Festivalgewitter mit Folgen
Nick
Danke ihr Lieben, für die vielen Likes. Freut mich sehr, dass die Geschichte euch so gut gefällt. Ich freu mich auch immer über Kommentare oder Fragen etc.
Viel Spaß beim Weiterlesen 😉
"Wie bitte? Du willst das nähen?", stieß ich ungläubig hervor.
"Ja Sophia, das muss gespült und dann genäht werden. Gewebekleber und Steristrips halten da nicht vernünftig und du willst ja keine riesen Narbe in ein paar Wochen haben oder?"
"Nein, aber…", ich war geschockt, das meinte er wirklich ernst. Mit meinem medizinischen Vorwissen hätte ich da eigentlich selbst schon längst drauf kommen müssen, dass das definitiv eine Wunde war, die genäht werden musste und zwar möglichst zeitnah. Wahrscheinlich wollte ich es aus Angst nur bisher nicht wahr haben wollen. Außerdem war es mir ein Rätsel, woher er das Nähen überhaupt beherrschte, denn normalerweise gehört das nicht zu den Aufgaben eines Notfallsanitäters, aber vielleicht war das bei der Bundeswehr ja anders?
"Sophia, bitte vertrau mir", unterbrach Lean meine Gedanken.
"Aber hast du denn alles dafür hier? Und woher kannst du das überhaupt? Das ist als NFS ja nicht gerade üblich."
"Ja, das nötige sterile Material haben wir da. Da hast du recht, üblich ist das nicht. Ich habe lange Zeit mit unserem Chirurgen zusammengearbeitet, der auf Handchirurgie spezialisiert ist. Er ist ein ziemlich begabter, aber fauler Mensch, sodass er mir schnell die Basics beigebracht hat, um mir die Arbeit überlassen zu können. Ich habe wirklich schon viele Handverletzungen genäht, vertrau mir."
Und wieder fand ich mich in einer Situation wieder, in der ich eigentlich gar keine andere Wahl hatte, als Lean zu vertrauen. Denn bis ich von hier irgendwo im Krankenhaus war und die Wunde versorgt werden würde, wären die 6 Stunden sicherlich rum und dann wäre es zu spät fürs Nähen.
Also nahm ich einen tiefen Atemzug und antwortete Lean: "Okay, ich vertrau dir."
Von draußen hörte ich plötzlich Schritte näherkommen und eine männliche Stimme fragen: "Lean, alles okay?"
"Ja, Moment, wir haben Besuch", antwortete er.
"Okay."
"Sophia, das ist Nick, mein Zeltmitbewohner, bester Freund und ebenfalls Notfallsanitäter bei der Bundeswehr. Ich werde gleich seine Hilfe brauchen. Darf er reinkommen?"
Auch das noch. Dann hatte ich gleich vermutlich zwei Notfallsanitäter neben mir sitzen, die an mir rumdokterten. Aber ich konnte ihm ja wohl eh nicht verwehren, sein eigenes Zelt zu betreten und wenn Lean sowieso gleich Unterstützung brauchte. Ich nickte also.
"Ja Nick, komm rein. Ich erzähl dir, was passiert ist."
Ich hörte, wie sich der Reißverschluss des Zeltes öffnete und sah, wie ein weiterer Mann in Feldanzug das Zelt betrat. 'Na super', dachte ich. Noch so einer in Bundeswehrmontur, als wäre einer davon nicht respekteinflößend genug gewesen.
"Hi, ich bin Nick", sagte er mit freundlicher Stimme und schien erstaunlich unbeeindruckt von der vorgefundenen Situation.
"Sophia, hi", schmunzelte ich ihm etwas verlegen entgegen.
Er machte den Reißverschluss hinter sich wieder zu. Erst jetzt bemerkte ich die einströmende Kälte. Offenbar hatten Lean und ich durch unsere Körperwärme das Zeltinnere zumindest ein bisschen aufgewärmt gehabt.
"Hey Nick, gut, dass du da bist. Geht's dir gut?"
"Ja, alles bestens. Aber was ist denn bei euch passiert? Jetzt verstehe ich deine SMS."
"Kurz nachdem wir uns getrennt haben und die Sanitätsstation meine Hilfe nicht wollte, bin ich zurück hierher. Auf dem Weg habe ich Sophia in einem Vorzelt kauern sehen. Sie hat sich in der Massenpanik diese Schnittverletzung zugezogen und ist etwas dehydriert und unterkühlt gewesen. Blutdruck initial bei 95/60, Frequenz 93. Apropos dehydriert, mal schauen, wie weit die Infusion mittlerweile durchgelaufen ist. Wir mussten etwas kreativ werden, weil die Infusionslösung zu kalt war."
Lean zog die Handschuhe aus und griff nach der Infusion unter seinem Feldanzug. "Die dürfte jetzt warm genug sein. Kannst du die bitte wieder aufhängen und voll aufdrehen, Nick? Sag bescheid, falls es doch noch zu kalt sein sollte Sophia."
Gekonnt hing Nick die Infusion wieder an die Zeltdecke und drehte die Tropfrate voll auf. Lean hatte recht, jetzt war sie offenbar warm genug, denn ich spürte nichts davon, dass die Infusion nun im Schuss in meine Vene lief. Die gerade noch zu etwa 1/3 volle Infusionsflasche war nun fast leer.
"Hier Nick, danach kannst du direkt mal das Paracetamol anschließen und dann die zweite Infusion", Lean reichte das kleine Paracetamolfläschchen und den zweiten Infusionsbeutel, den er offenbar ebenfalls unter seinem T-shirt angewärmt hatte, ohne das ich es mitbekommen hatte, an Nick. Der sich den Beutel ebenfalls wieder unter seine Feldanzug steckte. Irgendwie ein lustiges Schauspiel.