Zwischen Herzschlag und Atemzug
Zwischen Herzschlag und Atemzug
Es war Dienstagmorgen gegen 9:30 als ich die Treppen des Gebäudes G12 der Uniklinik nach oben lief. Ich hatte im vergangenen Sommer meinen Master in Biomedizin erfolgreich abgeschlossen und würde in 2 Wochen eine Laborstelle in der Abteilung für Humangenetik antreten. Genau dieses Fachgebiet war es, was ich während meines Studiums angestrebt habe. Umso glücklicher war ich, als ich die Zusage für die Stelle erhalten habe. Dass für diese Stelle eine Eignungsuntersuchung beim Betriebsarzt des Uniklinikums nötig war, hat mir natürlich im Laufe des Bewerbungsgespräches niemand erzählt und bis vor einer Woche, als der Anruf der Personalchefin kam, wusste ich von meinem Glück auch noch nichts. Da ich den Vertrag allerdings schon unterschrieben hatte und diese Untersuchung für die Arbeit im Labor zwingend notwendig war, blieb mir nichts anderes übrig als den Termin heute wahrzunehmen.
Es ist nicht so, dass ich vor dem Arztbesuch Angst hätte, auch wenn ich zugeben muss, dass ich heute Morgen ein wenig nervös aufgewacht bin. Bisher hatte ich es erfolgreich vermieden mehr als zu nötiger Vorsorge zum Arzt zu gehen und war auch zum Glück selten krank gewesen in den letzten Jahren meines Studiums. Ich empfinde Arzt-Termine eher als eine unangenehme Sache, die man hinter sich bringen muss. Noch dazu kommt heute, dass ich nicht genau weiß was bei der Untersuchung alles gemacht wird. Aber es hilft ja alles nichts, drum herum kommen werde ich sowieso nicht.
Ich lief weiter die Treppen nach oben bis ich im 3. Stock ankam und die Tür zur Praxis öffnete. Der Raum, den ich betrat war relativ klein und mir gegenüber saß eine junge Frau am Empfangstresen. Ich sagte „Hallo ich habe einen Termin um 9:45 Uhr zur betriebsärztlichen Untersuchung.“ Ich reichte ihr meine Karte und die Unterlagen, die ich von der Personalchefin bekommen hatte. Sie tippte einige Sachen im Computer ein und sagte mir ich solle noch kurz im Wartezimmer Platz nehmen, der Arzt würde mich dann aufrufen. Ich stockte kurz, doch setzte mich dann in Bewegung Richtung Wartebereich. Hatte sie gesagt, der Arzt? Soweit ich nachgelesen hatte wurde die Praxis von einer Betriebsärztin geleitet. Ich setzte mich auf einen Stuhl im nahezu leeren Zimmer schlug meine Beine übereinander und versuchte meine Anspannung ein wenig zu unterdrücken. Ich hatte mich darauf eingestellt von einer Frau untersucht zu werden. Die Vorstellung, dass dies nun doch ein Arzt sein würde, lies meine Nervosität und Anspannung in wenigen Sekunden auf das Doppelte ansteigen. Ich war seit Jahren bei einer Hausärztin gewesen, da mich der Gedanke von einem Mann untersucht zu werden schon immer und auch jetzt gerade verdammt nervös fühlen ließ.
Ich versuchte die Wartezeit damit zu überbrücken, mir die abstrakten Bilder an den Wänden anzusehen. Ich weiß nicht genau wie viel Zeit verging, bis ich aus meiner Trance gerissen wurde, als mein Name aufgerufen wurde. Die junge Frau von der Anmeldung bedeutete mir ins Sprechzimmer gegenüber des Wartebereiches zu gehen. Ich schnappte mir meine Tasche, atmete einmal tief durch und ging rüber in das Arztzimmer. Als ich das Zimmer betrat, saß ein doch eher junger Mann in Arztkittel am Schreibtisch hinter dem Computer. Ich schloss die Tür hinter mir und ging auf den Schreibtisch zu. In diesem Moment sah der Arzt zu mir auf und sagte: „Hallo, du bist hier für eine betriebsärztliche Untersuchung, richtig? Setz dich gern.“ Er sah mich an und deutete auf den Stuhl sich gegenüber. Er wirkte freundlich und aufmerksam, nicht so distanziert wie einige andere Mediziner, die ich bisher erlebt habe. Ich weiß nicht ganz was ich erwartet habe, vielleicht einen alt eingesessenen Arzt, dem man seine Jahre im Beruf ansah, ein strenger und griesgrämiger Mann, aber sicher nicht den Arzt, der mir gerade gegenübersaß. Ich versuchte mich zu fassen und antwortete: „Ja ich bin hier für die Eignungsuntersuchung für die Arbeit.“ während ich mich auf den Stuhl setzte. „Nicht dass du dich wunderst, die Ärztin, die sonst in dieser Praxis tätig ist, ist gerade leider für eine längere Zeit krank, ich bin deshalb vorrübergehend hier und führe die anstehenden betriebsärztlichen Untersuchungen durch.“ Er muss meinem Blick angesehen haben, dass ich etwas anderes erwartet habe. Ich nickte nur und brachte nicht mehr als ein „Okay“ hervor.
Seine Ausstrahlung war professionell doch gelassen. Je mehr ich ihn ansah, desto mehr musste ich mir eingestehen, dass ich ihn sogar ziemlich attraktiv fand, und ich bin mir nicht sicher ob das in diesem Moment gerade etwas Gutes oder Schlechtes ist. Nachdem er noch einen kurzen Blick in meine Unterlagengeworfen hatte, sagte er: „In deinen Unterlagen steht, du brauchst eine Eignungsbestätigung für die Laborarbeit, das wird daher heute einmal ein gründlicher Checkup. Wir machen gleich erstmal eine Anamnese, ich werde dich dann untersuchen und wir nehmen auch eine kleine Blutprobe, in Ordnung?“ Ich nickte, doch spürte direkt die Unruhe und Nervosität in mir hochkriechen. Mein Blick viel auf meine Hände, die ich verkrampft in meinem Schoß abgelegt hatte. `Gründlicher Checkup`, das würde nicht in 5 Minuten durch sein, dachte ich. Ich versuchte mich zusammenzureißen und schaute auf. Mein Blick traf auf seinen und verharrte für den Bruchteil einer Sekunde, bevor er wieder auf seine Unterlagen schaute.
„Wie geht es dir denn im Allgemeinen? Hast du irgendwelche Erkrankungen oder akute Beschwerden?“ Sein Blick richtete sich wieder auf mich. „Nein eigentlich gar nicht, ich fühle mich gut soweit, vielleicht nur ein bisschen gestresst.“ Das Ende meiner Antwort klang mehr als einer Frage, als einer Aussage, doch er schien es einfach so hinzunehmen. „Okay, das ist schonmal gut, wie sieht es aus mit Bewegung und körperlicher Aktivität?“ „Hmm also ich versuche 2–3-mal die Woche Sport zu machen, Schwimmen, Kraftsport oder Yoga.“ Das Anamnesegespräch brachte mich ein wenig zum Entspannen. „Okay wie sieht es aus mit Allergien aus, chronische Krankheiten in der Familie und nimmst du irgendwelche Medikamente?“ fragte er weiter und machte sich dabei Notizen. „Nein eigentlich gar nix… ich nehme nur Eisen-Tabletten wegen einem Eisenmangel.“ „Gut, die Eisenwerte können wir bei dem Blutbild auch einmal mit überprüfen, dann wäre nur eine letzte Sache, hast du deinen Impfausweis dabei?“ Sein Blick ruhte wieder auf mir. Ich musste mir leicht auf die Lippe beißen und schüttelte den Kopf. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Mir war aber sehr wohl bewusst, dass ich das ein wenig vernachlässigt habe. Während dem Schreiben meiner Masterarbeit hatte ich keine Zeit mich um Vorsorge und Auffrischungen zu kümmern und wenn ich ehrlich bin, war ich auch kein großer Fan von Impfungen. „Okay, für heute ist das nicht so schlimm, aber den müsstest du diese Woche irgendwann noch nachreichen, wir müssen schauen, ob da alle Auffrischungen aktuell sind.“ Ich nickte mit einem knappen „Okay, bringe ich noch vorbei.“ In Gedanken war ich mir fast sicher, dass er irgendwas finden würde, was aufgefrischt werden müsste und da freute ich mich so gar nicht drauf.
Der Arzt legte seine Notizen beiseite und lächelte mich an. „Dann darfst du gerne einmal mit rüber zur Liege kommen“ Er stand auf und zeigte auf die Liege auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Ich tat es ihm gleich legte meine Tasche und Jacke auf dem Stuhl ab und lief rüber zur Liege. Ich setzte mich und blickte auf zu dem Arzt. Er desinfizierte gerade seine Hände und hatte nun sein Stethoskop um den Hals hängen. „Ich würde erstmal gerne deinen Blutdruck messen, würdest du dafür einmal die Bluse ausziehen?“ Ich hatte ein Top angezogen und eine leichte Bluse übergezogen ohne sie zuzuknöpfen, daher dauerte es auch keine 3 Sekunden diese auszuziehen. Ich legte meine Bluse beiseite und merkte direkt, wie kühl es in dem Zimmer doch war. Mich überlief eine leichte Gänsehaut. Ob diese den Temperaturen oder meiner Nervosität zuzuschreiben waren, wusste ich selbst nicht so genau, doch bevor ich mir weiter darüber Gedanken machen konnte hatte er bereits die Blutdruckmanschette in der Hand und bat mich ihm einen Arm auszustrecken. Das tat ich und er wickelte die Manschette um meinen Oberarm und zog sie fest. Während er die Luft aufpumpte spürte ich seine Finger an meinem Handgelenk. Ich war mir fast sicher, dass sich mein Puls gerade nicht mehr im Ruhezustand befand. Er pumpte die Luft soweit auf bis es an meinem Arm fast unangenehm spannte und ließ dann von meinem Handgelenk ab. Er nahm sich das Stethoskop von seinen Schultern, steckte sich die Oliven in die Ohren und die Membran unter die Manschette auf meine Ellenbeuge. Sein Blick traf kurz auf meinen bevor er routiniert mit der Blutdruckmessung fortfuhr. Langsam ließ er die Luft aus der Manschette entweichen und schaute dabei konzentriert auf die Messanzeige. Ich schaute währenddessen zu ihm und spürte den abnehmenden Druck an meinem Arm. Mit einem „Blutdruck ist gut“ nahm er sich das Stethoskop aus den Ohren und löste mit einem gekonnten Handgriff die Manschette von meinem Arm. Wieder trafen sich kurz unsere Blicke. Er hängte sich das Stethoskop wieder um den Hals und kündigte an, dass er meine Lymphknoten nun abtasten würde. Er bat mich, ihn anzuschauen und mich überkam ein leichtes Kribbeln. Ich wusste auch nicht recht was heute mit mir los war.
Ich blickte nach oben direkt in seine Augen. Er begann dann vorsichtig aber gründlich die Lymphknoten an meinem Hals abzutasten. Währenddessen schaute er mich überprüfend an und schien genau auf meine Mimik zu achten. Seine Hände fühlten sich angenehm warm an. Wieso fühlte sich diese Situation so vertraut an? Und was daran löste bitte dieses Kribbeln in mir aus? Ich musste Schlucken. „Tut dir irgendwas weh, wenn ich hier taste?“ Mit einem leisen Mh-Mh schüttelte ich leicht den Kopf. „Okay, das ist schonmal gut, dann würde ich jetzt gerne einmal in die Augen leuchten.“ Er lächelte und zog eine kleine Lampe aus seiner Kitteltasche. Er prüfte aufmerksam meine Augenreaktion und bat mich anschließend auch den Mund zu öffnen um meinen Rachen untersuchen zu können. Er nahm sich einen Holzspatel und ich öffnete meinen Mund. Er leuchtete mit der Lampe in meinen Hals und drückte mit dem Spatel meine Zunge etwas nach unten. Es war unangenehm, doch nach einigen Sekunden löste er den Spatel und sagte „Hals ist auch unauffällig“.
Ich schaute nach unten und musste kurz Schlucken und einmal tief atmen. Wieso machte mich diese ganze Situation so verdammt nervös? Der Arzt machte einige Notizen und nahm das Stethoskop von seinem Hals als er sich wieder zu mir wandte. „Ich würde jetzt gern auch einmal kurz auf das Herz hören, bleib ganz entspannt sitzen und atme normal weiter.“ Er setzte sich erneut die Oliven des Stethoskops in die Ohren. Ich spürte seine Hand stabilisierend an meiner Schulter und begegnete seinem Blick als er die Membran oberhalb meines Tops auf die nackte Haut meiner Brust setzte. Das kühle Metall des Bruststückes ließ mich kurz etwas zusammenzucken. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen doch seine Augen lagen direkt prüfend auf mir. Es lag kein Urteil in seinem Blick, eher eine unausgesprochene Frage ob alles in Ordnung ist. Er versetzte die Membran des Stethoskops und diesmal fühlte es sich nicht so kühl an. Ich versuchte so ruhig wie möglich zu atmen. Er ließ die Membran noch einige Sekunden auf meiner Brust verweilen bevor er sich das Stethoskop wieder um den Hals hängte. „Dein Herz schlägt ziemlich schnell, bist du etwas nervös?“ Die Frage traf mich etwas unerwartet und ich spürte wie ich rot wurde. Mit gesenktem Blick antwortete ich „Ja vielleicht ein bisschen.“ In seiner Stimme hörte ich ein kleines Lächeln. „Keine Sorge, das ist nichts Schlimmes, versuch dich einfach etwas zu entspannen.“ Das sagte sich so leicht. Er hatte ja keine Ahnung wie nervös mich diese ganze Untersuchung fühlen ließ.
Er war professionell und kontrolliert in dem was er tat und dennoch einfühlsam und sorgfältig. Er strahlte Ruhe aus und dennoch eine besondere Präsenz die mich so fühlen ließen, wie ich es von mir gar nicht kannte. „Ich möchte jetzt den Bauch einmal untersuchen, würdest du dich dafür auf die Liege legen?“ Ich konnte gar nicht groß nachdenken und hob meine Beine auf die Liege und legte meinen Kopf nach hinten. Seine Augen strahlten etwas Beruhigendes aus und ich spürte wie die Anspannung in meinen Schultern ein wenig abfiel. „Nicht erschrecken, ich schiebe das Top ein kleines Stück nach oben.“ Ich spürte seine Fingerspitzen auf meiner Haut die Wärme seiner Hände. Bei der ersten Berührung musste ich kurz zusammenzucken. Wieder schweifte sein Blick zu mir um sich zu versichern, dass alles in Ordnung ist. „Wenn irgendetwas unangenehm ist oder weh tut, sag bitte Bescheid.“ Ich nickte und spürte wie er zunächst oberflächlich begann vorsichtig mit den Handflächen gleichmäßig jede Region meines Bauches abzutasten. Sein Blick wanderte dabei zwischen seinen Händen und mir hin und her um jede meiner Reaktionen einzuschätzen. Danach begann er systematisch etwas tiefer zu tasten um die inneren Organe zu untersuchen, zunächst die oberen Quadranten, dann tastete sich immer weiter nach unten vor. Schließlich schob er meine Hose noch ein kleines Stück nach unten und tastete auch dort entlang des Bundes auf irgendwelche Auffälligkeiten. Seine Hände so nah an den empfindlichsten Bereichen meines Körpers ließen mir eine Gänsehaut über den Körper laufen. Ihm schien das nicht zu entgehen und lächelte mir zu. „Keine Auffälligkeiten und kein Druckschmerz, das ist gut.“
Ich wollte mein Top schon wieder nach unten ziehen, doch er bedeutete mir noch liegen zu bleiben. „Ich möchte noch einmal auf den Bauch hören, bleib einfach ruhig liegen.“ Er bewaffnete sich erneut mit dem Stethoskop und erwärmte es diesmal kurz in seiner Hand bevor er die Membran oben rechts auf meinen Bauch setzte. Vorsichtig bewegte er das Bruststück über alle vier Quadranten meines Bauches und er hörte konzentriert auf die Geräusche. Ich verfolgte währenddessen seinen Blick, der wie in einem Rhythmus vom Bruststück des Stethoskops zu meinem Gesicht wanderte. Auch die Untersuchung meiner Darmgeräusche quittierte er mit einem „Das hört sich auch alles sehr gut an, völlig unauffällig. Du kannst dich wieder aufsetzen.“ Ich schob mein Top wieder nach unten und setzte mich mit etwas viel Schwung wieder auf, was meinen Kopf ein wenig brummen ließ. Ich musste kurz die Augen schließen doch noch bevor ich viel nachdenken konnte, wurde ich von seiner Stimme wieder in die Realität geholt. Er schaute mich fragend an doch ich wusste nicht was er gesagt hatte und brachte nur ein „Was?“ hervor. „Ist alles in Ordnung?“ Ich fühlte mich immer noch ein bisschen schwummerig doch ich versuchte seiner Frage auszuweichen. „Ja ich hab mich nur zu schnell aufgesetzt, glaub ich.“ Ich schaute ihn an und erkannte Sorge in seinem kritisch prüfenden Blick. „Versuch mal tief durchzuatmen, das hilft.“ Er lächelte mit aufmunternd zu und ich tat was er verlangte.
Ich atmete 2-mal tief ein und aus und fühlte mich tatsächlich direkt besser. „Ich würde auch gerne noch einmal auf Herz und Lunge hören, würdest du dafür einmal auch dein Top ausziehen?“ Mein Blick traf auf seinen und verharrte einen Moment. Er wollte, dass ich auch noch mein Top ausziehe? Dann sitze ich mit fast nacktem Oberkörper vor einem fremden Arzt, der mich schon seit ich den Raum betreten habe, so nervös wie noch nie machte. Er nahm die Untersuchung für meinen Geschmack ein wenig zu ernst. Das Wort ´Gründlich´ erlangte für mich gerade völlig neue Dimensionen. Mittlerweile lag mehr Erwartung in seiner Mimik. Ich spürte ein Kribbeln in meinem Bauch, doch konnte mich schließlich dazu überwinden, nicht mehr wie eingefroren dazusitzen. Ich griff zum Saum meines Tops und zog es mir über den Kopf. Ich klammerte mich an den Stoff des Tops und versuchte meine Atmung unter Kontrolle zu halten. „Ich höre mir erst noch einmal das Herz an, atme einfach ruhig weiter.“
Seine Erklärung und Anweisung ließen mich wieder etwas entspannen, jedoch entging mir nicht sein stets prüfender Blick. „Das wird nochmal kurz kalt, nicht erschrecken.“ Er setzte die Membran über meiner linken Brust ein Stück oberhalb meines BHs auf meine Haut. Trotz seiner Vorwarnung musste ich durch das kalte Metall wieder zusammenzucken. Einen Moment später spürte ich wieder seine Hand auf meiner Schulter. Er ließ das Bruststück einen Augenblick an der gleichen Stelle verweilen bevor er es auf die rechte Seite meiner Brust versetzte. Er stand so nahe bei mir, dass ich seine Körperwärme spüren konnte. Wieder hörte er einen Moment meinen Herzschlag. Als nächstes schob er die Membran ein Stück weiter nach unten unter den Cup meines BHs. Seine Fingerspitzen berührten sanft meine Haut und das schickte ein Kribbeln durch meinen ganzen Körper. Was war nur los mit mir? Als ich nach oben schaute, traf ich auf seinen Blick, der mich aufmerksam musterte. Als wären mein Körper und meine Gedanken gerade noch nicht chaotisch genug, spürte ich, wie er begann, vorsichtig mit dem Daumen über meine Schulter zu streichen. Ich schaute nach unten in meine verkrampften Hände und musste mir auf die Lippe beißen. Ich verstand nicht ganz was diese Untersuchung, diese Berührungen, diese Blicke in meinem Körper auslösten. Wieder löste er die Membran mit einem schnalzenden Geräusch von meiner Haut und schob das Bruststück nun auch auf der linken Seite unter meinen BH in der Nähe des Brustbeins. Ich musste mich bemühen ruhig zu atmen und auch er schien das zu bemerken. „Versuch mal etwas flacher zu atmen, so kann ich den Herzschlag besser hören.“ Seine Stimme war ruhig und keineswegs ungeduldig, er legte lediglich viel Sorgfalt in seine Arbeit.
Während er das Bruststück des Stethoskops auf meinen Brustkorb hielt, fanden seine Hände den Weg zu meinem Hals und tasteten nach dem Puls der Halsschlagader. Ich spürte meinen eigenen Herzschlag gegen seine Finger. Ich wusste selbst nicht, dass mein Herz so stark schlagen kann und er kam nicht umhin einen kleinen Kommentar über meinen Herzschlag zu machen. „Dein Herz schlägt sehr kräftig. Etwas schnell aber das ist in Ordnung.“ Ein weiteres Mal versetzte er das Bruststück, diesmal unterhalb der linken Brust. Nach einem Augenblick kündigte er an, dass er sich nun meine Lunge anhören würde und forderte mich auf tief ein- und auszuatmen. Er versetzte die Membran wieder etwas oberhalb meiner Brust auf die Haut. Ich atmete tief ein doch spürte beim Ausatmen ein Zittern in meiner Atmung. Mein Körper befand sich in einer absoluten Ausnahmesituation und so sehr ich mich bemühte ruhig und gleichmäßig zu atmen, so richtig gelang es mir nicht. „Du machst das gut, einfach weiter tief atmen.“ Seine Stimme war ruhig aber bestimmt. Er versetzte das Stethoskop und gab mir vor „tief einatmen … und ausatmen.“
Er legte das Stethoskop nun auf meinen Rücken und bedeutete mir weiter zu atmen. Stück für Stück versetzte er die Membran über meinen Rücken und folgte einem klaren Muster, seine Bewegungen waren dabei präzise aber sanft. Seine Stimme bedeutete mit stetig ein- und auszuatmen und gab mir damit den Takt vor. Währenddessen ruhte sein Blick abwechselnd auf mir und auf dem Bruststück seines Stethoskops, jedoch stets konzentriert auf meine Atemgeräusche. Mittlerweile ist mein unstetiger Atem einem rhythmischen Ein- und Ausatmen gewichen und ich fühlte auch wie sich mein Herz wieder ein wenig beruhigte. Schließlich legte er sich das Stethoskop wieder rum den Hals und befand auch meine Lunge und Atemwege für unauffällig.
Er setzte sich auf den kleinen Rollhocker neben der Liege und machte sich wieder einige Notizen. Ich saß noch in BH auf der Liege und beobachtete wie er konzentriert die Ergebnisse meiner Untersuchung aufschrieb. Ich konnte immer noch den Nachhall des kühlen Stethoskops spüren, ebenso wie seine warme Hand auf meine Schulter. Ich konnte mich nicht daran erinnern jemals so aufgeregt bei einer Untersuchung gewesen zu sein. Lag es an dem Arzt oder überhaupt der ganzen Situation? Ich musste mir eingestehen, dass ich mich trotz meiner Nervosität bei ihm wohlfühlte. Er stellte eine perfekte Balance zwischen professioneller Distanz und Empathie her, erklärte stets seine nächsten Untersuchungsschritte ohne Eile und ich hatte das Gefühl, dass er sich wirklich Zeit für die Untersuchung nimmt.
Ich war schon wieder so in Gedanken versunken, dass ich nicht merkte wie der Arzt aufstand um etwas aus dem Schrank neben der Liege zu holen. Als er schließlich mit einem Haufen Kabel in der Hand wieder zu mir trat, schaute ich ihn eventuell ein wenig zu verwirrt an. „Du machst zwar im Labor vermutlich keine schweren körperlichen Arbeiten, deshalb werde ich dir das Belastungs-EKG mal ersparen, aber um ein kleines Ruhe-EKG kommst du leider nicht herum.“ Ich blickte von seinem Gesicht auf die Kabel und wieder zurück zu ihm. Ich hatte noch nie ein EKG, ich wusste nicht so recht wie und was ich davon denken sollte. Meine Schultern verspannten sich und ich merkte wie erneut Nervosität in mir aufkam. „Keine Sorge, das ist ganz harmlos, legst du dich bitte nochmal auf die Liege?“ Er schenkte mir ein Lächeln und ich legte mich etwas zögernd wieder auf die Liege.
Der Arzt setzte sich wieder zurück auf den Hocker und legte die Kabel neben mir auf die Liege. Danach nahm er mir mein Top aus der Hand, das ich die letzten Minuten vermutlich wie einen Stressball gequetscht habe, und legte es zu meiner Bluse. „Leg die Arme einfach locker neben den Körper“ forderte der mich auf und ich tat wie er es verlangte. Er zeigte auf die Klebe-Elektroden, die er ebenfalls aus dem Schrank geholt hatte. „Diese Elektroden werden auf den Brustkorb geklebt und über die Kabel wird deine Herzschlag-Kurve aufgezeichnet, die kann ich mir dann auf dem Monitor hier ansehen.“ Er zeigte auf den Monitor der neben der Liege stand und sah anschließend wieder zu mir. Ich war zu überfordert um zu denken geschweige denn irgendetwas zu antworten. „Du musst nichts machen außer ruhig liegen und normal atmen, das bekommst du hin, oder?“ Sein Blick suchte den meinen. So langsam taten meine Nervenzellen wieder das, was sie sollten. „Ja, das krieg ich hin.“ Jetzt musste ich auch ein wenig schmunzeln.
Er begann die Elektroden an die Kabel zu verbinden und schließlich auf meinen Brustkorb zu kleben. Jeweils eine links und rechts im oberen Bereich meiner Brust. Zwei unterhalb des Herzens und eine auf der rechten Seite meines Brustkorbes. Bei jeder Elektrode berührten seine Fingerspitzen meine Haut, was ein leichtes Kribbeln durch meinen Körper schickte. Ich war selbst gespannt, was der Monitor gleich anzeigen würde. Als die letzte Elektrode angebracht war, dauerte es nur einige Sekunden bis der Monitor eine stetige Welle aufzeigte und im gleichen Rhythmus ein Piepen von sich gab. Er nahm noch einmal mein Handgelenk und fühlte meinen Puls, während er konzentriert die Wellen auf dem Monitor verfolgte. „Das sieht gut aus, wir lassen das mal für 5- 10 Minuten laufen, danach hast du es fast geschafft.“ Wieder blickte er zu mir und lächelte. „Ich muss dich kurz allein lassen, ich bin nebenan. Bleib einfach ganz entspannt liegen und ich bin gleich wieder bei dir, ja?“ Er stand von dem Rollhocker auf und ich nickte ihm mit einem „Okay“ zu. Er verließ den Raum und ließ mich mit dem piependen Monitor alleine.
Ich atmete einmal tief ein und aus und ließ meinen Blick auf den Monitor gleiten. Er zeigte groß eine Herzfrequenz von 93 Schlägen pro Minute an. Nicht dass ich hier der Profi wäre, aber das ist definitiv zu schnell für einen Ruhepuls. Die ganze Situation scheint mich wirklich kein Stück kalt zu lassen und das bestätigt mir die Herzkurve gerade bildlich. Ich schweifte mit meinen Gedanken zurück zur Untersuchung und erinnerte mich an die Berührungen des Arztes. All seine Handgriffe waren gekonnt und präzise. Ich meine er macht das sicherlich jeden Tag einige Male doch seine konzentrierte Art und die routinierten Bewegungen faszinierten mich. Ja in gewisser Weise war es auch seine ganze Person, die mich faszinierte. Bereits als ich den Raum betreten hatte hielt unser Blickkontakt vielleicht eine Millisekunde länger als üblich. Und über die gesamte Untersuchung schaute er mich immer wieder mit genau diesem Blick an. Prüfend, konzentriert, interessiert? Er schien nicht nur sein Protokoll abzuarbeiten, sondern wirklich gründlich meinen Gesundheitszustand zu erfassen und eventuell auch etwas darüber hinaus. ´Gründlicher Checkup´ wurde nach meiner Ansicht mehr als erfüllt.
Ich war mir nicht sicher wie viel Zeit vergangen war, als sich die Tür wieder öffnete und der Arzt wieder in den Raum kam. „Na sieh mal einer an, du kannst ja doch einen normalen Puls haben.“ Er hielt den Blick auf den Monitor gerichtet als er sich wieder neben mir auf den Hocker setzte. Ich tat es ihm gleich und er hatte tatsächlich Recht. Im Gegensatz zu vor einigen Minuten zeigte der Monitor nun eine 71 und die Kurve zeigte ein Muster mit längeren Pausen. Der Arzt tippte etwas am Monitor und schaute mich danach zufrieden an. „Deinen Puls bestätige ich dir jetzt auch als normwertig, du hast es geschafft für heute.“
Er begann die Elektroden zu entfernen und ich spürte zeitgleich Erleichterung, aber auch… Enttäuschung? Ich wollte diesen Termin so schnell wie möglich hinter mich bringen doch in diesem Moment wünschte ich mir noch einmal seine Finger an meinem Handgelenk, das kühle Metall des Stethoskops auf meiner Haut… Was hatte er bloß mit mir angestellt? „Du kannst dich wieder anziehen, dann kommst du noch einmal zum Schreibtisch, okay?“ Ich nickte und begann mir mein Top wieder überzuziehen. Die Bluse nahm ich einfach mit zum Schreibtisch. Gerade war mir zu warm um mehr als das dünne Top zu tragen.
Ich setzte mich ihm gegenüber und schlug die Beine übereinander. Nachdem er einige letzte Notizen in den Computer eingegeben hatte, richtete sich sein Blick wieder auf mich. „Ich hab nichts Bedenkliches gefunden, du bist völlig gesund. Der Laborarbeit dürfte jetzt nichts mehr im Weg stehen.“ Er lächelte mich an. Seine Gesichtszüge schienen freundlich und zufrieden. „Ich werde die Unterlagen weiterleiten und dann bist du durch für heute. Du musst gleich nur noch einmal nach nebenan für die Blutabnahme.“ Ein kleines Ziehen machte sich in meinem Bauch bemerkbar, das hatte ich ja schon fast wieder vergessen. Ich nickte und versuchte ebenfalls ein Lächeln hervorzubringen.
Als ich aufstand und bereits mit meiner Tasche und Jacke auf dem Arm Richtung Tür ging, räusperte er sich noch einmal. „Halte deinen Puls ein wenig im Auge, wenn sich da was verändert, lass das bitte nochmal untersuchen.“ Sein Blick hatte etwas Forderndes und trotz seinem freundlichen Ton fühlte es sich mehr nach einer Aufforderung als einer Bitte an. War das eine indirekte Aufforderung noch einmal wiederzukommen um mein Herz gründlicher durchchecken zu lassen? Erneut durchzog ein kleines Kribbeln meinen Körper und ich spürte wie meine Beine anfingen weich zu werden. Bevor ich hier und jetzt noch einen Schwächeanfall erleide, nahm ich meine Letzten funktionierenden Gehirnzellen zusammen um eine Verabschiedung zu murmeln und direkt ins Nebenzimmer zu verschwinden.
Mein Kopf fühlte sich nach wie vor ein wenig benebelt an und meine Gefühle bildeten ein riesiges Chaos, das ich nicht einordnen konnte. Ich versuchte zu verstehen was diese Untersuchung in mir ausgelöst hatte und meine Gedanken zu sortieren. Ich war damit so beschäftigt, dass die Blutabnahme durch eine der Arzthelferinnen, wie in einer Trance an mir vorbeizog und ich fast nichts davon mitbekam. Schließlich riss mich die Stimme der Arzthelferin wieder aus meinen Gedanken, als sie mir bedeutete, dass ich nun gehen könnte. Mit einem letzten Blick durch die leicht geöffnete Tür des Arztzimmers verließ ich die Praxis und ich trat meinen Heimweg an. Er saß immer noch hinter den Computer und sah nachdenklich aus. Es sah genau so aus, wie ich mich fühlte. Meine Beine trugen mich Richtung zu Hause, jedoch war ich in Gedanken weiterhin bei allen Einzelheiten der Untersuchung, den Händen des Arztes… sein prüfender Blick… mein rasender Puls, wie würde ich all diese Gedanken jemals wieder loswerden?
Eine wirklich schöne Geschichte vielen …
Da kann ich mich nur anschließen, eine …
Eine der besten Geschichten der letzten…