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Aufrufe: 491 Created: Vor 3 Monate Updated: Vor 3 Monate

Bericht einer Stuhlassistenz über den zahnärztlichen Notdienst

"Wir entfernen Ihnen die Karies gründlich"

"Wir bohren Ihnen schön gründlich die Karies aus." sagt der Zahnarzt zu unserem Patienten und greift zu dem Bohrer. Thorsten versucht sich zu winden, der Fixierung zu entziehen, vergeblich. Den Mundspreizer stelle klickend ich noch ein bisschen weiter ein. "Schöööön weit auf." sage ich. Seine Augen blicken panisch abwechselnd in mein Gesicht und in das des Zahnarztes, als wolle er was mitteilen. "Wenn es wehtut, heben Sie die Hand." entgegnet der Zahnarzt dem panischen lautierendem Patient. Das scheint Thorsten nicht zu beruhigen, schließlich sind seine Hände neben seinem Körper fixiert.

Der Zahnarzt lässt die Turbine in Thorstens Sichtfeld aufheulen. Er bittet mich, ihm einen anderen Bohraufsatz zu reichen. Das tue ich, der Zahnarzt beobachtet mich dabei genau. Und wieder lasse ich die Schublade hinter Thorstens Kopf klirrend zufallen und fahre mit meinem Hocker wieder zum Behandlungsstuhl. Ich spühre eine intime Nähe zwischen dem Zahnarzt und mir unsere Köpfe berühren sich fast, verbunden in den Gedanken an die herausfordernde Behandlung. Unter uns, mit überstrecktem Kopf und weit geöffnetem Mund liegt unser Patient. Ich beobachte den Zahnarzt, der Bohrer in seiner Hand verstärkt seine dominate Wirkung auf mich.

"1.8, 1.7, 1.6" sagt der Zahnarzt zu mir. Ich plaziere mit meinen Fingern zwei Watterollen in die rechte Wange, drücke sie fest. Der Zahnarzt führt den Bohrer zum hinteren Backenzahn, rechts im Oberkiefer. Er beginnt den Weißheitszahn aufzubohren und trägt die kariöse Substanz ab. Thorsten reagiert leicht, ich muss ihn dabei unterstützen, seine Zunge zu kontrollieren und halte sie mit dem Spiegel ab, den Sauger platzieren ich in der Nähe des Gaumens. Der Zahnarzt macht keine Pause, kontrolliert nicht das Ergebnis, sondern bohrt. Immer tiefer. Zunehmend unruhiger zeigt sich der Patient. "Ja, das ist unangenehm, wir sind fast am Nerv." erklärt der Zahnarzt, ohne aber seine Arbeit zu unterbrechen. Der Schmerz wächst, Thorstens Mimik zeigt es mir. Ich tröste ihn: "Einer von mindestens zwölf ist schon zur Hälfte geschafft." Das scheint unseren Patienten nicht zu beruhigen. Ich versuche es erneut: "Schön locker lassen, ganz entspannt bleiben" "Weit auf, locker lassen." fügt der Zahnarzt hinzu und unterbricht das Bohren nach einigen Minuten erstmals. Ich reiche ihm eine Sonde. Aus Patienten-Perspektive ein spannendster Moment, muss weiter gebohrt werden? Sind wir so nah am Nerv, dass auch die Zahnwurzeln behandelt werden müssen?

Comments

Norman Vor 1 Monat 1  
Polarfuchs Vor 3 Monate 5  
Norman Vor 3 Monate 3  
Polarfuchs Vor 3 Monate 2  
xxxgrl Vor 3 Monate 3