Mein erstes Stethoskop

Wie ich mir mein erstes Stethoskop kaufte: Ich liebäugelte schon lange mit einem Stethoskop. Es war aber nicht dranzukommen. Zu teuer, und wo und wie sollte ich es kaufen? Ich hatte damals noch keine Freundin und hörte mich nur selbst ab. Was hatte ich alles gebastelt aus Schläuchen, Trichtern, Röhrchen … Manche „Stethoskope“ funktionierten so leidlich, sahen aber gräßlich aus. Beim Schularzt und bei der Hausärztin wurden wir damals mit dem Supraphon abgehört (was seine Wirkung nicht verfehlte!); dass wäre es natürlich gewesen. Aber woher nehmen? In der Nachbarstadt war ein Medizinbedarf-Fachgeschäft, wo ich wenn immer es ging, die Schaufenster ansah. Das lag sogar mal zu meiner Riesenfreude ein Supraphon, aber der Preis war für mich damals jenseits von gut und böse. Ich weiß ihn nicht mal mehr. Eines Tages lag dort ein KaWe Multiphon mit transparenten Kunststoff-Schläuchen und einem roten Gummi-Trichterbruststück. Ich glaube, es kostete 65,- D-Mark. Teuer, aber vielleicht machbar. Und es sah auch sexy aus: die Schläuche „hautfarben“, und das Bruststück aus knallrotem Gummi. Und ich bin schon mal mit so einem Stethoskop abgehört worden. Jedenfalls verfehlte der Anblick des Stethoskops im Schaufenster seine Wirkung nicht…

Mein Entschluß wurde immer fester: Das KaWe mußte her! Also wurde alles Geld gespart: der erste Schritt. Ich stellte mir schon vor, wir ich damit mein Herz abhören würde. Ich würde warten, bis ich allein zu Hause wäre, würde mein Zimmer abschließen (weil man ja nix hört, wenn man das Stethoskop in den Ohren hat!), würde mich wie beim Arzt bis auf die Unterhose ausziehen, das Stethoskop in die Ohren stecken und mein Herz abhören, dann tief ein- und ausatmen und meine Lunge abhören. Wenn’s doch nur schon soweit wäre! Einstweilen mußte ich mich mit meinen Bastel-Dingern begnügen, mit denen ich mich im Bett abhörte, indem ich meine Pyjama-Jacke auszog, um das geile Gefühl des nackten Oberkörpers zu haben.

Eines Tages hatte ich mein Geld zusammen! Ich fuhr mit der Bahn in die Nachbarstadt. Der Laden war praktischerweise in der Bahnhofstraße. Ich hatte mir schon die ganze Zeit genau zurechtgelegt, was ich sagen wollte: „Meine Schwester studiert Medizin, und ich will ihr zum Geburtstag ein Stethoskop schenken …“ Mein Herz raste, meine Hose spannte, als ich mir das ausmalte. Hoffentlich fragen die dann nicht zuviel, und hoffentlich bring ich überhaupt ein Wort raus! Mit zitternden Knien und pochendem Herzen öffnete ich die Ladentür. Es roch ein bißchen nach Krankenhaus. Der Raum war hoch, groß und hell. In den Theken lagen allerhand medizinische Geräte. Ich war offenbar allein im Laden; aus einem Nebenraum kam ein paar Stufen herunter eine Verkäuferin im langen weißen Kittel. Sie sah schon ein bißchen wie eine Ärztin aus. „Womit kann ich Ihnen dienen…?“ Sie hatte „Sie“ zu mir gesagt! Und es ging los: „Ich…ich…ich suche,…ich möchte…, ich interessiere mich…, ich möchte ein Stethoskop !“ Es war draußen!

„An was hatten Sie denn da gedacht, wir haben verschiedene Modelle, es kommt darauf an, wofür Sie es brauchen.“ „Na ja, ich dachte an das KaWe…“ Keine Nachfrage – Gott sei Dank! Sie ging in den Nebenraum und kam mit drei Schachteln wieder. Auf der einen war das Kunststoff-Multiphon abgebildet, auf der anderen auch, und auf der dritten Schachtel prangte ein rotes Gummischlauch-Supraphon ! Das hatte mir gerade noch gefehlt!

Sie öffnete die KaWe Schachtel und nahm das Stethoskop heraus. Es sah so geil aus ! Sie klappte die Chrombügel auseinander und reichte es mir. Meine Hände zitterten. Ich hielt zum ersten Mal ein wahrhaftiges Stethoskop in Händen! Was sollte ich jetzt damit tun? Mir in die Ohren stecken, zur Verkäuferin sagen „machen Sie bitte Ihren Oberkörper frei, ich will Sie mal abhören…!“

Das tat ich natürlich nicht! Ich schaute es mir an, nickte, und die Verkäuferin legte es zurück in die Scachtel.

Wie es dann weiteging, erzähle ich Euch, wenn's Euch interessiert!