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Aufrufe: 2411 Created: 2017.05.04 Updated: 2017.05.04

Bettys Pein

Kapitel 1

Hallo zusammen,

nach ein paar Monaten oder schon Jahren Abstinenz habe ich den Weg mal wieder hierher gefunden. Mitgebracht habe ich auch eine kleine (okay, nicht ganz so kleine...) Geschichte, die ich laut Laptop vor etwa drei Jahren angefangen aber nie beendet hatte. Daran habe ich mich heute mal versucht. Mal sehen, ob der "Schnitt" von euch entdeckt wird. Sie hat ein gewisses Eigenleben entwickelt, ganz so war sie anfangs nicht geplant. Aber genug der Laberei. Teil 1 kommt nun erst einmal, mehr später. Viel Spaß beim Lesen. :-)

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Bettys Pein

- Die Vorgeschichte –

Freitag Morgen, und der Tag beginnt mit grausamen Kopf- und Halsschmerzen, wieder einmal. Na super, und das am letzten Tag vor dem Urlaub. Da muss erst einmal eine Tablette her und der Wecker soll eine zweite Chance bekommen, mich nicht so völlig elend aus dem Bett zu werfen. Zumindest gegen die Kopfschmerzen half die Tablette schon mal.

So begebe ich mich also nicht so ganz fit auf den Weg zur Arbeit. Vor Betreten des Gebäudes atme ich noch einmal tief durch und setze meine fröhliche Miene auf. Zum Glück wird der Tag nicht mehr so anstrengend werden, da der Chef zum Abschluss vor der Sommerpause ein gemeinsames Frühstück sponsert.

Nachdem er seine Urlaubsansprache gehalten hat, stoßen wir mit Orangensaft an, aber Himmel, das brennt im Hals! Den kann ich beim besten Willen einfach nicht trinken und muss ihn schnell wieder wegstellen. Zu dumm, dass ausgerechnet in dem Moment, als ich das mit verkniffenem Gesicht feststellen musste, der Chef zu mir herübergeschaut hat.

„Betty, alles in Ordnung?“ spricht er mich wenig später nach dem Frühstück an. „Jaja…“ weiche ich aus. „Und ehrlich? Was ist los, sind Sie krank?“ hakt er nach. „Ach nichts, nur ein bisschen Kratzen im Hals. Nichts weiter.“ „Bisschen Kratzen? Betty, wir arbeiten seit einigen Jahren zusammen. Ich kenne Sie gut genug um zu erkennen, dass ein ‚kleines Kratzen‘ keine solchen Gesichtsverrenkungen bei Ihnen auslöst.“ Ich schaue ihn ungläubig an. Was ist denn heute los mit ihm? „Naja gut, schon etwas mehr als ein Kratzen, aber ich trinke schon Tee und lutsche Bonbons, ist morgen bestimmt schon wieder weg.“ Bitte bitte, denke ich, bohren Sie doch nicht weiter… „Versauen Sie sich den Urlaub nur nicht. Sie wollten doch nach Finnland verreisen, da kommt eine Krankheit nicht gerade gelegen.“ Gut, Thema beendet. „Schweden, aber ja, da haben Sie recht, krank macht das keinen Spaß. Aber bis dahin sind es ja noch ein paar Tage,“ erwidere ich lächelnd. „Vielleicht sollten Sie sicherheitshalber lieber einen Arzt aufsuchen. Hier ist heute nicht mehr viel zu tun, gehen Sie ruhig jetzt schon, den Rest bekommen wir schon fertig.“ Wie bitte? Nee, das können Sie vergessen. „Danke aber nein, das schaffe ich noch und ich ruhe mich das Wochenende dann aus, damit ich gesund und munter in den Urlaub starten kann.“ Schließlich war mein Motto bei Wehwehchen schon immer ignorieren und abwarten. Damit bin ich bisher ganz gut durchgekommen. Irgendwann geht automatisch alles wieder weg. „Wenn Sie meinen,“ erwidert er skeptisch.

Zwei Stunden später, die ich mehr oder weniger begeistert vor mich hingearbeitet habe, ist der Hals leider doch schlimmer geworden. Bei etlichen Telefonaten bin ich schlichtweg nicht zum Tee kochen gekommen. Der Chef kommt auch noch mal rein, er hat noch einen Auftrag.

„Ja sicher“ krächze ich, der Schmerz ist mir wohl deutlich anzusehen. Besorgt schaut er mich an. „Betty, schräg gegenüber auf der Straße ist ein Arzt, da gehen Sie jetzt sofort hin. Und keine Widerrede, das ist eine Anordnung von Ihrem Chef.“

„Aber…“

„Kein aber. Und diese Sache gebe ich an Nicole weiter, darum kann sie sich noch kümmern.“

„Ich bin doch nur nicht dazu gekommen, mir Tee zu machen und zu trinken. Das werde ich sofort nachholen, dann geht es schon wieder viel besser,“ versuche ich das ganze abzuwimmeln.

„Betty, man könnte ja bald meinen, dass Sie Angst davor haben, zum Arzt zu gehen.“

„Nein, aber nein.“ Naja, ehrlich gesagt schon, ziemlich sogar, aber das muss der Chef nun wirklich nicht wissen.

„Und was spricht dann dagegen, eben rüberzugehen und einen Arzt einen Blick in Ihren Hals werfen zu lassen?“

„Muss wirklich nicht sein, zum Arzt sollen die Leute gehen, die wirklich krank sind und nicht nur ein Kratzen im Hals haben“

„Betty, was ist denn das für eine Einstellung? Na los, gehen Sie schon. Denken Sie an Ihren Urlaub, ich will Sie gut erholt und fröhlich nächsten Monat wiedersehen.“ zwinkert er mir zu.

„Also gut, wenn es denn unbedingt sein muss…“ Nein, es muss nicht und ich will nicht! Was ist er denn heute so penetrant?

Ich trödle ein bisschen herum, räume noch einige Dinge weg und mache mich wiederstrebend und mürrisch auf den Weg nach unten. Auf der Straße merke ich dann aber, dass ich meine Krankenkassenkarte gar nicht dabei habe und laufe noch einmal hoch in mein Büro. Als ich gerade die Tür aufschließe, kommt mir mein Chef entgegen. „Betty, da sind Sie ja schon wieder. Und, war es so schlimm?“

„Ich…“ Moment, soll ich ihm nun wirklich sagen, dass ich noch gar nicht da war? Ich könnte doch auch… „Ja, alles in Ordnung, nur eine harmlose Reizung des Rachens, wie ich schon gesagt habe. Tee und Halsbonbons, dann geht das schnell wieder weg.“ Sprach‘s und husche schnell zurück ins Büro. Puuuh, ich hätte gar nicht zu hoffen gewagt, dass ich doch so leicht drum herum kommen würde. Auch wenn ich nun ein kleines bisschen ein schlechtes Gewissen habe, meinen Chef so anzuflunkern. Aber bald ist der Tag rum nach dem Sommerurlaub würde eh keiner mehr an diesen Tag denken.

Es dauert nicht lange, da fliegt meine Tür schon wieder auf und mein Chef steht mit anklagendem Blick und einem vorwurfsvollen „Frau Schäfer!“ in meinem Zimmer. Oh oh, wenn er mich beim Nachnamen nennt, hat das meist nichts Gutes zu bedeuten. „Ja…?“ gebe ich kleinlaut zurück. „Sie haben mich schamlos angelogen!“ „Was? Ich… Was soll ich denn getan haben?“ Mist, was hat er denn nun? Ich habe ihm doch nie wissentlich irgendwas Falsches gesagt?! „Sie waren überhaupt nicht beim Arzt!“ Oh, DAS meint er… „Wie kommen Sie denn jetzt darauf?“ Mist mist mist, wie hat er das denn rausgefunden? So rot, wie ich in dem Moment werde, steht mir die Schuld allerdings sicher ins Gesicht geschrieben. „So seltsam, wie Sie eben reagiert haben, war mir klar, dass da irgendwas im Busch sein muss. Also war ich so frei, mal eben in der Praxis von Dr. Behrens anzurufen und nachzufragen, was mit meiner Assistentin los sei.“ Dr. Behrens?? Oh… das wird doch wohl nicht… „Und was glauben Sie wohl, was ich von meinem Bruder erfahren habe?“ Nein, das kann doch wohl nicht sein! So ein Mist, sein Bruder! „Ich weiß nicht…“ Oh bitte, es möge sich der Boden auftun und mich verschlucken… „Sie werden es nicht glauben, eine Bettina Schäfer ist dort gar nicht vorstellig gewesen! Würden Sie mir das bitte einmal erklären!!“

Verdammt! „Nun, also… ähm…“ stammle ich, „Ich…“

„Betty, was ist los?“ schon ein wenig sanfter.

„Naja, ich war ja schon unterwegs, aber dann musste ich nochmal zurück, weil ich meine Karte vergessen hatte, und als ich gerade die Bürotür aufschloss kamen sie mir entgegen und dann dachten Sie, ich wäre schon da gewesen und da habe ich einfach gesagt, dass ich schon da war, weil…, weil…“ rattere ich ohne Punkt und Komma runter und da brechen aus mir die Tränen heraus und ich fange hemmungslos an zu schluchzen.

Die Wut vom Chef ist längst verraucht, allein schon bei dem Anblick des Häufchens Elend, zu dem seine Assistentin in nur kürzester Zeit geworden ist.

„Betty, nun beruhigen Sie sich doch erst mal wieder.“ Er kommt um den Schreibtisch herum, kniet sich neben mich, reicht mir ein Taschentuch und streicht mir beruhigend über die Schulter. Schweigend sitzen wir eine ganze Weile nebeneinander. Naja, er schweigend, ich immer noch schluchzend.

„Ich hatte vorhin recht mit meiner Vermutung, oder?“ Aus verheulten Augen sehe ich ihn fragend an. „Sie haben Angst vor Ärzten.“ Beschämt blicke ich zu Boden und nicke nur stumm. „Haben Sie schlechte Erfahrungen gemacht?“ Wieder ein Nicken, mehr bringe ich nicht zustande. „Wollen Sie darüber reden?“ Ich schüttle den Kopf.

„Betty, ganz ehrlich, wie lange schleppen Sie die Halsschmerzen schon mit sich herum?“

„…“ Ich bringe keinen Ton mehr raus, nicht nach der Heulerei. Also hebe ich eine Hand.

„Fünf Tage?“ Ich schließe die Hand und zeige noch einmal vier Finger. „Neun Tage?? Betty, schon so lange. Sie wissen doch bestimmt, dass damit nicht zu spaßen ist. Ich mache mir wirklich Sorgen um Sie, Sie müssen dringend zu einem Arzt.“

Nein! Ich schüttle erneut den Kopf. „Doch, Betty. Ich rede mal mit meinem Bruder. Wir gehen dann gemeinsam rüber und Sie lassen sich untersuchen.“ Panik schleicht sich in meinen Blick. „Und bitte brechen Sie nicht in Panik aus. Ich verspreche Ihnen, er wird ganz ruhig und behutsam vorgehen und Sie nicht unnötig quälen. Sie wissen, Sie können mir vertrauen, oder?“ Ein scheuer Blick auf meinen Chef. „Habe ich jemals Ihr Vertrauen missbraucht?“ Er lächelt mir aufmunternd zu, ich lächle etwas gezwungen zurück, schüttle aber den Kopf.

So unruhig, wie ich nun bin, ist an Arbeiten natürlich nicht mehr zu denken. Außerdem brauche ich dringend den Tee für meinen Hals. Doch ich war noch nicht ganz zur Tür, da kam Nicole mit einer Tasse dampfenden Tees herein und strahlt mich an, „Mit freundlichen Grüßen vom Chef und dicker Portion Honig und gute Besserung von mir.“ Ich kann nicht anders und grinse sie an. Das mit der dicken Portion war keinesfalls übertrieben. So süß, wie der Tee schmeckt, besteht der bestimmt zur Hälfte aus Honig. Sie leistet mir noch eine Weile Gesellschaft, während ich versuche, tapfer den Honigtee hinunterzuwürgen.

Nachdem sie wieder an ihre Arbeit gegangen ist, sitze ich allein in meinem Büro, hänge meinen Gedanken nach und merke die Panik langsam wieder aufsteigen. Warum habe ich mich heute Morgen nicht einfach krankgemeldet und bin im Bett liegen geblieben? „So, Betty, wir können gleich rübergehen.“ Ich zucke fürchterlich zusammen, weil ich meinen Chef gar nicht hereinkommen gehört habe. „Mir geht es aber schon viel besser nach dem Tee,“ starte ich einen letzten Versuch, nicht die gefürchtete Arztpraxis betreten zu müssen. „Das freut mich, aber glauben Sie nicht, dass Sie damit durchkommen. Na los, kommen Sie. Sie haben meinen persönlichen Geleitschutz.“ Na herrlich, denke ich… Unwillig stehe ich auf und folge ihm zögernd.

- Ende Teil 1 -

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Master1309 Vor 7 Jahre