Festivalgewitter mit Folgen
Grünes Licht für eine kleine Prise Dormicum
Ich nahm einen tiefen Atemzug und verkündete Lean: "Auf den letzten Vorschlag lass ich mich ein. Eine kleine Dosis zur Beruhigung ist okay."
"Gut. Und wie gesagt, du darfst dich auch noch jederzeit umentscheiden, wenn die Schmerzen zu doll sind."
'Verdammt, warum ritt er so darauf herum?' Das machte mir Angst.
"Okay."
"Sind irgendwelche Allergien bekannt?"
"Nein"
"Vorerkrankungen?"
"Nichts Gravierendes oder Relevantes."
"Und wann hast du den letzten Alkohol getrunken und wie viel?"
"Gegen späten Nachmittag, ein Cider. Das war glaube ich der 3. oder 4. insgesamt."
"Ich denke das solltest du mittlerweile verstoffwechselt haben, aber lass uns lieber auf Nummer sicher gehen, wir haben ein Messgerät dabei."
"Wow, gibt's eigentlich irgendwas, was ihr nicht dabei habt?", fragte ich frech.
"Grüne Viggos und Lokalanästhetikum", neckte mich Nick.
"Nicht witzig", antwortete ich, aber wir mussten alle etwas schmunzeln.
"Hier, willst du es selbst festhalten oder soll ich?", Nick hielt mir das kleine schwarze Pustegerät hin.
Eigentlich hatte ich keine Lust meinen Arm aus dem Schlafsack zu befreien raus in die Kälte, aber so viel Selbstständigkeit wollte ich mir dann doch noch bewahren. Also nahm ich Nick das Gerät ab und pustete hinein, bis es piepste.
Er nahm es wieder an sich: "Na dann wollen wir doch mal sehen, was 3 oder 4 Cider so in sich haben."
Das Gerät piepste erneut und Nick verkündete: "Null Komma null. Grünes Licht also für eine kleine Prise Dormicum."
Für einen kurzen Moment hatte ich meine verzwickte Situation tatsächlich vergessen gehabt. Sofort stieg meine Anspannung wieder an.
"Sehr gut. Ich hab die Spritze schon aufgezogen. Gib ihr doch erstmal 0,5mg und dann schauen wir in ein paar Minuten, ob es noch mehr braucht", wies Lean Nick an und reichte ihm die Spritze. "Das Pulsoxy müsste noch irgendwo auf deiner Seite liegen."
Nick nahm die Spritze an sich und schaute sich nach dem Pulsoxy um.
"Ah ja, hier ist es. Sophia, vielleicht kannst du deine rechte Hand auf deine linke Schulter legen. Dann bleibt zumindest der Rest vom Arm unter dem warmen Schlafsack, aber ich komme an den Zugang ran und kann dir das Pulsoxy an den Finger klippen", schlug Nick vor.
Ich brachte meinen Arm in die vorgeschlagenen Position und hatte im Nu das Pulsoxymeter an meinem Zeigefinger sitzen, was im Takt meines Herzschlags schnell anfing zu piepen.
"Oder wolltest du nochmal Blutdruckmessen Lean?"
"Warte", Lean tastete den Puls an meinem linken Handgelenk, welches zur bevorstehenden Wundversorgung immer noch neben meinem Körper auf einem Handtuch lag.
Sofort spürte und hörte ich, wie meine Herzfrequenz anstieg.
"Ausreichend gut tastbar, brauchst du nicht nochmal nachmessen."
"Gut, dann gebe ich dir jetzt ein bisschen was vom Dormicum, wenn du einverstanden bist Sophia", sagte Nick und nahm den roten Stopfen von der Spritze.
"Einverstanden", nickte ich. Wieder hörte ich, wie das Piepsen des Pulsoxymeters schneller wurde.
Nick öffnete die Zuspritzkammer der Braunüle und setzte die Spritze an. Ganz langsam begann er einen halben Milliliter zu injizieren.
"Tief ein und ausatmen Sophia. Es passiert noch nicht viel bei der Menge. Es wird einfach nur alles ein bisschen leichter und entspannter."
Ich nahm einen tiefen Atemzug.
Nick stöpselte die Spritze wieder ab.
"Ich würde dann schon mal mit der Desinfektion anfangen Sophia, wenn das okay ist. Bis wir dann soweit sind, hat auch das Dormicum seine volle Wirkung erreicht", erklärte Lean.
"Okay."
Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie Lean schon einiges für die mir bevorstehende Prozedur vorbereitet hatte.
Vorsichtig griff er unter das Handtuch und hob meine Hand hoch, um eine flache Bierkiste als Tisch darunter zuschieben.
"Ist das so okay für dich? Liegt der Arm so gut?", fragte Lean.
"Ist okay."
"Gut."
Dann tränkte Lean ein paar Tupfer in Desinfektionsmittel: "Eigentlich sollte das nicht brennen, aber angenehm ist es wahrscheinlich trotzdem nicht."
Ich nickte. Er begann in kreisenden Bewegungen vorsichtig meine Wunde und Handinnenfläche zu säubern. Immer wenn er auch nur in die Nähe der Wundränder kam, zog der Schmerz erneut bis in meine Fingerspitzen und ich musste mich zusammenreißen, keine Faust zu machen. Ich konnte vor Schmerz keinen gleichmäßigen Atemzug machen. Es graute mir schon jetzt vor den Stichen, die mir bevor standen.
"Gut. Den ersten Teil hast du geschafft Sophia. Jetzt die Hand und die Finger bitte nicht mehr bewegen, damit die Wunde nicht wieder kontaminiert wird."
Ich sah auf meine Hand und die Wunde, die durch die Manipulation wieder etwas angefangen hatte zu bluten und nickte verängstigt. Bisher zeigte das Dormicum wenig Wirkung.