Der erste Tag im neuen Job als Zahnarztmuffel
der Studentenkurs
Dr. Kaltenstein doziert wieder über den Zahnzustand seiner Patientin.
“Wie man jetzt sehr gut sehen kann”, fährt Dr. Kaltenstein fort, “hat die Karies im Zahnzwischenraum auch den 4-5er und den 4-7er befallen.”
‘NEIN!’, Annas Magen verkrampft. Denkt sie in wieder aufkeimender Panik, ‘bitte lasst mich raus hier’. Sie zerrt an den Fesseln, ihr Körper versucht zu entkommen. Schnell merkt sie, dass es hoffnungslos ist - die Manschetten um ihre Handgelenke liegen eng an, kein Herauswinden möglich. Der Brustgurt sowieso nicht.
Zur Beruhigung legt die Helferin ihre Hand auf Annas Stirn. “Schön ruhig”, flüstert sie und setzt ein kurzes, professionelles Lächeln auf, das ihre Augen nicht erreicht. Anna zieht noch einige Sekunden an den Gurten, lässt sich dann aber resigniert sinken, als sie merkt, dass sie nichts gegen die Fixierung ausrichten kann.
Ungerührt und mit ruhiger Stimme setzt Dr. Kaltenstein seinen Monolog zu seinen Studenten fort: “Es ist wie vermutet. Wir werden die zwei Zähne also auch noch schnell präparieren, bevor wir uns um die Füllungen kümmern. Wer von Ihnen braucht noch einen Schein für eine Füllungstherapie?”, fragt er in die Runde. Drei Hände heben sich.
“Sehr schön”, stellt Dr. Kaltenstein fest, “dann haben einige von Ihnen jetzt Gelegenheit, ihr Können zu demonstrieren und den Schein zu erwerben.”. Er schaut in die Gruppe. “Meier, sie zuerst!”.
Einer der Studenten schreckt hoch. Es ist der, der gerade bereits sein Mitgefühl gezeigt hatte. Unsicher macht er einen Schritt nach vorn.
“Na los, Meier”, bekräftigt ihn Dr. Kaltenstein, “kommen sie vor”. Der Zahnarzt ist aufgestanden und bietet Meier seinen Platz an.
Zögerlich kommt der Student näher. In seinem Blick mischen sich Unsicherheit und Sorge. Er nimmt zwei Gummihandschuhe aus dem Spender an der Wand und streift sie sich über. Dann nähert er sich der Patientin.
“Guten Tag, Frau ….ähh…”, er schaut hilflos im Raum umher, ob ihm jemand den Nachnamen der Patientin nennen könnte, erntet aber nur Schweigen. Für Dr. Kaltenstein sind alle im Stuhl sitzenden Personen einfach nur “der Patient” oder “die Patientin”.
“Jetzt nehmen sie schon Platz!”, fordert Dr. Kaltenstein ihn mit aufkommender Ungeduld auf. “Sie sollen hier keine Konversation führen, sondern Karies behandeln.”
“Aber…”, Meier versucht, etwas zu sagen, verkneift es sich dann aber wieder. Stattdessen senkt er den Kopf und greift zum Untersuchungsbesteck, justiert die Lampe noch etwas und widmet sich dann Annas Unterkiefer.
“4-5c distal, 4-7c mesial”, diktiert er leise und verunsichert, nimmt das Handstück des Bohrers in die Hand und prüft die Bohrspitze. Mit einer Pinzette versucht er, eine kleinere Bohrspitze aufzunehmen, als er von Dr. Kaltenstein gestoppt wird: “Nehmen sie diese hier, die schon drauf ist. Damit geht es schneller.”
“Aber..”, versucht er erneut zu entgegnen, wird aber gleich von seinem Chef überfahren, “Jetzt machen sie schon!”.
Seufzend platziert er den Bohrer vorsichtig in Annas Mund.
“Bitte stillhalten”, weist er leise an, “ich werde auch vorsichtig sein.”
Kurz aber richtig gut. Es scheint so al…
Super geschrieben bin gespannt