Hallo zusammen,
ich möchte diesmal von einem Verfahren berichten, das zwar nicht unmittelbar mit Einläufen und Klistieren zu tun hat, bei dem aber weitgehend die gleichen Apparaturen zum Einsatz kamen. Es geht um die „Mastdarmkühlung“ bei hohem Fieber.
In der unmittelbaren Nachkriegszeit und in den 1950er Jahren machten wir als Kinder noch reichlich Bekanntschaft mit den althergebrachten Heilmethoden, was im Nachhinein sich auch dadurch erklären lässt, dass es weit weniger spezielle und wirksame Medikamente gab als heute, die Eltern also im allgemeinen auf „bewährte“ Verfahren zurückgreifen mussten. So erhielten wir Kinder beispielsweise bei jeder Gelegenheit einen kräftigen Einlauf mit Kernseifenwasser, „damit sich im Darm nichts festsetzt!“ Dabei wurde nicht zimperlich vorgegangen. Ich erinnere mich, dass ich schon im Vorschulalter (auch vom Kinderarzt angeordnet )immer 1-Liter-Einläufe bekam, was für ein kleines Kind eine beträchtliche Menge bedeutet, so dass sich mein Bauch gewaltig aufblähte und ich bei dieser quälenden Prozedur sehnsüchtig auf das sirrende Geräusch wartete, das immer zu hören war, wenn der Irrigator leer lief.
Ein anderes Mittel, das bei hohem Fieber eingesetzt wurde, war der „Mastdarmkühler“, wie er im Buch „Die Frau als Hausärztin“ bezeichnet wurde. Das war praktisch ein hohler, langer, metallener Dildo, der in den After eingeführt wurde. Mit einem Zulaufschlauch aus dem hoch hängenden Irrigator verbunden, strömte kaltes Wasser durch den Metallkörper, das durch einen Ablaufschlauch in einen vor dem Bett stehenden Eimer abgeleitet wurde. So konnte die Körpertemperatur gesenkt werden. Dieser Mastdarmkühler hatte einen ziemlichen Durchmesser um eine möglichst große Oberfläche zu erreichen, wodurch das Einführen bei uns Kindern immer Panik bedeutete. Dazu kam noch, dass der gesamte Vorgang so lange dauerte, bis die Körpertemperatur wieder im ungefährlichen Bereich lag, also oftmals mehrere Stunden, wobei der Irrigator immer wieder nachgefüllt und der Ablauf maximal gedrosselt wurde.(Historische Bilder dieses Gerätes und der ganzen Prozedur habe ich in meiner neuesten Galerie zusammengestellt.)
Es war üblich, dass wir Kinder nach einer fiebrigen Erkrankung noch 3 Tage fieberfrei im Bett verbringen mussten, um keinen „Rückfall“ zu erleiden. Wir waren 3 Brüder, im Alter von 5 bis 11 Jahren und wegen der beengten Wohnverhältnisse auch immer gleichzeitig krank und meist auch gleichzeitig rekonvaleszent. Man kann sich denken, dass diese 3 Tage für uns die Hölle waren. Um uns trotz des wieder erwachten Tatendranges und der Gier nach Aktivität im Bett zu halten, wurde uns abwechselnd der Mastdarmkühler verabreicht, mit nicht mehr ganz so kaltem Wasser und dem Hinweis, dass auch das vor einem Rückfall schützen würde. Auf diese Weise wurden wir „ans Bett gefesselt“ und unser Drang auf Ausflüge aus dem Bett gebremst.
Mich würde interessieren, ob jemand von Euch in der Kindheit auch Bekanntschaft mit einem Mastdarmkühler gemacht hat. Wer kann sich erinnern oder hat schon von dieser Maßnahme gehört?