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Aufrufe: 425 Created: Vor 8 Monate Updated: Vor 8 Monate

Projekt Edenweiß

Yanjiu [1-2] Max - Der Ruheraum

Es ist ziemlich dunkel in dem Zimmer, meine Augen brauchen eine Weile, bis sie sich vom hellen Ganglicht erholt und daran angepasst haben. Der Raum ist vollständig mit einer weichen Matratze ausgelegt und ist somit quasi ein riesiges Bett. Nur an einer Seite ist die Wand nicht ganz durchgängig, eine Türe ist eingesetzt. Vermutlich führte sie zu einem Badezimmer oder einer Toilette, schließlich war ich offensichtlich in dem Zimmer eingeschlossen. „Hi“, höre ich eine weibliche Stimme aus der anderen Ecke. Ich werfe einen konzentrierten Blick in die entsprechende Richtung und erkenne die Umrisse von einigen Decken und einer an die Polsterwand sitzend angelehnten Person. „Hey.“, grüße ich die Unbekannte zurück. „Ich bin Rhea, magst du zu mir rüberkommen?“ „Okay, ich bin Max.“ Ich krabble auf dem weichen Matratzenboden an Rhea heran.

„Bist du auch neu hier?“ „Ja.“ „Oh, ich hoffe es geht dir den Umständen entsprechend gut.“ „Geht schon, ich raff nur noch nicht ganz was hier abgeht. Wie ist es bei dir?“ „Naja, da kann ich dir vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringen, was willst du denn wissen?“ „Wie? Ich dachte du bist auch neu hier?“ „Achso, nein, ich bin hier schon seit Beginn. Ich habe längst aufgehört die Tage zu zählen. Ich meinte unsere andere Zimmergenossin, Fiona. Aber die wird gerade eingespritzt.“ „Eingespritzt?!“ „Sie wird einer Spritzenkur mit Celibizol unterzogen, die sie keusch hält, sofern nicht anders gewünscht. Das ist hier Standard. Ich bin auch eingespritzt.“ „Ist ja furchtbar.“, sage ich, habe aber immer noch keinen Schimmer, was dies zu bedeuten hatte. Klar ist nur, dass es nichts Gutes sein konnte.

„Du kommst wohl gerade von deiner Erstuntersuchung?“ „Ich glaube schon.“ „Darf ich fragen, bei wem du warst?“ „Frau Dr. Liu Xiao.“ „Die ist doch ganz in Ordnung.“ „Ähmmm, also ich fand es nicht so nett, eine Spritze in meine Eichel zu bekommen. Und rate mal, wer dann der Böse war, als es von dem Mittel unhaltbar in einer wilden Fontäne aus mir herausspritzte und sie von Kopf bis Bluse komplett eingesaut war?“ Rheas Kopfkino lässt sie in ein lautes Lachen ausbrechen, doch sie fängt sich schnell mit einem Räuspern: „Sorry.“ „Schon gut.“ Die Szene war so absurd wie witzig und hätte in einem kitschigen Doktorspiel-Porno sicher ihren Platz gehabt. Doch hier in der Realität, eingerahmt von Freiheitsberaubung, Zwangsbehandlungen und diesen abscheulichen Kanülen, war dieser ulkige Moment nur ein äußerst schummriger Lichtblick.

Ich erkenne nun endlich besser, wer mir da gegenübersitzt. Rhea hat lange, glatte, mittelblonde Haare, ich schätze sie auf Mitte 30. Sie sieht sympathisch aus und ist überdurchschnittlich attraktiv, aber nicht wirklich mein Typ. Mir fällt auf, dass ihre Schultern, die etwas über die Decke hinausragen, nicht von Trägern verziert sind. „Bist du nackt?“, schießt es ungefiltert aus mir heraus. „Jep.“ Sie lässt die Decke etwas herunterfallen und ein wohlgeformtes B-Körbchen kommt zum Vorschein. „Sorry, ging mich nix an.“, entschuldige ich mich. „Kein Ding, Scham habe ich schon lange keine mehr, die ist hier nutzloser Ballast und würde alles nur noch schwerer machen. Außerdem machst du einen netten Eindruck.“ Sie klingt deprimiert.

„Ich hoffe gerade nur, dass Fiona das erspart bleibt.“, fährt sie fort. „Was soll ihr erspart bleiben?“. „Dass sie meiner Sparte zugeteilt wird. Sie nennen es hier ‚Fickschwestern‘, ich habe auch schon andere Begriffe wie ‚Vergnügungsschwestern‘ oder ‚Herz-Damen‘ gehört. Im Prinzip meint es alles das gleiche, nämlich dass man eine Sexsklavin ist. Dazu gehört der systematische Entzug unserer Menschenwürde, um uns leichter kontrollieren zu können, deshalb gibt’s auch oft keine Kleidung. Gerade habe ich zum Beispiel nur Strapse an.“ „Nimm doch einfach mein T-Shirt und meine Shorts, vielleicht etwas groß, aber besser als nichts.“, biete ich an und mache mich daran mein Shirt auszuziehen. Sie fasst mir blockierend an die Schulter. „Danke, aber lass mal. Untergrabung von Autorität wird hier gar nicht gern gesehen. Schau auch du erstmal, dass du ein vernünftiges Standing bekommst und nicht ganz unten in der Nahrungskette einsortiert wirst.“

Die Sätze der letzten Minuten prasseln plötzlich wie ein schwerer Hagelsturm auf mich ein und es wird mir eigentlich zu viel. Aber ich habe immer noch keine wirkliche Ahnung, wo ich mich befinde und bleibe neugierig. „Rhea, wo sind wir hier? Was soll das Ganze?!“ Rhea seufzt: „Laaange Geschichte.“ „Ich hab Zeit.“ Sie schmunzelt für den Bruchteil einer Sekunde, bevor ihre Mimik wieder ernst wird. „Na gut. Der Ursprung allen Übels war ein wissenschaftlicher Durchbruch in der Gen- beziehungsweise Stammzellenforschung, wodurch sich eine ganze Reihe von neuen, hochwirksamen und sehr nebenwirkungsarmen Medikamenten entwickeln lassen sollte. Es ist den Forschern dann auch tatsächlich gelungen über viele verschiedene Anwendungsgebiete hinweg Prototypen zu entwickeln und deren grundsätzliche Wirksamkeit in ersten Praxistests zu bestätigen. Leukämie konnte in einer Kleinstudie erstmals nachweislich geheilt werden, und das mit einer einzigen Injektion. Das Ganze war so vielversprechend, dass es nicht lang gedauert hatte, bis die DARPA davon Wind bekam und ihr Interesse äußerte.“ „DARPA? Hab ich schon mal irgendwo gehört, was war das gleich nochmal?“

„Das steht für ‚Defense Advanced Research Projects Agency‘, die US-amerikanische Militärforschungsbehörde. Die hatten natürlich sofort ein hohes Interesse daran, ihre Soldaten leistungsfähiger und widerstandskräftiger zu machen und wollten das Ganze noch viel schneller und weiter pushen. Gegen großzügiges Funding vom Militär hätte auch niemand was gehabt, aber es gab ein Problem bei der Sache: All diese Medikamente benötigen menschliche Stammzellen als Basis und es gab noch keine Methode, diese auch nur ansatzweise in der großen Menge herzubekommen, in der man sie gebraucht hätte. Selbst für die Forschung an sich stand schon viel zu wenig zur Verfügung, ganz zu schweigen von einer Massenproduktion der fertigen Medikamente. Aber Pharmaindustrie und Militär sahen zu viel Profit darin, als das Projekt an dieser Hürde scheitern zu lassen. So setzte man sich in geheimen Expertenräten zusammen und knobelte verbissen daran, wie das Stammzellenproblem zu lösen sei…“

„… ein renommierter Genforscher hatte dann ein brandneues Verfahren gezeigt, wie man statt Spermien reine Stammzellen in den männlichen Hoden produzieren konnte, ein Paukenschlag, der sofort von der DARPA aufgegriffen wurde, die zu diesem Zeitpunkt bereits das Szepter in der Hand hielt. Da man dieses spezielle Ejakulat aber nicht in der freien Welt nicht gewinnen könnte, wurde dieser Ort hier erschaffen.“ „Wieso, es gibt doch Samenbanken? Bietet man den Spendern halt 'n bisschen mehr Geld an, dann kämen da bestimmt genügend Studenten und Co.“ „Würdest du dir wirklich für ein paar Euro an deinen Eiern rumoperieren lassen? Und zusätzlich nicht wissen, ob du je wieder Nachwuchs zeugen könntest?“ Ich schlucke: „Okay, das ändert einiges… dann weiß ich ja jetzt, was mir noch bevorsteht.“, zähle ich eins und eins seufzend zusammen.

„Woher weißt du das überhaupt alles so genau?“, versuche ich mich abzulenken und habe auch schon eine Vermutung. „Darf ich mich vorstellen: Prof. Dr. Rhea Stewart, ich war Teil des Forschungsteams. Aber irgendwann roch ich die Korruption, die hinter meinem Rücken stattfand. Und dann habe ich den Fehler gemacht unbequeme Fragen zu stellen. Das war aber erst etwas später. Zu dem Zeitpunkt wo ich gerade in meiner Erzählung war, wurde ich im Glauben gelassen, dass das Projekt trotz allen Interesses auf Eis gelegt wurde. In Wirklichkeit aber wurden bereits mit Hochdruck die Vorbereitungen für ‚Projekt Edenweiß‘ getroffen. Der Bau dieser großen weißen Biokuppel hier, in der wir uns alle befinden, und wie das Ganze logistisch funktionieren sollte mit der stetigen Beschaffung von neuem ‚Humankapital‘. Und vor allem das minuziöse Sicherheitsprotokoll, um die Ausbruchssicherheit und langfristige Geheimhaltung des Instituts zu gewährleisten.“

„Jedenfalls, das Grundprinzip ist ziemlich simpel: Junge, möglichst potente Männer werden hierher verschleppt, sodass man ihnen die Hoden umfunktionieren und dann täglich die neu gebildeten Stammzellen abmelken kann. Und die Mädels werden gebraucht, um diese Melkungen auf die eine oder andere Weise durchzuführen. Natürlich sind es auch hier vor allem die heißen Schnecken, die gefährdet sind in das Fadenkreuz der Häscher zu geraten. Es gibt aber viel mehr Männer als Frauen hier, geschätzt 70/30.“ Ich schlucke mit trockenem Hals und weiß nicht was ich sagen soll. „Naja, zumindest war das der Beginn des Ganzen. Inzwischen haben sich noch andere Zwecke dazu entwickelt, um die Rentabilität noch weiter zu steigern. Zum Beispiel wird ein Teil der hiesigen Patienten, so werden wir hier übrigens bezeichnet, selbst als Probanden für die neu entwickelten Medikamente benutzt. Außerdem werden einige der Mädels für die Forschung hinsichtlich plastischer Chirurgie verwendet. Lippen, Brüste, Arsch, was man halt so kennt.“

„Nun ja, was Allgemeines noch, hier, innerhalb der Kuppel befinden sich vier konkurrierende Kliniken. Dies wurde so eingerichtet, um einen internen Wettbewerb zu erzeugen, sodass möglichst effizient mit dem begrenzten vorhandenen Humankapital gewirtschaftet wird. Es wird soweit ich weiß immer quartalsweise Resümee gezogen und die Führungskräfte der schlechter abschneidenden Häuser müssen sich dann für die schlechte Leistung verantworten. Wenn sie Pech haben werden sie degradiert und sehen sich selbst den Prozeduren ausgesetzt. Deshalb geht es hier äußerst zielorientiert und geordnet zu, es gibt keinen Platz für Verschwendung, die Regeln werden strikt durchgesetzt und Regelverstöße hart bestraft, da die Ärzte und Ärztinnen ja eben alle mit ihrem eigenen Leib und Wohl für die abgelieferten Ergebnisse haften. Konkret für dich, Max, bedeutet das übrigens, je mehr du abspritzt, desto besser wird es sowohl dir als auch deiner jeweils melkenden Schwester ergehen. Und im Umkehrschluss wird sie dir dann üblicherweise sehr verbunden dafür sein und dich vorteilhafter behandeln. So kann das Ganze unter Umständen sogar weitgehend…“ Sie flüstert mir den Rest des Satzes leise zu, denn ein Schlüssel dreht sich im Schloss: „… sehr angenehm für dich werden.“ Die Türe öffnet sich für einen Moment und eine junge Frau wird unsanft hereingeschubst.

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Patient1901 Vor 8 Monate