Die besondere Praxis
Kapitel 4 - Lügen haben kurze Beine (Lasses Sicht)
"Weiter!", höre ich wieder laut und deutlich die Stimme der Zahnärztin und öffne wie befohlen meinen Mund so weit wie möglich. Im selben Moment spüre ich die kühlen, metallischen Instrumente in meinem Mund und rieche das Latex der Untersuchungshandschuhe. Das Licht der Behandlungsleuchte blendet mich kurz, bevor es meinen weit geöffneten Mund bis in den letzten Winkel hell ausleuchtet.
Dr. Steen schaut mich von oben herab an. „Ich bin schon sehr gespannt auf deine Zähne! Deine Freundin hat mir schon ein bisschen was verraten und ich muss schon sagen: Das klingt alles nicht so gut! Wenn Svenja schon sagt, dass da viel zu tun ist... Aber andererseits ist es doch ganz gut, oder?“ Sie macht eine kurze Pause. „Dann haben wir offenbar ordentlich was zu tun und können uns richtig austoben!“ Ich spüre die Finger der Zahnärztin und höre das Klappern des Mundspiegels, der hier und da gegen meine Zähne stößt. Sie beginnt ihrer Assistentin zu diktieren. „Ich möchte zuerst seine Zahnpflege überprüfen.“ Offenbar weiß die Assistentin, was damit gemeint ist, denn sie nickt nur und gibt direkt etwas in den Computer ein. Sofort ploppt etwas auf Deinem Tablet auf. „Zahnpflegekontrolle" steht da. „Deine Zähne sind frisch geputzt, schließlich kommst Du gerade von zu Hause. Da kann ich am besten beurteilen, wie gut Du sie pflegst. Du hast Dir doch die Zähne geputzt, oder?“ Ironie schwingt in ihrer Stimme mit. Und ich verstehe, warum. Denn jetzt befinde ich mich genau in der Situation, vor der ich mich gefürchtet habe. Genau das habe ich gerade eben nicht getan! Und es war klar, dass das sofort auffallen würde. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu beichten. Ich kann hier nichts verbergen. Das würde Dr. Steen sofort merken. Also antworte ich mit leiser Stimme: „Also... ehrlich gesagt, der Termin kam doch sehr überraschend... ich habe noch nicht geputzt...“ Das Gesicht der Zahnärztin verdüstert sich, sie runzelt die Stirn.
„Ich weiß, Lasse. Das sehe ich!“ Sie kratzt mit der Sonde etwas Plaque von einem Frontzahn und hält mir die Sondenspitze im Licht der Lampe provokant unter die Augen. „DAS hier ... ist Plaque, Zahnbelag, du Zahnputzmuffel!“ Ich will gerade den Mund schließen, um etwas zu sagen, da herrscht sie mich an. „Auflassen!“ Wieder schabt sie mit der Sonde Plaque ab, diesmal von einem der letzten Backenzähne. Sie lässt den Spiegel und zwei Finger in meinem Mund und hindert mich so am Sprechen.
„So, mein Lieber. Da Du bei der Zahnpflege eher nachlässig zu sein scheinst, frage ich mich, wie oft und wie gründlich Du Dir die Zähne putzt. Deshalb jetzt meine Frage an Dich: Wann hast Du sie das letzte Mal geputzt?“ Mit forderndem Blick wartet sie auf meine Antwort. Ich überlege kurz, denke, ich sollte versuchen, mich nicht ganz so schlecht aussehen zu lassen... Sie dreht sich zu Dir um, „Wie gründlich putzt er denn?“ fragt sie Dich.
Du nimmst einen Schluck aus der Colaflasche und zwingst ihn hastig hinunter. "Naja, was heißt gründlich... das kann ich nicht wirklich beurteilen. Aber jedenfalls nicht regelmäßig. Manchmal 'vergisst' er es einfach. Auch wenn er abends noch Schokolade nascht oder so...", setzt du an. Frau Dr. Steen hat genug gehört. Sie dreht sich wieder zu mir um. „Und er nascht wirklich viel!“ schiebst Du hinterher.
„Wann hast du sie das letzte Mal geputzt?“ Ihr Ton erinnert an ein Verhör. Mir wird heiß und kalt, Mein Herz klopft bis zum Hals. Was soll ich jetzt sagen?! Ich schaue Dich an. Keine Regung in Deinem Blick. Mit forderndem Blick wartet Frau Doktor auf meine Antwort. Ich überlege kurz... mit gesenktem Blick antworte ich knapp. „Gestern.“ Das stimmt zwar nicht, aber sonst würde sie bestimmt noch mehr schimpfen. „Wann gestern? Gestern Abend? Oder morgens?“ „Abends ...“, lüge ich und blicke an meinen Beinen entlang. Doch ich bereue meine Aussage sofort, als die Zahnärztin sagt: „Ich hoffe für dich, dass das auch die Wahrheit ist! Seine Zahnärztin sollte man in diesem Punkt besser nicht anlügen. Ich sehe sofort, ob das stimmt oder nicht. Dann wollen wir das mal überprüfen. Mund auf!“ Mit offenem Mund kann ich nicht sprechen, also muss ich auf ihre Fragen auch nicht antworten, denke ich und öffne wieder wie befohlen. Mit der Angst, dass sie die Lüge durchschaut und der Hoffnung, dass sie es nicht merkt. Die Zahnärztin schaut sich meine Zähne genau an, zieht die Augenbrauen nach unten, nimmt die Sonde, fährt damit über die Zähne, kratzt in den Zwischenräumen und sagt schließlich mit strengem Blick: „Das fängt ja gut an bei Dir! Das stimmt nicht, was Du uns hier vorgaukeln willst!“ Ich schlucke und schließe die Augen. Sie nimmt ihre Instrumente aus meinem Mund und schaut über mich hinweg zu ihrer Assistentin. „Nadine, mach doch erstmal das ganze Programm mit ihm. Und dann sagt mir wieder Bescheid, wenn ihr mit ihm fertig seid.“ Dr. Steen steht auf. Genüsslich und geräuschvoll zieht sie sich die Handschuhe aus, durchbohrt mich fast mit ihrem strengen Blick und pfeffert sie dann in den Mülleimer. „Du wirst schon sehen, was du davon hast!“ Dann verlässt sie mit ihrer Assistentin das Behandlungszimmer.
„Svenja, wo sind wir hier und was hast Du damit zu tun?“, breche ich die Stille. „Gefällt es dir nicht?“ höre ich dich sagen. Bevor ich antworten kann, höre ich Schritte und Nadines Stimme. Mit einem Tray voller neuer Instrumente kommt sie ins Behandlungszimmer und wendet sich an Dich: „Dann wollen wir mal. Du kannst mir assistieren, wenn Du magst?“ Und ob Du magst!
mega🤩bitte mehr davon!