Stethoskop Geschichten
Sarah und der große Auftritt Teil 1
Sarah, 22 Jahre alt und frisch von der Uni, betrat die heimelige Küche, wo der Duft von Kaffee und Gebäck in der Luft lag. Am Küchentisch saßen bereits ihre Tante Gabi 38 und ihre Mutter Manuela 41, vertieft in ein Gespräch.
"Hallo!", sagte Sarah freundlich, während sie ihre Tasche abstellte. Ein kurzer Schnack über den Unitag und die neuesten Neuigkeiten entspann sich. Sarah erzählte von einer kniffligen Vorlesung und Manuela berichtete von einem lustigen Vorfall im Supermarkt. Gabi hörte aufmerksam zu, nippte an ihrem Kaffee und schien etwas auf dem Herzen zu haben.
Nach einer Weile sah Gabi Sarah direkt an. "Sarah?", fragte sie, ihre Stimme eine Spur zögernd.
"Ja?", antwortete Sarah, hob eine Augenbraue.
"Wir treten am Wochenende, also Samstagabend, mit unserem Hobbyschauspieler-Verein auf", begann Gabi. "Bei uns ist leider jemand krank geworden..." Sie machte eine kurze Pause und ihr Blick wanderte suchend zu Sarah. "Wir bräuchten dich..."
Sarah konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. "Lass mich raten", sagte sie, "du spielst bestimmt die Ärztin?"
Gabi und Manuela brachen in Gelächter aus. "Ja, allerdings", bestätigte Gabi, immer noch schmunzelnd. "Aber... sie zögerte, "in einer anderen Version."
Sarahs Blick wurde skeptisch. "Das heißt?", fragte sie vorsichtig.
Gabi verschränkte die Arme und sagte trocken: "Du müsstest dich auf einen elektronischen Stuhl setzen."
"Bitte was?!", entfuhr es Sarah, ihre Augen weiteten sich überrascht.
Die schockierende Offenbarung von Gabi hing wie eine dicke Wolke in der Küche. Sarahs Mund stand offen, ihre Augen waren weit aufgerissen. Das Lachen, das die Szene zuvor noch erfüllt hatte, war schlagartig verstummt, ersetzt durch eine beklemmende Stille. Sie starrte Gabi an, dann ihre Mutter Manuela, die das Ganze mit einem vielsagenden, fast entschuldigenden Blick begleitete.
"Ja", wiederholte Gabi, als ob sie Sarahs Fassungslosigkeit nicht bemerkt hätte oder sie bewusst ignorierte, um den Schock zu verstärken. "Du müsstest dich im BH und in der Hose draufsetzen. Wir würden dich fixieren, und du müsstest halt so tun, als würdest du Schocks bekommen."
Sarah blinzelte. Schocks? Im BH und in der Hose? Fixiert? Ihr Gehirn versuchte, die Worte zu verarbeiten, sie in einen Kontext zu bringen, der irgendwie Sinn ergab, aber es gelang ihr nicht. Das Bild, das sich in ihrem Kopf formte, war absurd und beängstigend zugleich.
"Ich würde dann circa zweimal dein Herz mit dem Stethoskop abhören", fügte Gabi hinzu, ihre Stimme klang dabei seltsam sachlich, fast routiniert, als wäre dies eine ganz normale Bitte.
Sarahs Blick huschte zwischen Gabi und Manuela hin und her, als suchte sie nach einem Anzeichen, dass dies ein schlechter Scherz war, ein komplizierter Witz, den sie einfach nicht verstand. Aber Gabis Miene war ernst, und Manuelas Blick war eher besorgt als amüsiert.
"Keine Sorge", fuhr Gabi fort, als hätte sie Sarahs innere Panik gespürt und wollte sie beruhigen. Eine schwache Hoffnung keimte in Sarah auf, dass Gabi es sich doch noch anders überlegen würde. "Wir können sonst morgen einmal einen schönen orangen BH kaufen. Er sollte auch gut sitzen. Du bekommst auch so eine Art Kasack und Hose."
Sarahs Gesichtsausdruck verwandelte sich von Schock zu einer Mischung aus Unglauben und Resignation. "Aha...", murmelte sie, die Silbe zog sich in die Länge. Ein oranger BH? Ein Kasack? Das machte das Ganze noch surrealer, noch unbegreiflicher. Es klang nach einer Art Kostümierung für eine medizinische Szene, aber die Idee der fixierung und der simulierten Elektroschocks passte einfach nicht dazu.
"Das Muskelstimulationsgerät liegt schon im Theater", ergänzte Gabi beiläufig.
Das war der Punkt, an dem Sarahs Verstand sich weigerte, weiter mitzuspielen. Ein Muskelstimulationsgerät? Das klang viel zu echt, viel zu gefährlich. Sie sah Gabi direkt in die Augen, ihre Stimme klang heiser. "Du meinst das wirklich ernst, Gabi, oder?"
Gabi nickte langsam, ihr Blick war fest und unerschütterlich. "Ja."