Die Erziehung der Klavierschülerin
Der Lehrer betrachtet seine "Arbeit"
Es gäbe für sie nur die Pflicht, keine Scham, nur die Schuld, fleißig zu sein, zu üben, sich der Musik, dem Instrument, dem Herrn, der die Noten und das Notenpapier erfunden habe, darzubringen. Hört sie wieder rittlings. Hört sie in nun wiederholter Haltung. Hört sie mit pochenden Schläfen. Denn die Scham hat ihr der Herr doch auch gegeben, hat nicht mit ihr gespart, wenn er schon mit ihrer Gabe, dem Klavier nur die geringsten Melodien zu entlocken, gespart hat. Ach, und das Wörtchen 'so', dieses kleine, unschuldige , kurzgehauchte Silbchen steht auf einmal breit und breiter zwischen ihren Beinen, zwingt ihr Blut noch stärker zu pochen, noch verzweifelter zu strömen, noch deutlicher die Schläfen zu passieren, denn hat der Herr nicht Licht in die ewige Finsternis gebracht? hat er nicht seine Schöpfung sehen wollen, auf das Genaueste? hat er sich nicht präsentieren lassen, alles was da auch in den Tiefen zu finden wäre? die Himmelspforten?
"So nur, so!" sage ich, "werden Sie es vielleicht lernen. So werden Sie verstehen, dass es nichts zu verstecken gibt vor mir. Es kommt an das Licht, unweigerlich! Es kommt an - das - Licht! Hören Sie?" Und geht einen Schritt zurück, einen weiteren noch, blickt von oben auf ihre beiden entblößten Pobacken, auf ihre dieses Mal und "so und so" gespreizten Beine, zwischen denen sich das letzte Stücke weiße Hülle spannt, "ja, weiter! nicht nachlassen! ich will sehen, dass Sie sich anstrengen!", blickt auf ihren flach auf dem Schemel liegenden Rücken, auf ihren den Holzdielen sich nähernden Kopf, blickt konzentriert und wie versunken, wie nachdenklich und voller Trauer, voller Selbstmitleid über all die Arbeit, die es noch zu tun gibt, ohne sichere Aussicht auf Erfolg, auf Besserung, auf Ordnung, Strebsamkeit, Hörigkeit! Denn wollte er nicht, der Schöpfer, dass man seinem Wort Gehör schenkt, dass man seinem Wort folgt, dass seine Zeichen wie Noten gelesen und übersetzt werden in Kunst und Schönheit und Takt und Folgerichtigkeit?! Ach, wollte er das nicht?
Und warum nur ist es ein jedes Mal wieder so zäh und so voller Mühe, dieses kleine Bisschen Erkenntnis auch den Schülern näher zu bringen? Es ihnen zu verinnerlichen? Hat uns der Herr nicht die Musik geschenkt? Ein himmlisches, ein schönes, ein tröstendes Geschenk? Voller Zartheit und Würde. Ach, Würde? Und nun dieses Geschöpf dort, rittlings, wartend, mit weißer Haut, ja, weißen Halbkugeln, auf denen nur noch ganz vergessen die Spuren der gestrigen Fünf sich abzeichnen, zitternd fast, ohne Stolz, ohne Willen, ohne Wollen! Warum nur versteht es nicht, dass es doch so einfach sein könnte, dass es mit Übung und Hingabe die hohen Sphären so leicht, ja so federleicht erreichen könnte. Stattdessen bleibt es dort unten, nur Körper, nur Schwere, verhaftet mit Schemel und Dielenmaserung, und ihre Halbkugeln darreichend und ihre Himmelspforten noch dazu. Gekräuselt die eine, geschlitzt die andere. Und zuckend gleich, denkt er seufzend, ohne Willen und Würde zuckend, wenn ich wieder meine schwere, saure, unendlich Sisyphus-Pflicht zu tun habe.
Lovely! More intimate inspections for h…