungen. Unten rechts sieht äußerlich erstmal alles ganz in Ordnung aus, allerdings zeigt sich auf dem Röntgenbild eine Karies zwischen den 4. und 5. und 5. und 6. Zahn. Du kannst den Mund zumachen."

Verstohlen sah Julia zum PC, bei dem die Assistentin den Befund dokumentiert hat. Es zeigten sich nun viele schwarze Flächen... Oben rechts und links die letzen zwei Zähne und der Schneidezahn. Unten links alle Backenzähne und auf der rechten Seite (auf der der andere Zahnarzt nichts gesehen hatte) nun Nr. 4,5 und 6. Das waren insgesamt noch 8 Zähne zu behandeln. Julia schluckte. Nur mit halbem Ohr hörte sie das Gespräch zwischen der Zahnärztin und ihrem Vater: "... Kassenleistung. Das zahnfarbene Material wird nur für den Schneidezahn übernommen. Bei der Krone- ich hoffe es bleibt bei einer- gibt es natürlich eine Vielzahl von Möglichkeiten" Sie zog eine Schublade auf. "Hier ist eine normale Stahlkrone, diese wird von der Kasse bezuschusst, aber einen Teil werden Sie trotzdem zuzahlen müssen. Es gibt natürlich auch zahnfarbene Modelle wie diese, die sehr natürlich wirken." "Ich werde nicht einen Euro mehr als nötig bezahlen für das Schlamassel, das sich meine Tochter selber zuzuschreiben hat. Das Stahlteil reicht vollkommen." Ihr Vater hörte sich wirklich wütend an. Julia wagte nicht zu fragen, ob sie nicht doch so eine schicke Krone bekommen könnte. "Gut, dann gehen wir folgendermaßen vor. Die Füllungen im

Seitenzahnbereich machen wir aus Amalgam. Zwar ästhetisch nicht von Vorteil, aber sehr haltbar und bei Patienten mit schlechter Zahnpflege und unzuverlässigem Zahnarztbesuch eine gute Wahl. Beim Schneidezahn nehmen wir Composite, ich hoffe nicht, dass hier eine Krone erforderlich ist. Der letzte Backenzahn oben links wird je nach Größe des Defekts gefüllt oder auch überkront- im Röntgenbild sieht es schon recht groß aus."

"Gut, wars das für heute?" fragte ihr Vater. "Ja, lassen Sie sich vorn die Folgetermine geben, wenn möglich möchte ich noch diese Woche mit der Behandlung beginnen." Die Helferin befreite Julia vom Latz. Sie folgt ihrem Vater an den Tresen. Dort steht- sie muss zweimal hinschauen- Finn aus ihrer Parallelklasse, auf den sie insgeheim steht. Er lächelt die Assistentin am Tresen an: "Hallo, ich komme zur Prophylaxe." Sie nimmt seine Versichertenkarte. "Warte kurz, dann nehme ich dich gleich mit.". Finn dreht sich um, erkennt Julia und sagt "Ah, hallo." Dann sieht er, dass sie gemeinsam mit ihrem Vater dort ist. Dieser drängt sich nach vorn, da es ihm nicht schnell genug geht. "Meine Tochter bekommt noch Termine". "Ja, Moment- ich rufe die Kartei auf." Die Helferin klickt im PC. "Hm, acht Zähne zu behandeln. Dazu eine Wurzelbehandlung und die Krone. Wenn wir das nach Quadranten planen sind wir- je nach Verlauf- bei 5 oder 6 Terminen mit 60-90 Minuten." Julia glaubt nicht richtig zu hören. So oft soll sie noch herkommen? Auch ihr Vater scheint nicht begeistert und scrollt durch seinen Kalender. "Meine Sekretärin wird sich morgen mit Ihnen in Verbindung setzen und die Termine absprechen. Ich möchte persönlich bei allen Behandlungen dabei sein. Auf Wiedersehen".

Ihr Vater geht zum Ausgang. Julia dreht sich um und sieht, dass Finn immer noch im Anmeldebereich steht. Hat er etwa alles mitgehört? Allein bei dem Gedanken steigt ihr die Röte ins Gesicht. Vorsichtig schaut sie zu ihm hinüber. Ihm ist quasi die Kinnlade hinuntergefallen. Er hat alles mitbekommen...

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Nett1 Vor 1 Woche  
drillgirl21 Vor 1 Monat 1  
Nett1 Vor 2 Monate 2  
Allteeth Vor 2 Monate 1  
Nett1 Vor 2 Monate 2  
Polarfuchs Vor 2 Monate 3  
dentalfetishgirl Vor 2 Monate 2