Sie betritt die Tapas-Bar und erkennt Timo sofort. Sportliche Figur, kurze braune Haare, braune Augen und ein sympathisches Lächeln. Er winkt zu ihr herüber, und sie nimmt Platz. Sie mustert ihn kurz: Polo-Shirt, Jeans und eine große, silberne Uhr am Handgelenk - sieht teuer aus.

Nach dem ersten Smalltalk vertiefen sich die beiden ins Gespräch. Er ist humorvoll, genau wie in seinen Mails und Nachrichten und ein interessierter Zuhörer. Sie reden über Gott und die Welt, lachen viel und beide fühlen sich sichtlich wohl.

Nikkis Blick hängt an Timos protziger Uhr fest. “Sag’ mal, was machst du eigentlich beruflich?”, fragt sie beiläufig, weil sie sich das schon die ganze Zeit gefragt hatte.

“Ich bin Zahnarzt”, erklärt er knapp.

Bei dem Wort ‘Zahnarzt’ zuckt Nikki unweigerlich zusammen. “brrr, ich hasse Zahnärzte”, rutscht es ihr raus.

“Wirklich?” fragt Timo lachend und Nikki gesteht, dass sie nicht gerne zum Zahnarzt geht. Der spanische Rotwein ist ihr schon ein bisschen in den Kopf gestiegen, so dass es ihr etwas schwer fällt, das Gespräch zu führen. Das ihr letzter Zahnarztbesuch Jahre zurückliegt, kann sie gerade noch für sich behalten.

“Aber das kann ich verstehen”, schwenkt Timo ein, “nicht jeder geht gerne zum Zahnarzt. Solange man regelmäßig geht und keine Beschwerden hat, ist es ja auch kein Problem.”

“Das stimmt”, entgegnet Nikki, “wenn da nicht dieses nervige Ziehen hinten links wäre.”, ergänzt sie und bereut im selben Moment, was sie gerade gesagt hat.

“Oh”, springt Timo direkt drauf ein, “soll ich mir das mal anschauen?”

Nikkis Herz beginnt plötzlich zu hämmern. Es wäre ihr sehr peinlich, ihrer neuen Bekanntschaft ihre Zähne zu zeigen - erst recht, weil sie sie zugegebenermaßen etwas vernachlässigt hat. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass man bei Timo als Patient sicher gut aufgehoben ist.

“Doch nicht hier”, wehrt sie mit gespielter Empörung ab.

“Natürlich nicht”, lenkt Timo ein, aber meine Praxis ist gleich um die Ecke.

“Ich weiß nicht…”, stammelt Nikki unsicher.

“Bei mir muss kein Patient Angst haben”, erklärt er beruhigend und schenkt ihr nochmal Wein nach. “Außerdem hast du wirklich schöne Zähne”, schmeichelt er ihr, “ist mir gleich am Anfang aufgefallen”.

Nikki schaut verlegen nach unten und darf noch ein paar Komplimente mehr über sich ergehen lassen.

Auch er ist nicht unattraktiv. Sie beobachtet seine Lippen, seine trainierten Oberarme, ihr Blick wandert über seine Brust nach unten. Dann greift sie nochmal nach dem Wein.

Das Gespräch fokussiert sich jetzt wieder auf andere Themen, auf die Nikki sich nicht mehr wirklich konzentrieren kann. Sie hängt nur noch an den Lippen dieses Mannes.

“Komm, gehen wir!”, Nikki schreckt irritiert hoch.

Nachdem er die Rechnung bezahlt hat, stehen sie vor dem Lokal auf der Straße. Noch bevor Nikki für sich geordnet hat, ob der Abend schon vorbei ist oder wie er weitergeht, führt er sie nach links die Straße entlang. Nach nur ein paar Metern bleibt vor einer Eingangstür stehen und weist sie mit einer einladenden Geste in das Gebäude. “Hier entlang”.

Nikki folgt ihm, ohne genau zu realisieren, was passiert. Der Rotwein und das nette Gespräch schwirren noch in ihrem Kopf, und ohne nachzudenken folgt sie ihm einfach. Er schließt eine weitere Tür auf, sie folgt ihm ausgelassen. Im Vorbeigehen sieht sie flüchtig ein Schild im Augenwinkel: “Drs. Schneider”. Sie schaut sich um und realisiert, dass sie im Empfangsbereich einer Praxis steht.