11 members like this


Aufrufe: 194 Created: Vor 1 Woche Updated: Vor 1 Woche

Lisa will die Pille

3 Monate später

Die letzten Tage mit Tom hatten sich angefühlt wie Sonnenschein nach langem Regen. Warm, leicht, voller Lachen und dem beruhigenden Gedanken: Ich bin okay. Wir sind okay. Doch wie ein schwarzer Strich am Horizont tauchte die leere Pillenpackung auf ihrem Nachttisch auf. Das Rezept war verbraucht, und die Realität schlug kalt zu. Der Frauenarzt. Wieder der Frauenarzt.

Ein kalter Schauer lief Lisa den Rücken hinunter. Dr. Müllers Praxis, dieses kühle, sterile Wartezimmer mit ihren abwertenden Blicken und vor allem... diese schmerzhafte, barsche Untersuchung beim letzten Mal. Sie telefoniert sich durch die Liste, erkundigt sich bei Freundinnen, sucht online – nichts. Wochenlange Wartezeiten überall. Eine einzige schnelle Option: Dr. Müller. Morgen. 9:00 Uhr. Die Wahl zwischen Pest und Cholera. Sie wählt Pest, mit zusammengebissenen Zähnen und einem instinktiven Hilferuf: "Tom, kommst du bitte mit?"

Am nächsten Morgen vor der Praxis überlegt sie es sich tausendmal. Tom sieht ihre Unsicherheit. "Bestimmt?", fragt er sanft. "Ja", flüstert sie. "Aber ich will nicht, dass du draußen wartest. Ich will, dass du... dabei bist." Ein kleiner Funke Widerstand glimmt in ihr auf gegen die Erinnerung an ihre Ohnmacht.

Die Sprechstundenhilfe am Empfang runzelt die Stirn, als Lisa ankündigt, dass ihr Freund mit ins Sprechzimmer kommt. "Das ist hier nicht üblich", sagt sie knapp. "Frau Doktor wird das nicht mögen." Es war genau dieser Ton, dieses implizite "Wir wissen hier, was für Sie gut ist", das Lisas Entschluss verhärtete. "Dann mag sie es nicht", sagte Lisa mit einer Stimme, die fester klang, als sie es wollte. "Er kommt mit."

Dr. Müller betritt das Zimmer wie ein Gewitter. Ihr Blick fällt sofort auf Tom, der neben Lisas Stuhl steht. Ihre Augen verengen sich. "Herr...?" "Tom. Mein Freund", stellt Lisa klar. "Das Sprechzimmer ist kein Wartezimmer für Begleitung. Bitte warten Sie draußen." Die Anweisung ist messerscharf, ein Befehl. Tom rührt sich nicht. Nicht aggressiv, sondern einfach präsent. Eine Wand aus ruhiger Entschlossenheit. "Ich bleibe, wenn Lisa das möchte." Seine Stimme ist ruhig, aber unnachgiebig. Ein schnaubendes Geräusch entfährt Dr. Müller. Ihre Miene versteinert. Sie ignoriert Tom fortan wie ein unliebsames Möbelstück und wendet sich Lisa zu. Abrechnen. Datenabfrage. Zyklus. Sexualverhalten. Staccato-Fragen, knappe Antworten. Lisas Herz hämmert gegen ihre Rippen. Die Luft ist dick vor gegenseitiger Feindseligkeit.

"Gehen Sie bitte ins Untersuchungszimmer," faucht Dr. Müller schließlich, während sie aufsteht und zur Tür deutet. "Allein." Ihr Blick bohrt sich in Tom. Ein letzter, deutlicher Hinweis. Widerwillig erhebt sich Lisa. Ein flüchtiger Blick, ein beinahe unsichtbares Kopfnicken zu Tom: Alles okay. Warte hier.

Das Untersuchungszimmer ist kalt. Und dieses Mal: "Bitte komplett ausziehen. Unterwäsche auch." Lisas Hand zögert beim Öffnen ihres Blusenknopfes. "Warum... das war beim letzten Mal nicht nötig?" "Ermöglicht eine gründlichere Untersuchung," kommt es knapp von Dr. Müller zurück, während sie bereits sterile Handschuhe überzieht. Ihr Ton lässt keinen Raum für Diskussion, nur für Gehorsam. Lisas Finger zittern leicht, als sie sich entkleidet. Das kühle Leder des Stuhls brennt fast auf ihrer Haut. Das Gefühl von Ausgeliefertsein kehrt zurück, hundertfach verstärkt durch die offene Feindseligkeit der Ärztin.

Was folgt, ist kein medizinischer Routinecheck, sondern eine Abfolge kalter Prozeduren. Metall klirrt. Die Ärztin arbeitete schnell. Zuerst das erste Spekulum – metallisch, kalt, schmerzhaft. Lisa atmete tief, aber die Reaktion kam dennoch: ein scharfer Stich, als das Gerät sich öffnete. Sie stöhnte leise auf.

„Nicht einatmen, sondern ausatmen“, herrschte die Ärztin sie an.

Dann wechselte sie das Spekulum – ein anderes, schmaleres. „Zervixabstrich. Muss genau sein.“ Lisa spürte, wie etwas tief in ihr kratzte. Tränen traten ihr in die Augen. Sie biss sich auf die Unterlippe. Kein Laut.

Dann die bimanuelle Untersuchung – schnelle, ruppige Bewegungen tief im Becken, die eine scharfe Spannung hinter der Schambeinfuge auslösen. "Entspannen Sie sich!" Der Befehl ist ein Hohn. Dann das, was Lisa besonders fürchtet: Der kühlgelierte Finger dringt rektal ein, während gleichzeitig intravaginal gedrückt wird. Ein invasiver, demütigender Schmerz, der sie den Atem anhalten lässt. Sie beißt auf ihre Unterlippe, schweigt. Tränen der Wut und Erniedrigung stechen in ihre Augen.

Dr. Müller sagt kein Wort der Erklärung, kein Wort der Beruhigung. Nur knappe Anweisungen. Der kalte Schallkopf des Ultraschalls folgt, wird ohne Vorwarnung oder sanfte Führung tief in die Vagina eingeführt. Ein Stoß. Lisa möchte schreien: Was sehen Sie? Was suchen Sie? Ist alles in Ordnung? Doch sie bringt nur ein leises "Was...?" zustande. "Uterusdarstellung. Unauffällig," knurrt Dr. Müller, zieht den Schallkopf abrupt heraus, wischt ihn ab. Als ob das alles erklärte. Dann greift sie ohne Vorankündigung Lisas Brust. Kein "Entschuldigen Sie", kein "Ich untersuche jetzt Ihre Brüste". Nur kalte Hände, die das Gewebe abtasten, kneifen, schieben. Zu nahe, zu rabiat. Lisa fühlt sich wie ein Stück Fleisch auf dem Schlachthof. "Sie müssen verstehen", sagt Dr. Müller während sie gräbt, und ihre Stimme trägt eine neue, schneidende Schärfe, "dass eine gynäkologische Praxis kein Ort für romantische Zweisamkeit oder Paartherapie ist." Sie wiederholt es ein zweites Mal, hämmert es quasi während der schmerzhaften Untersuchung ein: "Hier geht es um medizinische Angelegenheiten. Nicht um Gefühlsduseleien." Jedes Wort ist ein Dolchstoß, eine gezielte Demütigung für Lisas Versuch, sich durch Toms Anwesenheit zu schützen.

Es endet so abrupt, wie es begann. "Anziehen." Lisa kriecht vom Stuhl, ihre Muskeln zittern, die Intimität schmerzt dumpf. Sie kämpft sich in ihre Kleidung, während die Ärztin bereits am Computer tippt. Kein Blickkontakt. Kein "Alles in Ordnung". Nur das surrende Geräusch des Druckers.

Dr. Müller reicht ihr das Rezept – sechs Monate Pille. Kein Gespräch. Kein Hinweis auf mögliche Alternativen. Keine Empfehlung. Nur ein kurzes: „Nächste Kontrolle in sechs Monaten. Termine über die Sprechstundenhilfe.“ Nächstes Mal denken Sie daran: Allein. Verabschieden Sie Ihren Freund vor der Praxis und deutet mit einer Kopfbewegung zur Tür. Abfertigung. Abgeschlossen.

Lisa stolpert ins Sprechzimmer zurück, das Rezept in der zitternden Hand zerknüllt. Toms Blick springt sofort zu ihr, voller besorgter Fragen. Aber er sagt nichts. Er sieht es. Er sieht das Zittern, die geröteten Augen, diese Mischung aus Schmerz, Scham und kalter Wut, die sie umgibt wie ein Schild. Er steht auf und legt vorsichtig einen Arm um sie. Ein stiller Anker.

Draußen auf dem Gehweg, das Gebäude mit der Tür zu Dr. Müller im Rücken, bleibt Lisa stehen. Der Frühling ist mild, aber sie fröstelt. Ihr Blick fällt auf das 6-Monats-Rezepts. Es ist kein Freibrief, keine Erleichterung. Es ist ein Dokument ihrer Ohnmacht. Ein Beweis, dass sie sich für ein halbes Jahr von dieser Behandlung freigekauft hat. Doch der Preis, den sie bezahlt hat – körperlich wie seelisch – klebt ihr noch auf der Haut, kalt und abweisend wie die Berührung in jenem Raum. Sie atmet tief, die Tränen kämpfen sich endlich einen Weg nach oben. Sie hatte Tom zum Schutz mitgebracht. Und doch fühlte sie sich nackter und verletzter als je zuvor.

Das nächste Mal würde sie nicht zu Dr. Müller gehen.

Und das nächste Mal würde Tom nicht nur bis zur Tür warten.

Er würde durch die letzte Tür gehen – mit ihr.