"Wir müssen ein Exempel statuieren!"
Teil 1: An Regeln muss man sich halten
Kapitel 1: An Regeln muss man sich halten
Hier kommen nur die Besten hin. Neben der nötigen Portion Talent ist Ehrgeiz, Fleiß und auch ein Stück weit Verzicht der Schlüssel zum sportlichen Erfolg. Doch die Jungs und Mädels wissen: Nur die Wenigsten jungen Erwachsenen werden den Sprung in den Profisport schaffen. Dieses österreichische Elite-Ski-Internat genießt den Ruf, eines der Besten seiner Art im ganzen Land zu sein. Die jungen Sportlerinnen und Sportler, die es bis hierhin geschafft haben, wissen aber auch um den enormen Stellenwert von Leistung und Disziplin. Selbst ein kleiner Fehltritt kann hier schon zu gefürchteten Konsequenzen fürchten, da Disziplin in Kombination mit Leistung das A und O ist.
Die Klingel des Internats schellt laut über den Gang. Nach dem morgendlichen Training im Kraftraum des Ski-Leistungszentrum steht für die Klasse von Frau Gruber die erste Unterrichtsstunde des heutigen Tages an. 6 Mädels und 6 Jungs – alles junge Erwachsene zwischen 18 und 19 Jahren, deren ehrgeiziges Ziel der baldige Sprung in die A-Nationalmannschaft ist. Julia, Emily und Lydia sind beste Freunde und kennen sich schon ewig. Sie haben von Kindesbeinen an alle Stufen in den Jugendmannschaften durchlaufen und kennen sich aufgrund der vielen gemeinsamen Zeit im Internat bestens. Auch in ihrer eng bemessenen Freizeit abseits des Skitrainings und der Schule teilen sie viele gemeinsame Momente, aber auch Sorgen, Nöte und Ängste. „Puuuh, mein Bauch grummelt schon wieder, ich glaub mir liegt unser kleiner kulinarischer Ausrutscher von gestern Abend immer noch ein bisschen im Magen“, flüstert Julia ihren beiden Freundinnen zu, bevor sie das Klassenzimmer betreten. „Ja, mir auch. Hoffentlich hat uns keiner mit dem Stück Torte gesehen, sonst sind wir erledigt. Entweder wir fliegen gleich raus oder die denken sich irgendwas zur Strafe für uns aus, woran ich noch gar nicht denken mag“, flüstert Lydia zurück. Am Ski-Internat herrscht für alle Sportlerinnen und Sportler strenge Ernährungsdisziplin. Kein Fast-Food, keine Süßigkeiten und auch sonst nichts, was ungesund ist. Doch die drei Mädels werden nach einem anstrengenden Trainingstag und der Einhaltung aller Regeln manchmal vom Heißhunger gepackt und besorgen sich „illegal“ eine süße Verführung. Gestern Abend hatte sich jeder der drei nach einem Ausflug in die Stadt in einem Café ein großes Stück Sahnetorte mitgenommen, welches sie dann in aller Heimlichkeit auf ihrem gemeinsamen Zimmer verspeisten. Ein Regelverstoß, der vermutlich hart geahndet würde, wenn ein Lehrer oder ein Trainer davon erfahren würde.
Die Biologie-Unterrichtsstunde begann wenig interessant, sodass Julia, Emily und Lydia und auch die übrigen Jungs und Mädels schon bald gedanklich abschalteten und gedankenverloren etwas auf ihre Schreibblöcke kritzelten. Plötzlich aber wurde die Tür des spärlich eingerichteten Klassenzimmers regelrecht aufgerissen und der Direktor betrat das Klassenzimmer mit einer noch recht jungen Frau, die mit einem Arztkittel bekleidet war und eine kleine Tasche dabeihatte. „Guten Tag, meine Damen und Herren“, begrüßte der Direktor seine Schülerinnen und Schüler in einem recht süffisanten Ton. Er ließ seine Blicke durch die Reihen schweifen: „Ich will nicht lange herumreden und gleich zum Punkt kommen. Wie ihr wisst, haben wir an unserem Ski-Internat die höchsten Ansprüche an uns selbst. Untrennbar damit verbunden sind Ehrgeiz, Fleiß und vor allem Disziplin. Wer Letztere hier nicht an den Tag legt, der bekommt es zu spüren. Denn nur so können wir gewährleisten, dass aus einem Fehltritt auch eine positive Entwicklung erwachsen kann“. Wieder ließ er seinen Blick durch die Reihen schweifen – diesmal noch langsamer als zuvor. „Dazu gehört auch die strenge Ernährungsdisziplin in unserem Haus. Drei von euch haben gestern Abend eine Regel gebrochen und sind vom Aufsichtspersonal dabei beobachtet worden, wie sie in aller Heimlichkeit auf dem Zimmer Kalorienbomben verzehrt haben. So groß wie die Tortenstücke waren, ist es außerdem nicht auszuschließen, dass die Kost noch schwer im Magen liegt und den Delinquentinnen etwas Unbehagen bereitet“, sprach der Direktor ernst. „Ihr drei, ihr habt jetzt die Gelegenheit, aufzustehen und euch zu eurem Fehler zu bekennen. Dann werden wir erklären, wie es mit euch weitergeht“.
Wie versteinert blickten die drei Mädels Julia, Emily und Lydia auf die Platte ihres Schultisches. Sie konnten selbst nicht glauben, was sie da gerade gehört hatten. Ertappt – so fühlten sie sich. Ratlos und verzweifelt, wie sie aus dieser Nummer wieder rauskommen sollten, stand den drei Mädels das Unausweichliche bevor. Sie mussten sich ergeben. Das Ganze hinauszuzögern, würde es vermutlich nur noch schlimmer machen. Julia, Emily und Lydia warfen sich verlegen einen Blick zu und standen schließlich langsam von ihren Stühlen auf. Man sah ihnen an, wie viel Überwindung ihnen das kostete. Sie wagten es nicht, den Direktor anzuschauen, sondern starrten schüchtern nach unten und verschränkten ihre Arme. „Na, das ging aber schnell. Aber ihr drei kommt ja eh nicht drumherum, deswegen ist es gut, dass ihr euch gleich zu erkennen gebt“, führte der Direktor aus, „wir können solche vermeintlichen Ausrutscher hier nicht ohne Weiteres durchgehen lassen. Meiner Meinung nach sind in letzter Zeit schon zu viele Fehltritte ohne Konsequenzen geblieben. Strafe muss sein! Deshalb werden wir heute an euch dreien ein Exempel statuieren, was allen hier eine Lehre sein sollte. Kommt schon mal nach vorne“. Ängstlich und wortlos gingen die drei 18- bzw. 19-jährigen Sportlerinnen langsam im Klassenzimmer nach vorne. Der Lehrertisch war in diesem Biologie-Raum eine große, mehrere Meter langgezogene Bank, die weiß gefliest war und normalerweise Platz für verschiedene Modelle und Unterrichtsutensilien bot. Ungewiss, was die drei in wenigen Minuten erwarten würde, nahmen sie Position vor dem langen Lehrertisch ein – vor sich hatten sie nun die restlichen drei Mädels und sechs Jungs der Klasse, die sie halb verwundert und halb neugierig anschauten.
„Begrüßen dürfen wir heute Frau Dr. Steiner, welche vor ein paar Jahren selbst noch Schülerin hier an unserem Ski-Internat war. Sie war sehr ehrgeizig, diszipliniert und sportlich auch erfolgreich. Jedoch hinderte sie eine Verletzung daran, ihre vielversprechende Skikarriere fortzusetzen. Sie schlug dann eine medizinische Laufbahn ein, hat im letzten Jahr promoviert und praktiziert ganz in der Nähe. Ich habe sie heute kurzerhand gebeten, herzukommen und eine Bio-Unterrichtsstunde der etwas anderen Art, sagen wir mal eher praktischer Art, abzuhalten. Wie wir nun wissen, haben Julia, Emily und Lydia gestern Abend jeweils ein großes Stück Sahnetorte verspeist, was vor allem im Magen-Darm-Trakt zu einigen Problemen führen kann. Da spielt es auch keine Rolle, ob man Sportler ist oder nicht. Frau Dr. Steiner wird bei euch drei Mädels nun gleich mal genauer nachschauen, ob euch euer Ausrutscher von gestern jetzt eventuell Verdauungsprobleme bereitet. Man kann ja nie wissen. Jedenfalls soll die ganze Klasse an dieser praktischen Bio-Stunde teilhaben und etwas lernen. Das Prozedere dient also nicht nur dazu, an den drei Mädels ein Exempel zu statuieren, sondern auch zu überprüfen, ob sich gesundheitliche Komplikationen ergeben haben. Aber ihr werdet es schon gleich sehen. Ich übergebe somit an Frau Dr. Steiner, sie ist auf die Fachbereiche Gynäkologie und Proktologie spezialisiert. Sie weiß, was zu tun ist und sie wird die Sache mit Frau Gruber denke ich gut im Griff haben“, so der Direktor, der den Klassenraum ebenso schnell wieder verließ, wie er reingekommen war.
holy shit! I can't wait for the rest of…
Sehr schön geschrieben, es macht neugie…