Auf der Krankenstation: Niklas, der Simulant

Niklas landet unverhofft auf der Krankenstation

Sanitätssoldat Alex war ein Mann für alle Fälle. Mal fuhr er den Krankenwagen, mal verrichtete er als Schreiber für den Stabsarzt seinen Dienst und arbeitete auf der Krankenstation. Es war ein ungemütlicher März-Morgen, die Kompanie sollte die ganze Woche wieder raus in den Wald zur Übung. Ein Tag also, an dem es wieder der eine oder andere Rekrut beim Doc versuchen würde, dem Ausflug ins Feld mit einer fingierten Erkrankung zu entgehen. Da wurden gerne Bauchschmerzen, Durchfall, eine Allergie oder Knieprobleme erfunden. Aber der Stabsarzt hatte längst seine Methoden entwickelt, jenen Simulanten eine Lektion erteilen. Das widerfuhr nun auch Niklas.

Er war ein junger Mann, 20 Jahre alt. 1,74 Meter groß, sehr sportliche Figur, kurze, schwarze Haare - und kerngesund. Bei lausigen Temperaturen durch den Dreck zu robben, darauf hatte er keine Lust. Im blauen Bundeswehr-Trainingsanzug stieg Niklas kurz vor acht die Treppe in den ersten Stock hinauf, reichte seinen Meldezettel einem Sani in der Anmeldung und nahm im Wartezimmer Platz, wo an diesem Montagmorgen ganz schön Betrieb war.

Nach einer Viertelstunde bat ihn Sanitätssoldat Alex durch die Tür ins kleine Vorzimmer, wo in einem riesigen Schrank die Krankenakten der Soldaten lagerten. Computer gab es damals dort noch keine. Alex bat den jungen Rekruten Platz zu nehmen und fragte, warum er hier sei.

„Ich habe seit dem Morgen fürchterliche Kopfschmerzen und mir ist richtig schlecht“, log Niklas. Er versuchte, möglichst leidend auszusehen und fügte hinzu, dass es ihm schwergefallen sei, hier die Treppe überhaupt hinaufzukommen. Der Sani nahm das zur Kenntnis, kommentierte es aber nicht weiter. Seine Aufgabe war es, im Vorzimmer die Vorstellung des Patienten beim Doc vorzubereiten, wozu auch das Fiebermessen gehörte.

Damals in den 90ern wurde dort in der Kaserne noch das klassischen Glasthermometer verwendet, weshalb das Messen auch ein wenig länger dauerte. „Gut, dann werden wir erstmal schauen, ob Du Fieber hast“, sagte Alex und reichte dem Soldaten das Thermometer: „Bitte mal unter den Arm stecken.“

Kurz danach schaute der Doc durch die Tür, bat den Sani in sein Behandlungszimmer, wo bereits ein anderer Soldat vom Arzt untersucht wurde. „Ich bin gleich zurück“, sagte Alex zu Niklas. Der hatte auf die kurze Auszeit nur gewartet. Ein paar Mal reiben, und die Temperatur würde schon wie gewünscht in die Höhe gehen. Aber es lief noch besser. Niklas brauchte gar nicht aufstehen, um das Thermometer kurz auf die nur Zentimeter entfernte Heizung zu legen. Er reagierte sekundenschnell und schob das Ding zurück unter seinen Arm, als sich die Tür öffnete und Sani Alex zurück war.

„Ich denke das reicht, du kannst das Thermometer rausnehmen“, sagte Sani Alex, nachdem er noch den Puls kontrollierte. Er schaute etwas erstaunt auf die Skala: „Hui. 39,9 – Du hast ja ordentlich Fieber. Hätten wir auf die ganz genaue Art im Po gemessen, wären es sogar über 40“, sagte Alex. Längst war ihm klar, dass wieder mal einer der Simulanten vor ihm saß.

Kurze Zeit später war Niklas beim Doc an der Reihe und wähnte sich direkt vor dem Ziel. Seine Hoffnung: Mit diesem Fieber und den schrecklichen Kopfschmerzen, würde der Arzt ihn sicher KZH schreiben, was so viel bedeutet wie: Krank zu Hause. Aber der Stabsarzt durchschaute schnell den Simulanten und beschloss, ihm eine Lektion zu erteilen. Bei Niklas war die Temperatur unterm Arm zwar alles andere als normal, aber spätestens bei der Messung im Po, die ihm auf der Station bevorstand, würde er auffliegen. Aber davon wusste er nichts.

Der Doc war sich sicher, dass Niklas spätestens am nächsten Morgen wieder völlig gesund ist und selbst um seine Entlassung bitten würde. Auf der Liege sitzend hörte der Stabsarzt den jungen Soldaten ab, schaute in den Rachen und befragte ihn nach weiteren Beschwerden. Der Rekrut sagte, dass er beim Marschieren mit schwerem Gepäck und Gewehr im Gelände einige Schmerzen in der Leistengegend hätte und das dies wohl davonkommen würde, dass er ja aktiver Fußballer sei. Der Doc allerdings vermutete, Niklas wollte von ihm einfach nur eine Befreiung vom Marschieren erschleichen.

„Mit dem hohen Fieber und den Kopfschmerzen brauchen Sie jetzt absolute Ruhe. Sie bleiben bei uns auf der Station. Dann sind Sie bald wieder gesund“, eröffnete ihm der Doktor. Niklas sank ein wenig im Stuhl zusammen, war enttäuscht. Ins Bett wollte er sich nun nicht legen, sondern nach Hause. Aus der Nummer kam er nun jedoch nicht wieder heraus. Aber immer noch besser, als bei drei Grad und Nieselregen durch die Botanik robben, dachte er sich.

„Hol deine persönlichen Sachen, Schlafanazug und Waschzeug und dann meldest Du Dich wieder bei mir“, sagte Sani Alex. Der Doc schob noch hinterher: „Morgen geht es Ihnen sicher besser, dann schaue ich mir auch noch an, woher ihre Leistenbeschwerden kommen.“