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Aufrufe: 1208 Created: 2016.09.20 Updated: 2016.09.20

Kindheitserinnerungen - Leseprobe

Kapitel 1

Es war Sommer. Der Sommer, in dem Timo und ich endlich in die erste Klasse kommen würden. Seit Tagen schon war ich aufgeregt.

Schule. Alleine das Wort erweckte in mir Neugier und Ehrgeiz. Ich hatte es bei Simon immer wieder miterleben können. Mein Bruder schwärmte förmlich davon.

Und so lag ich auch meinem besten Freund damit immer wieder in den Ohren. Er war wieder einmal bei mir daheim. Ich hatte von Simon die alte Schultafel mit der weißen Kreide bekommen. Diese stand nun bei mir im Zimmer. Eigentlich hatte ich vorgehabt Timo zu unterrichten. Doch der kleine braunhaarige Junge mit den süßen Augen und dem frechen Lächeln auf den Lippen hatte darauf bestanden das sein Arztkoffer mit dabei sein musste.

Timo hatte diesen neben sich stehen und wartete nur darauf, dass ich in gespielter Ohnmacht umfiel. Doch noch zögerte ich es hinaus.

»Man, Rena. Jetzt mach endlich.“, nörgelte dieser und rutschte unruhig auf seinem Stuhl, der an dem niedrigen Holztisch stand und der mir gehörte, herum.

»Jaja.« Ich suchte noch einmal etwas in meinem neuen „König der Löwen“ Schulranzen nach, ehe ich beschloss, Timos Bitte nachzukommen.

Mit einem »Oh, ich glaub mir ist so schlecht.« legte ich mir die Hand an die Stirn, was sicherlich total bescheuert aussehen musste und verdrehte die Augen.

Timo, der nur darauf gewartet hatte, sprang auch sofort auf und lief zu mir.

Besorgt musterte er mich. »Was hast du? Geht´s dir nicht gut?«

Ich musste mich beherrschen, um nicht loszulachen. Timo würde sonst beleidigt sein. Er nahm das Doktorspielen sehr ernst. Also machte ich weiter und nickte.

»Ja, ja ich glaub…« Mit einem lauten „Rums“ fiel ich auf die Knie und dann nach vorne, wo ich reglos zusammengerollt liegen blieb. Die Augen hatte ich geschlossen.

»Oh Gott. Ist dir was passiert? Sag doch was.« Ich hörte, wie Timo neben mir raschelte, dann seine Hände an meinem Körper. Verdammt, das kitzelte. Ich biss mir von innen auf meine Lippe, um nicht zu lachen.

»Hallo? Kannst du mich hören?« Jetzt linste ich doch unter den Liedern etwas hervor, um zu sehen, was Timo da tat.

Er hatte sich herumgedreht, schien etwas zu suchen. Dann war er wieder über mir. Der kleine Junge strich mir übers Haar, weiter zu meinem Oberkörper, wo seine Hände auf ihm liegenblieben. Dieses Gefühl war, auch wenn´s ungewohnt sein mochte, irgendwie schön.

»Okay, ich glaub du bist… ähm… ohnmächtig.«, stellte er fest und ich war, auch wenn ich es nicht zugeben wollte, beeindruckt. Er schien sich sehr für dieses Thema zu interessieren. Ein Grund wahrscheinlich, warum er immer wieder darauf behaarte mit mir Arzt oder Krankenhaus spielen zu wollen. Und ich fand es spannend, interessant.

Jetzt hantierte er in diesem kleinen, roten Plastikarztkoffer umher, was ich sehen konnte, als ich zu ihm schielte.

Dann nahm er dieses blau-rot-gelbe Stethoskop in die Hand und blickte zu mir. In seinem Gesicht stand Neugier geschrieben.

Und ich fühle ebenfalls Neugier, gepaart mit ein wenig Angst. Welches Kind mochte es schließlich schon mit dem Stethoskop abgehört zu werden? Gerade beim Kinderarzt hatten meine Eltern mit mir zu kämpfen. Ich mochte dieses kalte Ding nicht auf meinem Körper haben. Auch wenn meine Eltern, oder zumindest mein Vater, viel mit den Mitarbeiten in seiner Klinik zu tun hatte und mich, so wie meinen Bruder von einem befreundeten Kollegen, der selbst Kinderarzt war, untersuchen ließ, so machte ich dort doch jedes Mal ein riesen Theater.

Und so war es bei Timo ebenfalls. Auch wenn es nur aus Plastik war. Ich hasste diese Dinger.

Vorsichtig setzte der kleine Junge sich die Plastikohroliven in die Ohren und nahm dann die gelbe Membran, die ebenfalls aus Plastik war, in die Hand.

Dann zog er mir, da ich nun auf dem Rücken vor ihm lag, den Pullover hoch. Ich kicherte. Das brachte mir einen bösen Blick von Timo ein und sofort verstummte ich.

Innerlich begann ich jedoch zu zittern und ballte meine kleinen Hände neben mir am Körper zu Fäusten.

Und dann berührte mich die Plastikmembran am Bauch. Ich zog diesen erschrocken ein. Timo, der es gemerkt hatte, legte seine warme Hand auf meinen Oberkörper und versuchte mich so zu beruhigen.

»Du musst jetzt tief Luft holen. Dann höre ich dich damit ab.«, wies er mich an und ich nickte, obwohl ich am liebsten aufgesprungen wäre.

Fast etwas zu schnell versetzte er die Membran auf meinem Körper. Innerlich tobte ein Kampf in mir.

Bis ich es nicht mehr aushielt. Ich sprang ruckartig auf und krabbelte nach hinten weg. Timo riss erschrocken die Augen weit auf.

»Hab ich… hab ich was falsch gemacht?«, fragte mein bester Freund mich auch sogleich und nahm das Plastikteil aus den Ohren.

Ich zog mein Oberteil wieder runter. »Das ist total doof. Du hörst doch da eh nichts wirklich.«, meckerte ich los und deutete auf das Teil, das mich so in Schrecken versetzt hatte.

Timo sah mich erst verblüfft an, ehe er die Stirn krauszog. »Stimmt ja gar nicht. Natürlich höre ich da was. Es… rauscht.«

»Nein, tut es nicht.« Jetzt verschränkte ich die Arme vor der Brust und sah meinen besten Freund beleidigt an. Timo blickte mir in die Augen, dann auf das Plastikteil in seiner Hand und begann dann zu grinsen.

»Du hast Angst.«, stellte er ganz nüchtern fest und ich schüttelte heftig den Kopf.

»Gar nicht.«, meinte ich und streckte ihm die Zunge heraus.

»Doch.«

»Nein.«

»Doch.«

Wir sahen uns einen Moment in die Augen. Braun gegen Blau. Wer würde gewinnen?

Minuten verstrichen, ehe ich schluckte und dann weg sah.

Timo triumphierte. »Ha, du hast weggesehen. Also hast du Angst.«

Ich schnaubte. Pah, ich hatte keine Angst. Was dachte der eigentlich von mir?

»Ich hab keine Angst.«, erwiederte ich trotzig und schob die Unterlippe hervor.

»Doch, hast du.«

Jetzt ging er mir damit wirklich auf die Nerven. Ich stöhnte auf. »Das ist so ein doofes Spiel. Ich will das nicht mehr spielen.«

Timo sah mich verletzt an. »Das ist gar kein doofes Spiel. Du hast nur Angst davor.«

Er deutete auf das Plastikstethoskop und ich grummelte.

Wenn er wüsste…

»Okay…«

Ich lächelte, doch zufrieden war ich noch nicht damit. »Was bekomm ich dafür?“

Timo schien zu überlegen. »Hm…«

Ich wartete.

»Mach mal die Augen zu.«

Skeptisch tat ich es. Wieder hörte ich ein Rascheln. Dann ein leises Atmen und schließlich hauchte mir jemand etwas auf die Wange.

Ich musste grinsen.

»Das da bekommst du, meine kleine, süße Zuckerschnute.«

Sofort öffnete ich die Augen und sah in Timos warme, braune. Ich grinste.

»Das war… schön.« Und Timos Augen begannen zu leuchten, während er mich in den Arm nahm.

Comments

Panikgirl89 Vor 8 Jahre  
Jenny94 Vor 8 Jahre