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Aufrufe: 1578 Created: 2014.01.04 Updated: 2014.01.04

Die Penicillinbombe

Die Penicillinbombe

Heutzutage wird man beim Arzt oder im Krankenhaus meist mit Tabletten oder Tropfen behandelt. Früher verwendete man mehr die Spritze, und man war weniger zimperlich, auch was die Intimsphäre der Patienten betrifft.

Folgende Geschichte passierte mir kurz vor Weihnachten 1982, ich habe die Gegenwartsform gewählt und versuche auch, das Ganze lustig rüber zu bringen, auch wenn mir damals nicht ganz so danach war.

Ich wache schweißgebadet auf, es ist stockdunkel um mich herum. Wo bin ich und wieso fühle ich mich so miserabel? Dann fällt es mir wieder ein. Ich bin im Krankenhaus, es ist nach Mitternacht, und meine Freundin hat mich vor ca 2 Stunden hier abgeliefert.

Wir wollten ein gemütliches Wochenende in München verbringen, nachdem ich eine Fortbildungswoche hier absolviert habe. So haben wir uns ein Hotel genommen und sind am Samstag früh aufgebrochen und haben die Stadt unsicher gemacht. Gegen halb sieben abends gingen wir etwas essen. Ich hatte mich den ganzen Tag schon etwas matt gefühlt, und eine Stelle an der linken Schulter hat ständig gejuckt. Im Restaurant wurde das immer schlimmer und ich bekam erste Anzeichen von Schüttelfrost. Also sind wir zurück ins Hotel gefahren, wo ich mich sofort hingelegt habe. Schlafen war aber nicht, der Schüttelfrost wurde immer stärker. Schließlich sagte meine Maus: „Ich glaube, Du hast Fieber. Das gefällt mir gar nicht. Ich fahr Dich ins Krankenhaus“.

Gesagt – getan. Meine Maus war aus München, und so erreichten wir ca 20 Minuten später die Notaufnahme. Dort kümmerte man sich sofort um mich; eine ältere Schwester meinte: „Sie gefallen mir aber gar nicht“ und schob mir auf dem Flur direkt ein Thermometer in den Mund. 40 Grad !!. Hm! Ich erzählte von der juckenden Stelle an der Schulter, und kurze Zeit darauf war ich im Behandlungszimmer, wo ich vom Stationsarzt behandelt wurde. Er verarztete die Schulter, war aber am Ende nicht recht zufrieden. „Das Fieber macht mir Sorgen. Das müssen wir genau beobachten. Sie bleiben erst mal hier, und dann sehen wir weiter. S o wurde ich auf ein leeres Zimmer gebracht, während meine Maus die Formalitäten erledigte und dann zurückfuhr, um noch ein paar Sachen für mich zu holen.

Nun liege ich hier vielleicht eine Stunde später – nur in Unterwäsche, viel besser geht es mir noch nicht, und ich warte, was nun noch so passiert. Hoffentlich ist meine Freundin bald wieder zurück, damit ich wenigstens einen Schlafanzug anziehen kann.

Einige Minuten später höre ich Schritte auf dem Flur, die Tür geht auf, das Licht wird eingeschaltet, und die ganze Notfallbesatzung tritt ins Zimmer: der Arzt, die ältere Schwester, zwei jüngere Schwestern und ein Krankenpfleger. „Nun, geht es Ihnen besser?“ fragt der Arzt, „was macht das Fieber?“ „Etwas besser“. Meine Antwort ist nicht überzeugend, und die ältere Schwester zückt das Fieberthermometer: „Bitte im Po messen“ meint sie. Mist, das vor so viel Zuschauern, denke ich, aber dann drehe ich mich leicht auf die Seite und erledige das unter der Decke, so daß keiner zuviel mitbekommt. „Hm, 40,2 Grad“ verkündet die Schwester nach ca 3 Minuten.

„Dieses Fieber macht mir richtig Sorge,“verkündet der Doc, „da müssen wir was machen, Schwester.“ Die nickt und verläßt mit einer der jüngeren den Raum. Der Arzt erklärt mir noch das mit der Schulter, dort war wohl eine entzündete Zyste. Oha, denke ich mir. Entzündung und Fieber, mir ist schon klar, das schreit förmlich nach Penicillin. Mir wird langsam doch etwas bang, denn das bedeutet eventuell eine Spritze. Ich bin jetzt 22, und die letzte Spritze habe ich mit 16 oder 17 bekommen, eine Grippeimpfung in den Po. Das war nicht wirklich schlimm, aber die Umstände waren jedesmal peinlich, weil meine jüngeren Geschwister immer zuschauen durften. Aber vielleicht gibt es ja heute Pillen, Tabletten, oder eine Injektion intravenös?

Die Tür geht auf, die beiden Schwestern kommen zurück, und die jüngere trägt ein Tablett vor sich her, das sie neben meinem Bett auf dem Tisch abstellt. Pillen? Tabletten? Meine Augen werden ganz groß. Eine längliche dicke Packung, eine mittelgroße Flasche mit einer milchigen Flüssigkeit und diverse kleinere Dinge. Der Doktor reißt die dicke Packung auf und entnimmt ihr eine riesige Plastikspritze, schraubt eine lange Nadel auf, sticht in die Flasche und beginnt die Spritze zu füllen. So läuft das also mit einer Penicillinspritze, fast wäre ich stolz, das mal live sehen zu können. „Das Fieber muss unbedingt runter,“ so der Arzt, „das geht nur mit Penicillin, und zwar viel davon. Deswegen verpasse ich Ihnen jetzt erst mal eine richtige Bombe, und eventuell müssen wir das morgen dann noch mal wiederholen“. Na prima, in den Arm geht das Ding wohl nicht, die ist bestimmt 2cm dick und mindestens 10 cm lang. Die Spritze ist jetzt fertig zusammengebaut, erinnert an ein bedrohliches Geschoß, und der Arzt tauscht die Nadel gegen eine andere aus, die mir noch länger und dicker vorkommt, 5 cm hat sie sicherlich. „So“, meint der Doc bedächtig, „dann machen Sie sich mal frei.“ Will er mir jetzt wirklich vor allen Anwesenden dieses monströse Ding in den Hintern jagen? Er will, ich sehe ihm seine Entschlossenheit an, ich bin auch viel zu kaputt um zu protestieren, also lege ich mich leicht auf die Seite und ziehe meine Unterhose etwas herunter, so bekommen die anderen wenigstens nicht allzuviel zu sehen.

„Nein, so geht das nicht“, meint der Doc, „legen Sie sich mal auf den Bauch und ziehen Sie die Hose ganz herunter. Schließlich muß ich ja vernünftig zielen können.“ „Aber Herr Doktor“, meldet sich die ältere Schwester zu Wort, „Sie dürfen doch dem Patienten keine Angst machen“. Die habe ich allerdings, und ich bin nun völlig wehrlos, liege flach, mein Hintern ist völlig entblößt und allen Blicken ausgesetzt; ich presse mein Gesicht in das Kopfkissen und hoffe, daß es schnell vorübergeht. Da klopft es an die Tür, und ich kann erkennen, daß meine Freundin mit meinen Sachen zurück ist. Sie hält kurz inne, und ich hoffe für einen kurzen Moment, daß wenigstens sie draußen wartet. „Immer herein junge Frau“, dröhnt der Doc. „Der junge Mann hier kann etwas Aufmunterung gebrauchen“. Also gesellt auch sie sich zu den übrigen, die rechts und links um mein Bett herumstehen und einen Logenplatz haben. Auch das noch. „Bitte jetzt desinfizieren“ sagt der Doc zu der jungen Schwester (die mir später erzählt, daß sie in der Ausbildung ist und zum erstenmal assistieren darf). Sie sprüht eine eiskalte Flüssigkeit auf die obere Hälfte meiner rechten Pobacke und verteilt sie mit einem Wattebausch. Es ist, als hätte sie Vereisungsmittel benützt. Ich beiße die Zähne zusammen, der Doc meint „schön locker lassen“, aber erst nach einer endlos erscheinenden Weile spüre ich einen tiefen und auch eiskalten Stich, der immer tiefer geht, es scheint gar nicht aufzuhören. Meine Freundin sagt mir später, daß er die Spritze bis zum Anschlag reingestochen hat, und daß es ihr beim Zuschauen schon wehtat). Es dauert zwei geschätzte Minuten (eine gefühlte Ewigkeit), bis das ganze Zeug drinnen ist und der Doc die Spritze wieder herauszieht. Huch, es ist überstanden, und überraschenderweise hat es auch nicht übermäßig weh getan. Die junge Schwester reibt noch mit dem Wattebausch über die Einstichstelle und klebt dann ein Pflaster darauf. Endlich kann ich meine Hosen wieder hochziehen. Erstmal kann ich gar niemandem in die Augen schauen, aber alle verlassen nun schnell das Zimmer, nur meine Maus bleibt noch ein paar Minuten länger und versucht, mich wieder aufzurichten.

Die Spritze hat übrigens prima gewirkt. Nach einigen Stunden verschwand das Fieber völlig, und am übernächsten Tag wurde ich entlassen. Die Erfahrung mit der Spritze machte ich allerdings nochmals am nächsten Vormittag, diesmal aber nur mit zwei Schwestern und einem Zimmernachbarn als Zeugen. Es war schon viel weniger schlimm.

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AngstPat Vor 10 Jahre  
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Jenny94 Vor 10 Jahre