Festivalgewitter mit Folgen
"Still halten Sophia!"
Panisch sah ich in seine braunen Augen. Ich zögerte einen Moment.
"Lean, ich hab Angst."
Lean warf einen kurzen Blick zu Nick und dann auf meinen Zugang und bedeutete ihm so, mir noch etwas von dem Dormicum zu spritzen.
"Ich weiß Sophia, aber ich fange jetzt an. Nick gibt dir nochmal ein halbes Milligramm Dormicum. Aber ich glaube es ist sinnvoller, wenn ich jetzt trotzdem loslege. Wenn ich erst warte bis es wirkt, ist die Aufregung bis dahin nur noch schlimmer. Ich will dich nicht länger auf die Folter spannen. Sieh nicht hin und fokussiere dich auf deine Atmung. "
'Ja danke, wenn das mal so einfach wäre.'
Ich nahm einen tiefen Atemzug und stimmte ängstlich zu: "Okay."
Nick war bereits wieder an meiner Braunüle zugange und injizierte das Dormicum.
"Atme jetzt einmal aus und dann tief wieder ein!" Leans Tonfall ließ keine Widerrede zu.
Ich schaute Lean tief in seine dunklen Augen. Zögerlich atmete ich aus und dann wieder ein. Lean senkte seinen Blick zu meiner Hand. Ich schloss die Augen.
Sofort spürte ich etwas kaltes, hartes und dann durchzog mich ein tiefer Schmerz. Reflexartig verkrampfte ich meine Hand, doch Lean war schneller gewesen und hatte meine Finger mit seiner linken Handkante, die die chirurgische Pinzette führte, fest fixiert.
"Still halten Sophia!", ermahnte er mich in scharfem Ton.
"Ich versuch's", wimmerte ich.
'Fuck, tat das weh.'
In der Zwischenzeit hatte Nick das Dormicum injiziert und ließ die Infusion für einen kurzen Moment im Schuss laufen zum Nachspülen. Anschließend drehte er sie zurück auf eine sehr niedrige Tropfrate, womöglich um noch Reserve für eine weitere Dormicumgabe zu haben. Der Infusionsbeutel war nur noch etwa ein Drittel gefüllt. Ich hatte die Augen wieder aufgemacht und beobachtete ihn im Detail, als Versuch mich dadurch etwas ablenken zu können.
Lean gönnte mir derweilen eine kurze Verschnaufpause, bevor er mich wieder ans Atmen erinnerte: "Atmen Sophia, tief und ruhig weiteratmen."
Er gab mir die Gelegenheit mehrere tiefe, aber sehr zittrige Atemzüge zu nehmen, bevor ich wieder die Pinzette an meiner Haut spürte. Mein Puls fing an zu rasen in Erwartung des nächsten schmerzhaften Stiches. Ich gab mir große Mühe trotzdem weiter tief zu atmen.
Dann wieder ein intensiver Schmerz. Ich krallte mich mit meiner rechten Hand in meine Schulter, in der Hoffnung, dass mir das irgendwie Linderung verschaffen würde.
Nick sah mich mitfühlend an und nahm vorsichtig meine Hand und führte meinen Arm raus aus dem Schlafsack, sodass meine Hand nun ebenfalls neben meinem Körper lag. Seine warme und starke Hand hatte er von unten in meine gelegt.
"Drück einfach, so fest du kannst, vielleicht hilft das ein bisschen", versuchte er mich zu beruhigen.
"Danke", erwiderte ich und sah ihm dabei tief in seine grünbraunen Augen. Mein Puls wurde etwas ruhiger. Doch dieser kurze Moment der Erholung hielt nicht lange an. Lean hatte den Faden durch die Stiche gezogen und fing an zu knoten. Ich konnte jede kleinste Bewegung schmerzlich spüren.
Ich drückte Nicks Hand, was mir zumindest ein bisschen das Gefühl von Sicherheit gab. Der Schmerz wurde dadurch leider nicht wirklich weniger.