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Der Torhüter und die Ärztin seines Vertrauens

Teil 8

Er

Oh Mann, wie habe ich den Abend zusammen mit Melanie genossen. Zuerst die heitere Runde mit unseren Freunden, aber noch viel mehr unsere anschliessende Zweisamkeit. Es war beeindruckend, wie sie auf mich reagiert hat und sich ganz hat fallen lassen können.

Melanie wollte nicht bei mir übernachten. Das ist schade, wirklich schade, ich hätte es mir echt gewünscht. Wir kennen uns nun schon einige Zeit, und ich fühle mich von Tag zu Tag mehr zu ihr hingezogen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es ihr ebenso geht. Aber sie weigert sich, das sich selbst - und geschweige denn mir - einzugestehen.

Aber meine Sicht wird von Tag zu Tag klarer: Ich liebe diese Frau und mein grösster Wunsch ist es, mir ihr zusammen zu sein. Offiziell. Soll es meine ganze Fangemeinde wissen. Ohne Heimlichtuerei.

Sie

Es ist Sonntagnachmittag, ich schalte den Fernseher an und bin gespannt auf die Sendung “Hinter den Kulissen” mit Janik.

Pünktlich um zwei startet die Sendung. Die Moderatorin stellt Janik vor mit den Worten: “Guten Morgen liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Unser heutiger Gast kommt wieder mal aus der Sportwelt, er ist ein gefragter Interviewpartner, der erfolgreichste Torhüter der Bundesliga und nebenbei einer der begehrtesten Junggesellen Deutschlands. Herzlich willkommen: Janik Winter.”

Janik ist durch und durch Medienprofi, lächelt gewinnend und erwidert: “Guten Tag Frau Stukenbrock und vielen Dank, dass Sie mich heute eingeladen haben.”

Ich betrachte ihn etwas genauer. Er trägt eine elegante dunkle Hose und einen hellbraunen Rollkragenpullover. Für das Fernsehen hat man ihm ein leichtes Make up verpasst, weshalb er - zusammen mit der optimalen Ausleuchtung im Studio - nochmals attraktiver erscheint, als er eh schon ist.

Und ich muss gestehen, ich fühle mich - wie übrigens sicherlich alle anderen Zuschauerinnen auch - gerade sehr zu ihm hingezogen. Allerdings ist es nicht nur sein vorteilhaftes Äusseres, das mir gefällt, es ist seine Person als Ganzes, seine Ausstrahlung und vor allem sein Charakter. Seine Vielseitigkeit fasziniert mich: Normalerweise seriös, verantwortungsbewusst und total selbstbewusst, dann aber auch wieder ganz verspielt und fast kindisch, was ich alles an ihm mag.

Eine Stimme in mir sagt: “Melanie, sei ehrlich zu dir, du würdest ihn gern mehr um dich haben, als das momentan der Fall ist.” Doch ich schüttle diesen Gedanken ab, bin ich doch seit einiger Zeit überzeugte und zufriedene Single-Frau und möchte das auch bleiben. Zudem - Janik flirtet zwar immer wieder mit mir und scheint das auch zu geniessen, aber er hat so eine grosse Auswahl an Verehrerinnen, dass er sich wohl kaum auf eine - noch dazu deutlich ältere - Frau einlassen wird.

Das Interview beginnt, und die Moderatorin fragt Janik nach seiner Kindheit. Er erzählt, dass er glücklich aufgewachsen ist, sein Vater aber beruflich viel abwesend war und er deshalb vor allem zu seiner Mutter eine tiefe Bindung aufgebaut hat. Auch seine Grossmutter hat eine wichtige Rolle in seinem Leben gespielt.

Er habe einen älteren und einen jüngeren Bruder, mit denen er schon von klein auf Fussball gespielt hat.

“Sie haben vor ein paar Jahren mal in einem Interview erzählt, dass Sie Ihre Mutter so oft wie möglich besuchen. Tun Sie das immer noch?”, fragt die Moderatorin. “Ja, das tue ich immer noch, nur dass das “So-oft-wie-möglich” leider in letzter Zeit immer seltener geworden ist”, erzählt Janik. “Ich habe aber fest vor, nach der Saison wieder mal einen längeren Urlaub in meiner ehemaligen Heimat zu verbringen."

“Sie haben ja Ihr Hobby zum Beruf gemacht. Was macht Janik Winter denn, wenn er mal nicht Fussball spielt?” fragt die Moderatorin weiter. Keck antwortet der Gefragte: “Dann bin ich in der Sendung “Hinter den Kulissen.”

Ich muss lächeln ob dieser Antwort und ertappe mich dabei, dass ich mir überlege, wie es denn wäre, wenn Janik seine freie Zeit - oder zumindest einen Teil davon - mit mir verbringen würde. Wie wir miteinander in den Urlaub fahren oder uns bekochen, uns unterhalten und wie wir uns - so wie gestern - körperlich nahe kommen. Mein eines Ich schwelgt in den Erinnerungen an den gestrigen Abend, während das andere Ich schimpft: “Jetzt mach mal halb lang und steigere dich hier nicht in etwas rein. Du warst immer die vernünftige Frau, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Also bleib das gefälligst auch!”

“Nun”, fährt Janik fort, “wir haben ja noch andere Verpflichtungen z.B. dem Club oder den Sponsoren gegenüber, die auch recht zeitintensiv sind.”

“Aber Platz für ein paar Hobbies haben Sie doch hoffentlich auch noch?” will die Moderatorin wissen.

“Während der Saison ist da recht wenig Platz, aber in der Zwischensaison spiele ich sehr gern Gitarre, koche gern oder fahre auch ab und zu Ski”, erwidert Janik.

“Und nun liebe Zuschauer und vor allem Zuschauerinnen”, fährt die Moderatorin fort, “kommen wir zu einem Thema, das viele brennend interessiert, nämlich zu Ihrem Privatleben, Herr Winter: Sind Sie vergeben oder sind Sie noch zu haben?”

Janik räuspert sich und meint dann locker: “Die kurze Antwort ist: Ich bin noch zu haben.” Die Moderatorin nimmt den ihr zugespielten Ball an und fragt: “Und die lange Antwort?” “...ist komplizierter”, lautet Janiks gedehnte Antwort. Die Moderatorin gibt jedoch nicht so schnell auf und verkündet: “Wir haben Zeit und hören Ihnen sehr gern zu, denn jetzt wird es erst richtig spannend.”

Ich merke, wie sich eine leise Enttäuschung in mir anbahnt. Wie konnte ich nur annehmen, dass Janik tatsächlich richtig frei wäre? Bei all seinen Optionen ist das sehr unwahrscheinlich, und ich war drauf und dran, mich in ihn zu verlieben. Meine Vernunftsstimme sagt: “Sei froh, erfährst du gerade noch rechtzeitig, dass er nicht wirklich frei ist, bevor du dich emotional in etwas rein steigerst, das keine Zukunft hat.” Doch meine andere Stimme meint ganz leis: “Sooo schade.”

Janik nimmt sich lange Zeit mit seiner Antwort. Dann holt er tief Luft und beginnt: “Eigentlich bin ich ja überzeugter und zumindest nicht unglücklicher Single…” Er stockt etwas und weiss offenbar nicht so genau, wie er weiterfahren soll. Die Moderatorin wirft ein: “Gern helfe ich Ihnen weiter. Sie wurden kürzlich mit einer attraktiven reifen Frau in einem Restaurant gesehen und sogar fotografiert, wie Sie ziemlich vertraut zusammen gesessen haben. Handelt es sich vielleicht um diese Frau?”

Janik wird etwas verlegen, gibt sich aber nachher einen Ruck und bestätigt: “Ja, genau um diese Frau geht es. Sie ist meine Ärztin und leider ebenso ein glücklicher Single. Trotzdem frage ich mich seit einiger Zeit, warum ich von der wenigen Zeit, die wir zusammen verbracht haben, jede einzelne Minute so genossen und ausgekostet habe. Und wissen Sie was?” fragt er die Moderatorin. “Nein, aber Sie sagen es mir hoffentlich gleich”, antwortet diese.

“Manchmal gibt es die wenigen Augenblicke, in denen man schonungslos offen zu sich selber ist”, fährt Janik fort, “und in so einem Moment habe ich mir kürzlich eingestanden: Janik, du hast dich bis über beide Ohren in diese Frau verliebt.”

Die Moderatorin ist ganz überrascht, und im ersten Moment fehlen ihr die Worte. “Oh”, ist alles, was ihr in den Sinn kommt. Janik sitzt schweigend da und wirkt irgendwie erleichtert.

Ich sitze auch da, nämlich so, als hätte mich der Schlag getroffen. Was hat Janik da in aller Öffentlichkeit gerade erzählt? Ich kann es gar nicht wahr haben und überlege, ob er wohl noch eine andere Ärztin kennt. Das könnte ja sein, immerhin haben sie auch im Betreuungsstab noch Mediziner - oder Medizinerinnen. Ja, so muss es sein.

Die Moderatorin hat ihre Stimme wieder gefunden und fragt: “Weiss sie denn von ihren Gefühlen für sie?” “So direkt habe ich es ihr leider noch nicht gesagt - was ich aber schnellstmöglich nachholen möchte. Wir haben gestern ihren Geburtstag gefeiert, und seit unserem gemeinsamen Abend ist mir klar, dass ich mir wünsche - auch wenn sie ein paar Jahre älter ist als ich - dass sie in Zukunft die Frau an meiner Seite ist. Und sie würde mich zum glücklichsten Torhüter auf der nördlichen Hemisphäre machen, wenn sie mit mir eine Beziehung eingehen würde.”

Ich sitze nur noch ganz versteinert da, und meine Gedanken fahren Achterbahn. Die eine Stimme in mir warnt mich: “Lass dich nicht darauf ein, das ist viel zu riskant”, während die andere gerade einen Freudentanz vollführt.

Die Moderatorin fährt ziemlich unsensibel und direkt fort: “Herr Winter, bitte entschuldigen Sie die Frage, aber kann es sein, dass Sie an einem Ödipuskomplex leiden?” Janik lacht ganz befreit auf und meint: “Keine Ahnung, und wissen Sie was: Wenn es so ist, ist es mir scheissegal! Ich liebe diese Frau wegen ihres Charakters. Ganz egal, ob sie jung, alt, gross, klein, dick, dünn, rot- oder grauhaarig, brünette oder blond ist. Ich liebe sie, weil sie genau so ist, wie sie ist.”

Es ist ganz still, und nach einer längeren Pause meldet sich die Moderatorin mit den Worten:

“Welch wunderschönes Geständnis von Janik Winter, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Mit diesen Worten schliessen wir das heutige “Hinter den Kulissen” mit einem Janik Winter, der uns spannende Einblicke in sein persönliches Leben gewährt und uns zum Schluss mit einem schonungslos ehrlichen Geständnis überrascht hat. Und damit wohl viele Frauen enttäuscht zurücklässt. Aber wir hoffen für ihn, dass er bald von einer ganz bestimmten Frau ins Glück geführt wird.”

Und Janik ergänzt: “Vor allem hoffe ich, dass diese Frau mir erlaubt, sie in eine glückliche Zukunft zu begleiten.”

Wie ferngesteuert stelle ich den Fernseher ab, stelle mich ans Fenster und lasse meinen Blick über die Stadt bis zum Horizont schweifen. Eigentlich müssten sich meine Gedanken überschlagen, aber da ist nichts, kein Wenn und kein Aber, einfach nur Wärme und Geborgenheit in mir. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich so da gestanden bin.

Irgendwann klingelt es an der Tür, und ich tauche wieder aus diesem Zustand auf. Mein Hirn beginnt nur ganz schleppend wieder zu arbeiten. Warum klingelt es an meiner Tür? Wer sucht mich wohl an einem Sonntag auf? Und will ich jetzt überhaupt öffnen? Ganz automatisch tue ich es trotzdem und sehe mich kurz darauf Janik gegenüber, der mit einer einzelnen roten Rose und einem fragenden Blick vor meiner Tür steht. Ich finde keine Worte und schliesse ihn stumm in meine Arme. Er drückt mich an sich, hebt mich auf und dreht sich einmal um die eigene Achse.

Als er mich wieder abgestellt hat, fragt er mit einem bangen Blick: “Heisst das ja?” Ich frage ihn: “Bist du dir da wirklich sicher? Ich meine, hast du dir das gut überlegt?” “Ich war noch nie überzeugter von irgendwas”, antwortet er mit dem Brustton der Überzeugung.

Ich nicke langsam. Seine Augen beginnen zu strahlen, er beugt seinen Kopf zu mir und küsst mich zuerst ganz zärtlich, dann immer fordernder.

Mein Telefon klingelt, sein Handy meldet sich und draussen pocht jemand laut an die Tür.

All das ignorieren wir, löschen das Licht, zünden im Cheminée ein Feuer an, setzen uns auf das Sofa und lassen das Knistern, den rauchigen Duft und die Wärme auf uns wirken.

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Du hast die Geschichte zu Ende gelesen. Ich hoffe, dass sie dich etwas unterhalten und dir ein paar vergnügliche Momente schenken konnte.