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Lisa will die Pille

Lisa, Tom und Frau Dr Müller

Lisa war ein Meer aus flatternden Schmetterlingen, die sich in ihrem Magen verdichteten. Mit einundzwanzig Jahren hatte sie kürzlich ihren ersten Freund gefunden, Tom, und mit ihm eine Welt entdeckt, die sie bisher nur aus Romanen kannte. Die Zärtlichkeit, die Nähe, das Versprechen von etwas Neuem – all das hatte sie dazu bewogen, einen entscheidenden Schritt zu wagen. Sie wollte die Pille nehmen. Nicht nur, weil sie Tom vertraute, sondern weil sie dieses erste Mal, das noch vor ihnen lag, ohne die Barriere eines Kondoms erleben wollte, pur und ungehemmt. Es war eine Bauchentscheidung, ein kleiner Akt der Rebellion gegen ihre eigene Ängstlichkeit.

Der Termin bei Dr. Müller war jedoch alles andere als eine Befreiung. Schon der Name der Ärztin, Dr. Müller, klang alt und staubig. Ihre Reputation eilte ihr voraus: sechsundsechzig Jahre alt, mürrisch, wortkarg, eine Frauenärztin, die ihren Job noch nach den „alten Sitten“ verrichtete und sich durch unzählige Patientinnen in den Jahren nicht im Geringsten erweichen ließ. Lisa hatte einen Kloß im Hals, als sie Tom davon erzählte. Tom, immer bemüht, sie zu unterstützen, hatte sofort angeboten, mitzukommen. Ein kleiner Anker in der aufgewühlten See ihrer Nervosität.

Die Praxis roch nach Desinfektionsmittel und abgestandenem Parfüm, ein Geruch, der sofort eine beklemmende Atmosphäre schuf. Das Wartezimmer war ein Relikt aus einer vergangenen Epoche: dunkelbraune Möbel, vergilbte Tapeten mit einem Blumenmuster, das seine besten Tage hinter sich hatte, und Zeitschriften, die mindestens ein Jahrzehnt alt waren. Es war still, bis auf das leise Rascheln der Seiten von einer der beiden anderen wartenden Frauen. Eine davon, mit einem kugelrunden Bauch, streichelte nachdenklich ihren Schoß. Die andere, eine ältere Dame mit streng hochgesteckten Haaren, musterte Lisa und Tom mit einem Blick, der so kritisch war, dass Lisa sich am liebsten in Luft aufgelöst hätte. Tom, der neben ihr saß und versuchte, ihre Hand zu beruhigen, wurde von beiden Frauen seltsam beäugt. Es war, als wäre seine Anwesenheit hier, in diesem Heiligtum der weiblichen Leiden, eine Anmaßung. Lisa spürte die Hitze in ihren Wangen und wünschte sich, sie wären unsichtbar.

„Lisa Schmidt?“, krächzte die Sprechstundenhilfe, eine Frau mittleren Alters mit einem strengen Dutt und einer noch strengeren Miene, die den Eindruck erweckte, ihr würde jeder einzelne Tag gegen den Strich gehen. Sie sah Lisa an, dann Tom. „Der Herr bleibt hier im Wartezimmer. Wir haben hier unsere Regeln.“

Lisas Herz sank in ihre Schuhsohlen. Sie war allein. Die Tür schloss sich hinter ihr, und sie war gefangen in einem schmalen Flur, der zu einem weiteren Raum führte. Die Sprechstundenhilfe zeigte auf eine weitere Tür. „Hier rein. Dr. Müller wartet.“

Der Behandlungsraum war nicht weniger kalt als das Wartezimmer. Ein gynäkologischer Stuhl aus Metall thronte in der Mitte, seine ledernen Beinstützen sahen aus wie Folterinstrumente. Neben dem Stuhl stand ein kleiner Tisch mit Instrumenten, die im grellen Licht steril glänzten. Dr. Müller saß hinter einem schweren Holzschreibtisch, ihre Brille rutschte ihr leicht auf der Nase. Ihre Gesichtszüge waren verhärtet, Fältchen gruben sich tief um ihre Augen und den Mund. Sie sah nicht auf, als Lisa eintrat, sondern kritzelte etwas in einer Akte.

„Setzen Sie sich“, sagte sie schließlich, ohne aufzusehen, ihre Stimme rau wie Reibeisen.

Lisa setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber, die Hände fest ineinander verschränkt. Sie spürte, wie ihr Atem flach wurde.

„Also, Frau Schmidt. Warum sind Sie hier?“, fragte Dr. Müller, nun den Blick auf Lisa gerichtet. Ihre Augen waren scharf, aber leer, ohne jede Spur von Neugier oder Empathie.

„Ich… ich möchte gerne die Pille nehmen“, stammelte Lisa, ihre Stimme klang dünn und fremd.

„Die Pille. Aha.“ Dr. Müller nickte langsam, als hätte sie diese Antwort schon tausendmal gehört. „Haben Sie einen festen Freund? Sind Sie sexuell aktiv? Welche Verhütung haben Sie bisher benutzt?“

Die Fragen kamen schnell, wie Maschinengewehrsalven, ohne Pause, ohne Erklärungen, ohne die Möglichkeit für Lisa, Luft zu holen. Lisa beantwortete sie so gut sie konnte, ihre Wangen glühten bei jeder Nennung von Intimität. „Ja, ich habe einen Freund. Wir… wir sind noch nicht sexuell aktiv, aber wir möchten es bald sein. Ich habe bisher keine Verhütung benutzt.“

Dr. Müller legte den Stift beiseite. „Gut. Dann müssen wir Sie untersuchen. Ziehen Sie sich bitte untenrum aus und setzen Sie sich auf den Stuhl.“ Sie zeigte mit einer knochigen Hand auf den gynäkologischen Stuhl, ohne weitere Erklärungen, ohne ein einziges ermutigendes Wort.

Lisa stand auf, ihre Beine zitterten. Sie ging hinter einen Vorhang, der nur einen scheinbaren Schutz bot. Ihre Hände waren taub, als sie ihre Jeans und ihren Slip herunterzog. Die Kälte des Raumes kroch an ihren Oberschenkeln hoch. Als sie sich auf den Stuhl setzte, die Beine in die metallenen Bügel legte, spürte sie sich so entblößt und hilflos wie nie zuvor. Ihre Knie zitterten, und sie starrte an die Decke, wo ein alter Fleck die Form eines verzerrten Gesichts angenommen hatte.

Dr. Müller stellte sich zwischen ihre gespreizten Beine. Ein leichter Schauer durchfuhr Lisa. Die Ärztin griff zu einem Spekulum, einem kalten, metallischen Instrument. „Entspannen Sie sich“, sagte sie, aber ihre Stimme war befehlend, nicht beruhigend.

Der erste Versuch, das Spekulum einzuführen, tat weh. Ein stechender, eisiger Schmerz, der Lisa aufschreien ließ, aber der Schrei blieb in ihrer Kehle stecken. Sie spürte, wie sie sich unwillkürlich verkrampfte. Dr. Müller murmelte etwas Unverständliches, zog das Instrument wieder heraus. Ein zweiter Versuch. Wieder dieser scharfe Schmerz, ein Gefühl des Eindringens, das unerträglich war. Lisa drückte die Lippen aufeinander, Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie schämte sich für die Schmerzen, für ihre Unfähigkeit, sich zu entspannen.

„Verkrampfen Sie nicht so“, sagte Dr. Müller, ihre Stimme leicht genervt. „Ich kann den Muttermund so nicht sehen.“

Es brauchte mehrere Anläufe, mehrere Momente des stechenden Schmerzes und der tiefen Demütigung, bis Dr. Müller endlich sah, was sie sehen wollte. Die Kälte des Metalls füllte Lisa aus, ein Gefühl der Leere und gleichzeitig der Überfüllung. Dann spürte sie einen weiteren, tieferen Schmerz, als die Ärztin einen Abstrich machte. Es war kurz, aber intensiv, ein Gefühl als würde sie wie ein Hähnchen auf den Spiess gesteck , das Lisa nach Luft schnappen ließ.

„So“, sagte Dr. Müller, als hätte das alles nichts Besonderes. „Jetzt die Tastuntersuchung.“

Sie zog sich die Handschuhe an und führte zwei Finger in Lisa ein. Wieder dieser unangenehme Druck, der Schmerz, das Gefühl des Eindringens. Dr. Müller drückte mit der anderen Hand auf Lisas Bauch. Lisa kniff die Augen zusammen, versuchte, sich wegzuwünschen. Doch die Ärztin schien unzufrieden. Ihr Blick verhärtete sich.

„Ich kann die Gebärmutter nicht richtig tasten“, murmelte Dr. Müller zu sich selbst.

Lisas Herz pochte wild. Was bedeutete das? Sie traute sich nicht zu fragen.

„Wir müssen eine rektovaginale Untersuchung machen“, sagte Dr. Müller dann, ihr Ton ließ keinen Widerspruch zu.

Lisa erstarrte. Eine rektovaginale Untersuchung? Das hatte sie noch nie gehört. Ihre Gedanken rasten. Ihr Körper spannte sich an, ein instinktiver Schutzmechanismus. Das konnte sie nicht wollen, das konnte sie nicht ertragen. Doch die Ärztin hatte bereits begonnen. Ein weiterer Finger drang in sie ein, diesmal an einer anderen, noch intimeren Stelle. Der Gefühl war unbeschreiblich, ein Gefühl der absoluten Verletzung und Demütigung, das sich durch ihren ganzen Körper zog. Lisa wollte schreien, protestieren, flehen, dass es aufhören möge. Aber kein Ton kam über ihre Lippen. Sie war stumm, gelähmt von Schock und Scham. Sie fühlte sich wie ein Stück Fleisch auf dem Präsentierteller, das ohne Rücksicht auf seine Gefühle untersucht wurde.

Die Untersuchung schien eine Ewigkeit zu dauern. Jeder einzelne Moment war eine Tortur. Lisa spürte die Kälte der Hände, den Druck, den Schmerz, die tiefe Scham, so ganz alleine zu sein, so ausgeliefert, so entblößt in diesem kalten Raum. Ihre Tränen liefen wortlos die Schläfen hinunter, verschwanden in ihren Haaren. Sie spürte sich gebrochen, wie eine zerbrechliche Puppe, die brutal auseinandergenommen wurde. Niemand war da, um ihre Hand zu halten, um ihr gut zuzureden, um ihr zu sagen, dass dies normal sei oder dass es bald vorbei wäre. Einfach nur dieser Schmerz und die wortkarge Ärztin.

Endlich, endlich war es vorbei. Dr. Müller zog ihre Hände zurück, warf die Handschuhe in den Mülleimer. Ein Geräusch, das in Lisas Ohren wie ein Kanonenschuss klang.

„Sie können sich wieder anziehen“, sagte Dr. Müller, als hätte sie gerade nur einen Routinecheck durchgeführt.

Lisa schwankte, als sie vom Stuhl stieg. Ihre Beine waren wackelig, ihr Unterleib schmerzte höllisch. Sie zog sich mechanisch an, ihre Bewegungen waren langsam und ungelenk. Als sie wieder vor dem Schreibtisch saß, schrieb Dr. Müller ein Rezept aus, ohne Lisa anzusehen.

„Hier ist das Rezept für die Pille. Sie nehmen sie ab dem ersten Tag Ihrer nächsten Periode. Und Sie müssen in drei Monaten zur Kontrolle wiederkommen.“

Das waren alle Anweisungen. Kein Wort der Beruhigung, keine Erklärung zu den Schmerzen, keine Frage nach ihrem Befinden. Nur ein kaltes, distanziertes Schlusswort. Lisa nahm das Rezept entgegen, ihre Hände zitterten immer noch leicht. Sie nickte stumm, unfähig, etwas zu sagen.

Der Gang aus der Praxis war ein Schleier. Sie sah die Welt nur noch durch einen Nebel aus Schmerz und Demütigung. Die Sprechstundenhilfe winkte sie durch, ohne einen Blick. Als sie ins Wartezimmer kam, war Tom sofort zur Stelle. Er sprang auf, seine Augen voller Sorge.

„Lisa? Wie war es? Bist du okay?“ Er legte einen Arm um sie.

Lisas Blick war leer. Sie schüttelte langsam den Kopf. Sie wollte weg von hier, weg von den Blicken der anderen Frauen, weg von diesem Geruch. Sie zog Tom mit sich, stolperte fast aus der Tür.

Draußen, auf dem Bürgersteig, holte sie tief Luft, doch die Luft schien giftig zu sein. Tom führte sie zu einer Parkbank unter einem alten Baum, dessen Blätter im Wind rauschten.

„Lisa, was ist los? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“ Tom kniete vor ihr, seine Augen suchten ihre.

Und dann, in diesem Moment, wo die Sonne durch die Blätter tanzte und die Welt draußen ihren gewohnten Gang ging, löste sich der Knoten in Lisas Brust. Die Tränen schossen ihr aus den Augen, heiß und unaufhaltsam. Und mit den Tränen kam die Geschichte.

„Es… es war furchtbar, Tom“, schluchzte sie. „Ich war ganz allein. Und sie… sie war so rau. Sie hat mir wehgetan. So wehgetan.“

Tom hörte zu, wie Lisa jedes einzelne Detail erzählte. Von der Kälte des Spekulums, den vielen Versuchen, dem stechenden Schmerz, dem Abstrich, der so wehtat. Und dann, mit stockender Stimme, erzählte sie von der rektovaginalen Untersuchung, von der sie nicht wusste, dass es sie gab, und die sie nicht ablehnen durfte. Sie beschrieb die Scham, die Verletzung, das Gefühl, ewig dort gelegen zu haben, gedemütigt und ausgeliefert. Sie spürte, wie die Worte aus ihr herausströmten, wie sie sich von der erdrückenden Last befreiten, die sie in sich getragen hatte.

Tom hielt sie fest, sein Gesicht war bleich. Er sagte nichts, nur sein fester Griff sprach Bände. Er hatte sie noch nie so zerbrechlich erlebt, so tief verletzt. Der Schmerz in ihren Augen war real, die Demütigung spürbar.

Lisa spürte die Leere in sich, eine Leere, die nicht nur körperlich war. Das, was sie sich von diesem Schritt in die Erwachsenenwelt, in ihre Sexualität erhofft hatte, war mit Füßen getreten worden. Statt stärkend und aufklärend war ihr Arztbesuch eine traumatische Erfahrung gewesen, die ein tiefes Misstrauen und eine Wunde hinterließ. Das erste Mal, das sie sich ohne Kondom erträumt hatte, war nun mit einem Schatten belegt. Dieses Gefühl der Verletzung und Demütigung würde sie noch lange begleiten. Sie war zur Ärztin gegangen, um eine neue Freiheit zu finden, und hatte stattdessen einen Teil ihrer Unversehrtheit verloren. Die Pille hielt sie fest in der Hand, ein kleines, weißes Versprechen, das sich nun bitter und hohl anfühlte.

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Fahrenheit Vor 1 Woche