Okay, ich gebe es zu, ich habe lesbische Neigungen, aber ich würde mich dennoch als heterosexuell einstufen. Diese Neigungen gegenüber dem gleichen Geschlecht wurden jedoch stärker, seitdem ich im letzten Jahr meine neue Arbeitsstelle als leitende medizinische Fachangestellte angetreten habe. Dort habe ich herausgefunden, dass die Zusammenarbeit mit dem ansässigen Arzt, diese Neigungen verstärkt haben.

Mein Chef, Dr. Alexander Merkle, ist ein Allgemeinmediziner und führt eine angesehene kleine Arztpraxis, in einem ruhigen Wohngebiet. Seine Patientenliste, welche über die Jahre immer weiter und weiter anstieg, reicht von jung bis alt. Neben zwei Sprechstundenhilfen, benötigt er seit einem Jahr auch eine leitende medizinische Fachangestellte, welche die Praxis betriebswirtschaftlich steuert und koordiniert, wodurch ich auch an meinen Job kam. Neben den normalen Patienten, die wegen einer Erkältung, Kreislaufproblemen oder anderen körperlichen Beschwerden und Verletzungen Dr. Merkle aufsuchen, führt er auch noch Vorsorgeuntersuchungen für Schulen und Betriebe, sowie die klassischen gesetzlichen Routineuntersuchungen durch. Wie ich über die letzten Monate herausgefunden habe, habe nicht nur ich gewisse Hintergedanken bei den Untersuchungen, welche Dr. Merkle tagtäglich durchführt, sondern er ebenfalls auch. Da wir auch privat häufig etwas zusammen unternehmen, sind wir uns hier gegenseitig auf die Schliche gekommen. Er weiß also von meinen Neigungen und ich wiederum von seinen. Anfangs war mir dies noch unangenehm und ich wusste noch nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte, doch mit der Zeit lernte ich, dass meine Arbeit mit ihm einen gewissen Reiz mit sich brachte. Und so versüßen wir uns seitdem gegenseitig den Alltag. Trotzdem bleiben wir gegenüber unseren Patienten stets seriös und behalten unser kleines Geheimnis für uns. Und so kam auch folgendes Erlebnis kürzlich zustande:

An einem späten Dienstagnachmittag war für 17 Uhr noch eine sportärztliche Untersuchung einer 18-jährigen Schülerin eines Gymnasiums angesetzt, welche ein ärztliches Attest für die Schule benötigte, um dort an einem Mannschaftssport teilnehmen zu können. Ihr Name war Belinda Meyer. Das weckte natürlich sofort mein Interesse und ebenfalls das von Dr. Merkle. Er hatte seit gut zwei Wochen keine junge Patientin mehr vollständig untersucht und ich wusste, wie gern er das immer tat. Im Gegensatz zu mir, reizten ihn dagegen Untersuchungen von jungen männlichen Patienten wenig bis gar nicht. Da hatte ich mehr meinen Spaß als er. Deshalb gab ich ihm gleich am Morgen Bescheid, dass uns heute noch eine junge Dame zu einer Sportuntersuchung erwarten wird.

„Herr Doktor? Ich sehe gerade, dass wir heute für 17 Uhr noch eine Sportuntersuchung anstehen haben.“, klärte ich ihn auf, worauf er mich mit großen und erwartungsvollen Augen anblickte.

„Haben wir eine weibliche Patientin, Frau Inghofer?“

„Ja, genau. Ich vermute einmal eine Schülerin aus dem örtlichen Gymnasium hier.“

„Hervorragend!“, freute sich mein Chef sichtlich.

„Außerdem konnte ich keine Patientenakte über sie finden. Sie scheint also eine Neupatientin zu sein.“

„Sie wissen ja, was das bedeutet Frau Inghofer.“, sah er mich mit seinem bekannten Blick an.

„Selbstverständlich!“, antwortete ich und nickte ihm zu.

„Ich denke, dass hier dann eine ausführlichere Untersuchung sinnvoll sein wird. Finden Sie nicht auch?“

„Ja, natürlich Herr Doktor.“, lächelte ich ihm zu und wusste schon jetzt, dass wir heute Nachmittag wieder unseren Spaß haben werden.

Obwohl Dr. Merkle und ich ein gutes und inniges Arbeitsverhältnis zueinander pflegten, sind wir bislang noch immer beim „Sie“ in der Anrede geblieben. Ich denke, dies trägt positiv dazu bei, dass wir nicht in Gefahr laufen, unser kleines Geheimnis Preis zu geben. Sowohl gegenüber den Patienten, wie auch unseren beiden Kolleginnen.