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Aufrufe: 560 Created: Vor 6 Monate Updated: Vor 6 Monate

Bericht einer Stuhlassistenz über den zahnärztlichen Notdienst

"Nehmen Sie Platz."

Die aufregendsten Behandlungen erfolgen im Rahmen des Notdienstes.

Einerseits wegen der besonderen Stimmung;  An diesem Abend ist es dunkel, der Regen prasselt an die Scheiben. Ich bin allein mit dem Zahnarzt, ein, höchstens zwei Patienten sind anwesend. Es gibt kein geschäftiges Treiben, keine freundlichen Unterhaltungen, außer den Geräuschen der Arbeitsgeräte, der genannten Diagnosen und unseren Unterhaltungen am Zahnarztstuhl, ist nichts zu hören. Das scheint die Angst der schmerzgeplagten Patienten zu verstärken.

Andererseits wird die Stimmung durch die Empfindungen der Patienten geprägt. Zögerlich treten sie mir gegenüber und stehen wie ein Häufchen Elend an meinem Tresen, welcher die Distanz zwischen ihnen und mir perfekt verbildlicht. Mir geht es gut, ich habe Kontrolle über das was passieren wird, zumindest ein bisschen. Durch mich erhoffen sie sich eine verständnisvolle Verbündete an ihrer Seite, während der Dr. Steedt stoisch seiner Aufgabe nachgeht. Die Patienten kommen häufig mit großer Angst und Schmerz, den sie nicht mehr ertragen können. Sie kommen mit dem Wissen zu uns, sich in einer Situation wiederzufinden, die sie kaum beeinflussen können. Auf keiner Ebene. Weder die Dauer der Behandlung noch deren Ablauf und Inhalt.

Dr. Steedt ist bekannt dafür, besonders im Notdienst im Sinne der Sache zu arbeiten. Der Zahngesundheit. Da er die Art der Patientin gut kennt weiß er, dass er möglichst viel in einer Behandlung erledigen wird, im Sinne der Gesundheit seiner Patienten. Die einfühlsame Unterstützung, die sie sich wünschen, wird es von mir nicht geben. Der Zahnarzt erwartet von mir einen sachlichen, kühlen Umgang und absoluten Fokus auf die Unterstützung seiner handwerkliche Arbeit. Dem Wunsch komme ich nach.

Es klingelt an der Tür. Ich betätige den Summer und nach einigen Minuten steht Thorsten vor mir. Er gibt sich gelassen. Ich kenne solche Verhaltensweise. Eine von mehreren Varianten um mit Unsicherheit, Angst, und Aufregung umzugehen. Er scheint zu versuchen durch eine Unterhaltung mit mir Sicherheit zu erlagen. Die gebe ich ihm nicht. Etwas zu überschwänglich und ungestüm begrüßt er mich: "Hi, Schröder, mein Backenzahn macht mir zu schaffen." Ich antworte sachlich und kühl: "Das werden wir uns gleich ansehen. Ich hoffe sie haben Zeit mitgebracht. Folgen Sie mir."  Er war schon lang nicht mehr in zahnärztlicher Behandlung. Schon auf die Entfertung kann ich deutliche Belege im Frontzahn Bereich erkennen. "Ein Patient nach dem Geschmack von Herrn Doktor", denke ich. Thorsten schlürft mir hinterher und versucht unbeholfenen Smalltalk zu beginnen, den ich nicht erwiedere. "Nehmen Sie Platz." Ich ziehe mir schalzend helle Latex Handschuhe über, binde meinen Mundschutz hoch und setzte mich auf den Hocker links von Thorsten. Mir gegenüber wird gleich der Zahnarzt sitzen. Ich freue mich darauf. Während ich den Stuhl runterfahre, ziehe ich eine Schublade hinter Thorsten auf und lasse sie klirrend zufallen. Ich habe einen Spiegel in der Hand, Rolle mit meinem Hocker hinter seinen Kopf und fahre den Behandlungsstuhl weiter runter. "Weit auf." Ich richte die Behandungslampe aus, die an der Decke hängt. Mit dem kalten Spiegel halte ich die Wange ab, weiter als notwendig. Ich sehe mir alles genau an, ohne zu sprechen oder Spielraum für Interpretationen meiner Mimik zu lassen. Ich konzentriere mich auf das was ich in dem Mund sehe. Die Beläge und der Zahnstein türmen sich. "Starke Beläge.", sage ich. Es gibt mehrere kariöse Stellen, im Backenzahnbereich, Zähne die abgebrochen sind. "Ihr letztes Zahnarzt Besuch scheint einige Jahre her zu sein." Mahne ich den Patienten, der so ausgeliefert vor mir liegt. Er zieht die Augenbrauen besorgt hoch. Thorsten scheint zu ahnen was ihn erwartet. "Der Zahnarzt kommt gleich" sage ich, der Patient versucht noch zu beschwichtigen "Ja, es geht mir nur um oben rechts, was wehtut." Ich blicke ihn verächtlich an. "Das wird der Zahnarzt entscheiden.", sage ich, stehe auf und lasse Thorsten mit seinen Gedanken allein.

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LuisWu Vor 5 Monate  
Norman Vor 6 Monate 1  
Nett1 Vor 6 Monate 2  
Polarfuchs Vor 6 Monate 2  
dentistgirl Vor 6 Monate 2