Festivalgewitter mit Folgen
"Das ist die richtige Entscheidung Sophia, vertrau mir."
"Nein!", protestierte ich, obwohl ich gleichzeitig nicht wusste, ob ich mich nicht sogar längst umentschieden hatte.
"Doch Sophia. Ich kann das nicht mit ansehen dafür verantwortlich zu sein, dass du solche Schmerzen erleidest." Er machte eine kurze Pause und sah mir tief in die Augen. "Was ist so schlimm daran, dass wir dich für ein paar Minuten wegdämmern lassen?"
"Ich mag die Vorstellung nicht, vollkommen die Kontrolle aus den Händen zu geben."
"Das kann ich total verstehen Sophia, aber vielleicht ist es ja viel angenehmer, die Kontrolle einmal vollständig abzugeben, statt weiter zwanghaft zu Versuchen, die Kontrolle über eine Situation zu behalten, die dir, wenn du ehrlich bist, schon längst aus den Fingern geglitten ist."
Seine Worte trafen mich tief. Er hatte vollkommen recht. Ich war eh schon längst nicht mehr Herrin über die Lage und es war idiotisch, mich weiter gegen eine Sedierung zu sträuben und unter Fixierung noch mehr Schmerzen in Kauf zu nehmen. Ich musste gegen meine Tränen kämpfen. Am liebsten hätte ich einfach alle Anspannung losgelassen und bitterlich angefangen zu weinen, aber die Blöße wollte ich mir nicht geben.
Ich nahm einen tiefen, zittrigen Atemzug und gab schließlich nach: "Okay, du hast vollkommen recht, gebt mir mehr Dormicum." Eine Träne kullerte aus meinem Augenwinkel in meine Haare.
Lean hatte die Instrumente steril abgelegt und legte seine rechte Hand auf mein Handgelenk. Trotz Handschuh und Lochtuch, konnte ich seine Wärme spüren: "Das ist die richtige Entscheidung Sophia, vertrau mir." Er sah mich mitfühlend und aufmunternd an.
Ich merkte, wie eine große Erleichterung mich überkam. Ich vertraute ihm. Zum ersten mal konnte ich einen wirklich ruhigen und tiefen Atemzug nehmen und etwas loslassen, an dem ich die ganze Zeit festgehalten hatte. Angst vor der Sedierung hatte ich weiterhin, aber es war keine existenzielle Panik mehr, sondern eine normale Angst vor etwas Unbekanntem. Vielleicht kam nun auch endlich mal die Wirkung von der bisherigen Dosis Dormicum etwas zum Tragen.
Nick hatte längst seine Hand von meiner gelöst und die Spritze mit dem Dormicum in der Hand: "Nochmal 1mg oder wie viel soll ich geben?"
"Ja, 1mg ist gut, nachgeben können wir immernoch. Haben wir alles griffbereit?"
"Ist alles in Reichweite, Sättigung 99, Puls 94", bestätigte Nick. Vermutlich meinten sie damit Beatmungsbeutel und co für den Notfall. Erstaunlicherweise ließ mich das aber recht unbeeindruckt. Ich fühlte mich sicher.
'Puls 94, wow, das Piepsen klang so ruhig im Moment. Wie hoch war mein Puls dann bitte zwischendurch gewesen?'
"Gut, dann los." Lean fühlte durch das Lochtuch hinweg den Puls an meinem Handgelenk.
Nick setzte die Spritze erneut auf die Zuspritzkammer der Braunüle: "Sophia, darf ich?"