Die Geschichte der Sarah Gonfler
Kapitel 1-3
Die Geschichte der Sarah Gonfler
1
Sarah Gonfler sah auf den Mann herab, der gerade ihre ausgelatschten Schuhe küsste. Ergeben und Seufzer ausstoßend behandelte der Mann ihre Füße, als seien sie das Wertvollste auf Erden. "Sei froh, dass ich noch einen Termin frei hatte, Gilbert. Stell' dir vor, ich wäre jetzt weg!" Der Mann zu Sarahs Füßen schrak kurz zusammen und stammelte: "Bitte, Mademoiselle Gonfler. bitte!" Sarah Gonfler brach in ein spitzes und kühles Lachen aus und rief: "Gilbert, wie oft warst du diese Woche schon bei mir?" Gilbert senkte den Kopf: "Viermal, Mademoiselle."
"Und du hast noch nicht genug, wie? Du möchtest noch ein weiteres Mal aufgepumpt werden? Bis du wieder wimmernd vor mir liegst wie ein Hund unter den Füßen seines Frauchens?"
Sie schaute dem Mann in die Augen, die in glühender Faszination zu ihr aufblickten - ein Stammgast ihres Etablissements. Ein Kunde von vielen, den sie mit ihren Künsten langfristig an sich gebunden hatte. Sarah Gonfler strahlte eine fast schon unheimliche Erotik aus: ein perverses Funkeln der Augen und ihr lasziv-strenges, auch derbes Auftreten – Dominanz in einer Form, die sowohl Männer als auch Frauen aus allen Gesellschaftsschichten anzog und bannte.
2
Schon als 8-Jährige wusste Sarah viel über die Arbeit ihrer Mutter, die damals als Krankenschwester arbeitete und so den spärlichen Lebensstil der beiden ermöglichte. Im Alter von 14 Jahren wurde sie dann Zeugin, wie ihre Mutter einem jungen Mann ein Klistier verabreichte, während dieser ein seltsames Stöhnen von sich gab. Mit starrem Blick besah sich Sarah diese Szene, bis ihre Mutter sie entdeckte und aus dem Zimmer schickte. Doch Sarah hatte schon etwas Wichtiges gelernt...
Sie lebte zu Zeiten, da die Darmpflege in höheren Kreisen der Gesellschaft fast schon zum Volkssport ausartete. Man ließ sich durch die verschiedensten Klistierapparate befüllen; drückte, presste, pumpte und spritzte Wasser, Luft und vieles mehr in den After. Es beeinflusste in hohem Maße die Libido der herrschenden Schicht, weswegen sich auch bald ein Gewerbe bildete, das dem der Prostitution in mancher Hinsicht ähnelte. Ein großer Teil der Bevölkerung ließ sich zwar nach ärztlichem Rezept von Apothekern Klistiere verabreichen - andere jedoch zog es zu den Klistierfrauen, den lavementières hin, die sich ganz auf ihr Gewerbe spezialisiert hatten und dabei auch der Libido ihrer Kundschaft gerecht wurden, wobei jedoch der medizinische Nutzen der Behandlung stark in den Hintergrund trat.
3
Sarah war mit ihren damals 19 Jahren eine äußerst aufreizende Erscheinung in der Blüte ihres Äußeren und strahlte Selbstbewusstsein und Zielstrebigkeit aus. Meist traf man sie in ihrer kleinen Praxis in der Nähe des Montmartre an, in gewöhnlicher Hausgarderobe, die nackten Füße in einem Paar Holzpantoletten, was ihrem festen Gang eine zusätzliche unüberhörbare Note gab. Den Arm in die Hüften gestellt, taxierte sie jeden der Vorübergehenden mit leicht spöttischem Blick und pries schamlos ihre medizinischen Dienste auf einem großen Plakat an: "Luft- und Tabak-Klistiere ab 3 Francs, kleines Klistier: 5 Francs, komplette Darmspülung: 20 Francs". Viele der Passanten, meist Männer, blieben kurz an der Erscheinung Sarah Gonflers hängen, wenn sie sich in der engen Rue des Lavementières nach einer geeigneten "Therapeutin" umsahen.
Sarah verfügte - dank der vielen Patienten ihrer Mutter - binnen kurzer Zeit über einen festen Kundenstamm. Die ersten lockte sie mit einem versteckten Augenaufschlag und dem schnell geflüsterten Angebot in des Patienten Ohr... Die Mutter kam zwar hinter ihr Spiel, wollte es ihr auch zuerst verbieten, doch als sie sah, wie viel Geld Sarah innerhalb kürzester Zeit verdient hatte, willigte sie schließlich ein, dass Sarah ihr Talent in einer eigenen Praxis in der Rue des Lavementières unter Beweis stellen durfte.
Der kleine Raum, den Sarah mietete, war spartanisch eingerichtet: eine Holzliege und etliche Spritzen aus Gummi, Glas und Metall, an den Wänden hingen lange Gummischläuche, Hand- und Fußblasebälge, verschieden dicke Darmrohre und Klistierbeutel in allen Größen, aus Tierdärmen und Gummi. Und Sarah wusste mit dieser Ausrüstung umzugehen! Geheime Kräuterrezepte und ihr angeborenes Schauspieltalent verstärkte die Wirkung ihrer Klistiere nachhaltig, so dass viele ihrer Klienten wiederholt bei ihr auftauchten und um die Fortführung der Behandlung baten...