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Aufrufe: 1983 Created: 2017.10.22 Updated: 2019.05.14

Die Grippeimpfung

Die Grippeimpfung

Diese Geschichte ist eine Mischung aud Realität und Fantasie. Was wahr oder frei erfunden ist, könnt ihr für euch selbst entscheiden. Ich hoffe, dass die Geschichten ein paar Leuten hier gefällt 😃 Freue mich wie immer über Feedback.

Seit einiger Zeit arbeite ich nebenher in der Ordination von Frau Dr. Anna Barelli. Sie ist Ärztin für Allgemeinmedizin. Zum Team gehören außer mir noch die Arztassistentinnen Karoline, Antje, Erika und Patricia, wobei ich die einzige Krankenschwester und die Jüngste von allen bin.

Beim letzten Teamgespräch hat uns Anna (wir sind hier alle untereinander per Du) gefragt, wer Interesse an der Grippeimpfung hätte. Sie würde dies sehr befürworten, gerade jetzt zu Beginn der Grippezeit. Nachdem keiner etwas sagte, wandte sich Anna mir direkt zu. „Was ist mit dir, Lana? Du hast doch kleine Kinder, die willst du doch sicher nicht anstecken?“, fragte sie mit so einem Unterton in der Stimme, der irgendwie ein „Nein“ als Antwort nicht gelten lassen würde. Hätte ich nicht so panische Angst vor Nadeln (also nicht, wenn ich Patienten spritzen muss, da stehe ich ja auf der richitgen Seite der Nadel) hätte ich der Impfung natürlich sofort zugestimmt. Vierzehn Tage mit Grippe im Bett liegen, will ich ja auch nicht. Aber die Aussicht auf einen äußerst schmerzhaften Nadelstich mit vermutlich anschließeder Schwellung war auch nicht gerade überzeugend. Außerdem hatte ich in meinem ganzen Leben noch keine Grippe gehabt. Mein betretenes Schweigen deutete Anna wohl als Einverständins und fuhr fort: „Lana, du kannst doch auch i.m.-stechen, ja?“ Ohne darüber nachzudenken, wie diese Frage eigentlich gemeint war, nickte ich eifrig. Endlich könnte ich auch mal was anderes, als immer nur diese öden Verbandswechsel und den ganzen Papierkram machen. Ja, hin und wieder war ein EKG zu schreiben, aber doch sehr selten. Wenn es nicht akut war, verwies Anna ihre Patienten an die internistische Gruppenpraxis gleich in der Nähe. „Sehr gut, dann stichst du mich und ich steche dich. Bis nächste Woche habe ich die Impfstoffe“ meinte sie zuversichtlich. Ich war wie gelähmt vor Schreck und konnte gar nichts darauf erwiedern. Anna machte einfach weiter im Text, damit wir schnell mit dem Teamgespräch fertig wurden.

Die eine Woche verging rasch. Viel zu rasch. Für einen Moment hatte ich schon überlegt, mich „krank“ zu melden, aber dass dies eine blöde Idee war, lag auf der Hand. Wie immer, war ich eine Viertelstunde vor Ordinationsbeginn da. Meine Kollegin Patricia war ebenfalls schon hier und sortierte die neuesten Blutbefunde. „Hi Patricia, wo ist denn unsere Frau Doktor? (Wenn Anna nicht da ist, sprechen wir von ihr als „Frau Doktor“, vor allem vor den Patienten). „Hausbesuch“ murrte Patricia. Kein „Hi“ oder sonst eine Begrüßung. Typisch Patricia. Ich verschwand in der Gaderobe, um mich umzuziehen. Kurz darauf kam Anna in die Praxis. „Es stehen schon ein paar Patienten draußen vor der Tür. Komm‘ Lana, machen wir schnell die Impfung und dann sperren wir auf“, erklärte sie, als ob dies unsere übliche Routine wäre. Mein Herz klopfte wie wild und meine Handflächen wurden schon ganz feucht. Ein dumpfes Gefühl machte sich in meiner Magengrube breit. Wie angewurzelt blieb ich stehen. „Wo bleibst du denn? Im Behandlungsraum 1 liegt ich schon alles bereit.“, rief sie rüber. Mit weichen Knien schwankte ich ins Nebenzimmer. Der Geruch von Desinfektionsmittel, den ich sonst gern mochte, löste plötzlich eine Woge der Panik in mir aus. Als ich ins Behandlungzimmer eintrat, atmete ich erleichtert auf. Anna saß mit hochgekrempeltem Ärmel auf der Behandlungsliege und wartete darauf, dass ich sie zuerst impfte. Eine Welle der Erleichterung schwappte über mich. Meine Professionalität übernahm nun das Kommando, wobei ich noch immer ein bisschen nervös war. Während ich mir die Hände desinfizierte, fragte ich Anna, eher scherzhalber: „Waren Sie in den letzten zwei Wochen mal krank?“. Offensichtlich teilten wir nicht den gleichen Humor, denn sie ignorierte meine Frage und meinte nur.“ Mach‘ einfach und dann haben wir Sprechstunde.“ Mit noch leicht zitternden Fingern nahm ich die Fertigspritze aus der Verpackung raus. Zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger eingeklemmt hielt ich sie auf Augenhöhe und klopfte die Luftbläschen raus. Mittlerweile hatte ich mich wieder im Griff und konnte mich auf das Vorbereiten der Injektion konzentrieren. Anna wirkte schon etwas ungeduldig. Mit einem Isozid-Tupfer desinfizierte ich die Stelle am Oberam (Musculus deltoideus - der war mal eine meiner Prüfungsfragen während meiner Ausbildung). Zügig stach ich zu und schob die relativ kurze Nadel bis zum Anschlag rein. Kolben zurückziehen, um zu sehen, ob Blut aspiriert wird. Nein (natürlich nicht, schließlich kann ich das ja) – also die ganze Füssigkeit reindrücken und fertig. Anna wollte schon aufstehen, als ich etwas kleinlaut sagte: „Warte, ich kleb noch schnell ein Pflaster drauf.“ Aber die Frau Doktor rauschte schon an mir vorbei in ihr Sprechzimmer. Oh Gott sei dank! Schusselig, wie sie manchmal ist, hatte sie meine Impfung wohl vergessen.

Um Punkt 18.00 Uhr verließ der letzte Patient die Ordination. Patricia und ich begannen, alles für den nächsten Tag vorzubereiten. Als ich gerade dabei war, den Autoklaven einzuschalten, rief Anna nach mir. Ich drückte noch auf den Startknopf und ging zu ihr ins Sprechzimmer. Ohne Umschweife kam sie zum Thema. „Du kannst dich gleich auf die Untersuchungsliege setzen, dann kriegst du auch deine Grippeimpfung“. Verdammt! Sie hatte es doch nicht vergessen. Erneut stieg Panik in mir hoch. Ich fühlte mich total überrumpelt. Meine Hände wurden wieder ganz feucht und mein Herz raste wie verrückt. In der ganzen Aufregeung hat es vielleicht sogar einen Schlag ausgesetzt. Stocksteif blieb ich in der Tür stehen. Ich konnte mich keinen Zentimeter vom Fleck rühren. „Lana, du siehst fürchterlich aus! Geht’s dir etwa nicht gut?“, erkundigte sich Anna, als sie meinen angsterfüllten Gesichtsausdruck wahrgenommen hatte. „Doch, doch, alles bestens.“, antwortete ich unüberlegt. „Also ehrlich gesagt, nein. Ich hab‘ ziemliche Kopfschmerzen und wäre froh, wenn wir die Impfung auf nächste Woche verschieben könnten“ stammelte ich verlegen. Ich wollte schon kehrtmachen, damit ich noch die restliche Arbeit erledigen konnte, doch da stand Anna auch schon vor mir uns sah mich prüfend an. „Ich hab‘ den Impstoff schon vor einer Stunde aus dem Kühlschrank genommen, den kann ich leider nicht noch einmal einkühlen. Also muss die Impfung heute sein.“, erklärte sie ungerührt. Vor Schreck wurde ich weiß wie die Wand. „Aber zunächst will ich dich kurz untersuchen, um sicherzugehen, dass du nicht ernsthaft krank wirst“, ergänzte sie, während sich mich sanft, jedoch bestimmt zur Liege schob. Ich stand kurz vor der Erfüllung meines schlimmsten Albtraumes.

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Wildflower Vor 4 Jahre  
admciliax Vor 5 Jahre  
DerBehandler Vor 5 Jahre  
Jupiter Vor 7 Jahre  
n/a Vor 7 Jahre  
Master1309 Vor 7 Jahre  
patientin kathrin Vor 7 Jahre  
DocJoc Vor 7 Jahre