Die Geister, die ich rief....

Kapitel 1: Die Enttäuschung

Eigentlich kam ich ein wenig enttäuscht nach Hause. So viel hatte ich erwartet, aber es war wie so häufig: wenn man zu viel erwartet, ist das Risiko enttäuscht zu werden umso größer. Es war das erste Mal, dass ich zu einer Vorsorgeuntersuchung gegangen war, aber das war so unspektakulär gewesen. Dabei hatte ich mir doch schon extra eine weibliche Ärztin ausgesucht, die damit warb, sich besonders viel Zeit zu nehmen und dies auch in den Bewertungsforen bestätigt wurde. Nach einem kurzen förmlichen Gespräch wurde der Ultraschall in einer halbdunklen Kabine gemacht, das Hemd dabei nur hochgezogen. Das Abtasten der Prostata ein vorsichtiges Tasten, weniger als 20 Sekunden und der Ultraschall der Prostata kaum zu merken. Am aufregendsten war da noch das Labor mit der Blutprobe. Kein Stuhl wie bei den Frauen, kein Ausziehen, keine Untersuchungen, die man als spektakulär oder beeindruckend beschreiben kann. Natürlich war ich froh, dass es keinen Befund gab und klar: viele Altersgenossen würden sich genau darüber freuen. Mich enttäuschte es aber.

Gestatten Sie mir, dass ich mich kurz vorstelle: Ich bin Klaus, etwa Mitte 40 und habe zu Medizinern ein sehr ambivalentes Verhältnis. Schon seit meiner Kindheit habe ich eigentlich riesige Angst vor Medizinern und besonders vor schlechten Diagnosen. So habe ich mich im realen Leben lange darüber gefreut, dass ich so wenig mit Ärzten zu tun haben musste. Gleichzeitig hatte genau diese Angst, dieser Respekt genau dazu geführt, dass Ärzte – und ganz besonders Ärztinnen – auf mich einen faszinierenden Reiz ausübten. Als Kind mochte ich Doktorspiele und hatte das Glück, dass meine 5 Jahre ältere Cousine dies bis ins Teenie Alter mit mir gerne spielte. Danach wurden Spielpartnerinnen Mangelware und es war schwer, diesen Reiz des Ausgeliefertseins zu genießen, wollte ich nicht zu den echten und angsteinflößenden Ärzten gehen, zumal meine Eltern vermutlich kaum Verständnis dafür aufgebracht hätten.

Beneidet habe ich immer die Mädchen und Frauen. Schon im frühen Alter von 14 Jahren durften die zur Frauenärztin. Aufgrund des jungen Alters hatte kaum eine richtig etwas zu befürchten. Aber es wurde eine intime Stelle intensiv untersucht, die Ärztinnen waren besonders einfühlsam, hatten besonderes Verständnis für die Bedürfnisse junger Patientinnen, denen sie überwiegend die Pille verschrieben oder den älteren die Spirale einsetzten. In den Zeitschriften, die den jungen Mädchen die Angst nehmen wollten, sah ich immer sehr selbstbewusste, angstfreie Frauen, die es geschafft hatten, auch vermeintlich unangenehme Untersuchungen zu einer Normalität zu definieren. Besonders ängstliche Mädchen nahmen sogar eine Freundin mit zum Arzt. Als Junge wäre es weder vorstellbar noch reizvoll gewesen, dies zu tun. Den letzten, den ich mit zu einem Arzt nehmen würde, wäre ein Freund. So entwickelte sich über die Jahre ein ausgewachsener, aber ungelebter Fetisch und gleichzeitig der Wunsch, in diese mysteriöse Welt der mutigen Patienten (bei trotzdem hoffentlich gutem Befund) einsteigen zu dürfen.

So ist also ein wenig die Enttäuschung zu erklären, als ich nach Hause kam. Endlich durfte ich zur Vorsorge gehen, die Kasse bezahlte und es war so unendlich unspektakulär. Meine Partnerin, mit der ich seit vielen Jahren zusammen bin, spürte diese Enttäuschung. In all den Jahren hatte ich ihr meinen Fetisch versucht zu erklären, hatte alle möglichen Spiele mit ihr probiert und inzwischen besaß ich Instrumente, über die manche Arzt froh gewesen wäre. Was allerdings aufregend begonnen hatte, war nun ausgelebt. Meine Partnerin konnte meinen Reiz an dieser Welt nicht verstehen, sie war weder gerne die Ärztin, die mich nach all meinen Fantasien untersuchte und gegebenenfalls behandelte und als Patientin verspürte sie keinerlei Erregung. Daher suchte ich seit Jahren in der Welt der Bilder, meine Fantasie zu befriedigen. In unseren gemeinsamen Spielereien gab es keine quasimedizinischen Elemente.

Sie sprach mich an und fragte, warum ich enttäuscht sei, gesund zu sein. In einer eher umständlichen Erklärung versuchte ich, meine Gefühle in Worte zu fassen, aber hatte das Gefühl, dies mache es noch komplizierter. Sehr detailliert fragte sie immer wieder, was ich denn gehofft hätte, was ich mir denn gewünscht habe und wie es denn verlaufen hätte sollen.

Zu meiner Überraschung sagte sie zum Schluss, sie habe eine Idee. Ich möge ihr etwas Zeit geben und solle eines der nächsten Wochenenden freihalten. Sie würde versuchen wollen, meine Dämonen auszutreiben. Dazu müsse ich aber vollends vertrauen.