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Aufrufe: 1156 Created: 2020.04.26 Updated: 2020.05.16

Dr. Sophie Marchand und die Familie Vincent

Sophie und Yacine, Teil 3

Sophie:

Als ich wieder ins Behandlungszimmer trete, sitzt Yacine lässig auf dem Behandlungstisch und fragt mich mit einem schelmischen Lächeln: “In welcher Position wollen Sie denn meinen Hintern nun genau quälen?”

Meine Augen erwidern das Lächeln zwar, aber ich gebe mir Mühe, möglichst ernst du entgegnen: “Es genügt, wenn Sie Hose und Shorts bis zu den Knien runter ziehen, sich auf den Behandlungstisch knien und mit den Ellenbogen abstützen.” “Oh la, la”, meint er und macht mit einem tiefen Seufzer wie geheissen.

Sofort desinfiziere ich die Einstichstelle, nehme die Kanüle zur Hand und warne ihn: “Jetzt gibt’s gleich einen Stich, nicht erschrecken.” Als ich die Kanüle in seinen Hintern piekse, zieht er zischend die Luft ein. Ich hätte eigentlich eine heftigere Reaktion erwartet, immerhin musste ich ihn an einer sehr sensiblen Stelle stechen. “Jetzt drehe ich die Kanüle einmal um die Achse, schön locker lassen”, informiere ich ihn. Das ist jetzt doch etwas unangenehm, und er stösst ein langgezogenes “Uuuhhhhi” aus.

Schnell ziehe ich die Nadel wieder aus seinem Po raus und meine: “So, schon geschafft, Sie haben das prima gemacht.” Er atmet erleichtert aus, und ich weise ihn an: “Bitte bleiben Sie noch schnell in dieser Stellung, ich werde Ihnen nun ein Pflaster aufsprühen. Damit können Sie sogar duschen, nur dann bitte nicht die Stelle abrubbeln. Es wird sich nach ca. 3 Tagen von selbst ablösen, dann können Sie mit der Tinktur beginnen.” Er quittiert meine Worte mit einem “Hmm”.

Ich hole die Flasche und informiere ihn vor dem Sprühen: “Das wird jetzt noch einmal etwas brennen.” Er hat sich jedoch nicht darauf eingestellt und stösst ein überraschtes “Aiiiee” aus, als ich das Pflaster aufsprühe. “Jaaa, schon vorbei”, beruhige ich ihn. “Verd… das war ja schlimmer als die Punktion”, schimpft er. “Das glaube ich kaum, nur haben Sie sich nicht so ganz darauf eingestellt und sind von dem kurzen Schmerz überrascht worden”, antworte ich ihm. “Kann auch sein”, lenkt er ein und zieht sich wieder an.

“Yacine, wie wollen wir verbleiben”, frage ich ihn, während er sich vorsichtig auf den Stuhl setzt. “Werden Sie sich einfach wieder melden, wenn Sie weitere Beschwerden haben, oder wenn Sie die Warzen nun doch gern rausschneiden lassen möchten?” “Ja, sehr gern”, er zögert etwas, und ich schaue ihn fragend an.

“Dürfte ich Sie vielleicht anrufen, wenn ich noch Fragen habe in der Zwischenzeit?” möchte er wissen. “Ja, Yacine, klar, das können Sie gern machen. Wenn Sie allerdings in der Praxis anrufen, kommen Sie jeweils zuerst zu den Assistentinnen. Ich gebe Ihnen deshalb direkt meine Handynummer, für kurze Fragen ist das einfacher.” Ich nehme einen Zettel und schreibe ihm die Nummer darauf. “Oh la la, geben Sie jedem dahergelaufenen Typ einfach so Ihre Handynummer?” scherzt er. Ich lächle und meine: “Sie sind alles andere als ein dahergelaufener Typ für mich, Yacine. Ich sehe in Ihnen immer noch den kleinen Jungen, der mir damals so ans Herz gewachsen ist.” “Wenn Sie ahnen würden, wie SIE mir ans Herz gewachsen sind”, antwortet er mir vieldeutig.

Wir schauen uns einige Zeit an, bevor ich ihn frage: “Wie fühlen Sie sich jetzt?” Nach kurzem Überlegen meint er: “Hmm, ich fühle mich irgendwie extrem nackt, und so verletzlich.” Ich drücke seine Hand und meine: “Ja, Sie haben eine ziemlich intime Behandlung hinter sich, das ist verständlich, dass man das nicht so schnell wegsteckt. Lassen Sie sich etwas Zeit.” Er nimmt meine Hand in seine und sagt: “Danke, Sie haben das wirklich toll gemacht, genau so, wie ich Sie auch in Erinnerung hatte.”

Wir erheben uns beide und stehen einander gegenüber. Beiläufig fragt er mich: “Woher kommen diese Warzen eigentlich, was ist die Ursache dafür?” Ich zucke mit den Schultern und antworte: “Das ist schwer zu sagen, Warzen kommen und manchmal gehen sie auch von alleine wieder. Es gibt ein Sprichwort dafür, ich habe keine Ahnung, ob es so ist.” Ich mache eine Pause, er schaut mich fragend an, und ich fahre fort: “Man sagt, jede Warze sei eine ungeweinte Träne.”

Er legt den Kopf etwas schief und scheint darüber nachzudenken, bevor er meine beiden Hände in seine nimmt und meint: “Irgendwie habe ich grad riesig Lust, Sie an mich zu drücken, sorry, aber ich weiss auch nicht warum”, und schon finde ich mich in einer warmen Umarmung seiner starken Arme wieder. Es fühlt sich viel zu gut an, um mich gleich wieder daraus lösen zu wollen. Ich lege meine Arme um seinen grossen Körper und streiche langsam seinen Rücken rauf und runter. Er atmet tief und fest ein und aus, während er mich an sich drückt. Als wir uns voneinander lösen, schaue ich ihn an. Er hat feuchte Augen, und eine einzelne Träne löst sich und kullert über seine Wange. Zärtlich streiche ich sie weg. Er lächelt verlegen, drückt nochmal meine Hand und macht sich ohne ein weiteres Wort auf den Weg. Lange schaue ich ihm in Gedanken versunken nach und freue mich, dass er mich nochmals konsultiert hat. Er hat mich wirklich beeindruckt.