Der Nachbar ist Zeuge
Letzter Akt
Also hockt unsere arme Sandrine nun am äußersten Ende der Badewanne über der dort platzierten und uns (und ihr) schon wohlbekannten Schüssel und hat dabei einen nahezu epischen Kampf zu kämpfen. Gegen die Krämpfe, die in ihrem geblähten Bäuchlein wüten, gegen den Drang, die quälende Flüssigkeit und all das andere in ihr endlich zu entlassen – und zugleich gegen ihren Stolz und ihre Scham. In ihr wüten archaische Reflexe und Selbstachtung, sie ringen miteinander, und wir alle wissen, wer am Ende als Sieger vom Platz geht (oder eben als Geschlagene die Badewanne verlässt).
Wir können es hier getrost noch einmal wiederholen: Vor Stunden noch war sie die züchtige, arglose, junge Frau, die eine anstrengende Reise hinter sich gebracht hatte, um ihre Tante für ein paar Tage zu besuchen. Und nun hockt sie nackt vor eben dieser Tante und einem wildfremden Mann, den nichts mehr für seine Anwesenheit auszeichnet als zufällig ein Nachbar zu sein, in dieser weißen Badewanne und soll sich wie ein kleines Mädchen auf einem Töpfchen vor zweierlei Augenpaar entleeren. Das geht über ihr Vorstellungsvermögen, auch wenn das alles mit Vorstellen herzlich wenig zu tun hat.
Ich höre Frau Winterschwang, schon wieder oder vielmehr weiterhin ungeduldig sagen: "Sandrine, Du weißt, warum Dein Schließmuskel auch Hinterausgang genannt wird? Ja? Weil er dafür da ist, etwas herauszulassen! Also zier Dich nicht weiter. Unser Nachbar hat sicherlich nicht endlos Zeit. Wir dürfen ihm dankbar sein, dass er überhaupt zu uns herübergekommen ist, um mich und damit Dich zu unterstützen. Nun wollen wir ihn auf das allerwerteste Schauspiel nicht warten lassen."
Ob es dieser Worte noch bedurft hätte oder ob die Physiologie nicht schon längst das Zepter über die Rosette der Angesprochenen übernommen hat, soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Denn der Muskelring entlässt ohne Ankündigung plötzlich einen dünnen Strahl, der noch schüchtern leise das Behältnis unter ihren klaffenden Pobacken trifft, dann – Sandrine hat eine Hand längst vor ihr Gesicht geschlagen – ein weiterer, schon kräftigerer Strahl, dann endlich wölbt sich das Zentrum unseres Interesses zu einem Krater, und die zuvor so sorgfältig applizierte Flüssigkeit schießt energisch und reichlich braun gefärbt hervor, sekundenlang läuft und spritzt es, bis sich das Hinterpförtlein kurz zurückzieht, wieder verkniffen Widerstand leistet für einen Augenblick, um dann noch kraftvoller und unter stöhnend-angestrengter Anspannung erneut nach außen zu stoßen und mehr von der degoutanten Brühe auszustoßen.
Es entwickelt sich ein auf geheimnisvollen Regeln basierender Rhythmus aus Stöhnen, Zischen und Platschen, unterbrochen von Stille oder von explosionsartigen Geräuschen, wenn Luft sprühend-spritzend und furzend entweicht und die bis ins Mark verzweifelt verschämte Verursacherin dazu wimmern lässt. Unterbrochen, nein, begleitet auch von herrischen Rufen wie "Drück ordentlich weiter!", "Du bist noch lange nicht leer!", "Konzentriere Dich!", "Nur jetzt nicht nachlassen!" und "Keine falsche Scham, es ist nur für Dein Bestes!", die überdeutlich von den Badezimmerfliesen reflektiert werden.
Wir wollen uns den Blick von der zugegeben unappetitlichen Verrichtung hier nicht ersparen, ist sie doch das angestrebte und einzige Ziel all der Winterschwangschen Bemühungen und war mir doch von Beginn an offenbar die Rolle des genau hinschauenden Zeugens zugeteilt. Also sehen wir, wie sich in die in Richtung Schüssel weisenden Fontänen immer häufiger glitschig-kompaktere Masse beimischt, zwischendurch sich auch mehrmals etwas Längliches herausringelt, in Breiiges übergeht und endlich nur noch unbedeutende Spritzer Sandrines Darm verlassen. Auch wir sind etwas abgestoßen von diesem Unrat, der das Licht des Badezimmers erblickt und sich übel riechend in der Schüssel sammelt, doch angezogen von der psychologischen Komponente der Handlung.
"War es das? Kommt nichts mehr?", will die Tante schließlich wissen, nachdem sie einige Augenblicke der fruchtlos bemühten Schließmuskel-Peristaltik zugeschaut und sich erneut Gummihandschuhe übergestreift hat. "Können wir mit dem Resultat zufrieden sein?" Ohne eine Antwort abzuwarten, nimmt sie demonstrativ naserümpfend die Schüssel und leert sie nach einem kurzen Inspektionsblick in die Toilette aus.
Derweil soll ich die nun gewissermaßen ins Leere hockende Nichte nach Anweisung ("Konzentrieren Sie sich vor allem auf die schmutzige Stelle.") mit der Duschbrause säubern. Spüre ich, während ich mich ein letztes Mal ausgiebig ihrem nun in allen Belangen vertrauten After nähern kann, so etwas wie Erleichterung bei Sandrine? Nicht die vom Einlauf erzwungene Erleichterung, auch nicht die Erleichterung, die ihr auferlegten Prüfungen könnten nun zu Ende sein, sondern die Erleichterung von sämtlichen Hemmungen erlöst worden zu sein, die sie blockierten und möglicherweise ihre klandestinsten Wünsche unterdrückten. Ich frage sie nicht, während ich damit beschäftigt bin, nach ausführlicher Waschung der Analregion sie auch zwischen den Schenkeln und ihre Beine und Füße abzubrausen.
Als Sandrine abgetrocknet, aber immer noch nackt auf der Liege sitzt, tut sie alles, unseren Blicken auszuweichen. Nur noch der eigentümliche Geruch im Raum verrät das Geschehene, doch ihr ist schreiend bewusst, wie sehr sie sich vor uns hat gehen lassen. Sie hält den Kopf gesenkt, ihre Zehen zucken und ab und zu schluckt sie. Aber als ihr Frau Winterschwang eröffnet, noch einmal Fiebermessen zu müssen, weil all das Verstockte in ihr, all die Faeces in ihrem Darm beim ersten Mal das Messergebnis verfälscht haben könnten, schaut sie doch auf und etwas Unergründliches blitzt in ihren Augen. Mehr noch, mir scheint, sie sich würde ein Spur zu schnell in die angeordnete Vierfüßlerstellung begeben und eine Spur zu bereitwillig ihren Po herausstrecken. Aber natürlich kann ich mich täuschen, und ich sehe etwas, was ich sehen will. Dazu gehört, noch mitzubekommen, wie zuerst die silbrige Spitze des Thermometers und dann sein halber Korpus in ihren zuvor mit Vaseline gefetteten Anus eindringt, wie Sandrine nahezu unhörbar gegen den Eindringling protestiert und wie die Tante sie darüber informiert, dass sie im Anschluss zwei Zäpfchen bekäme. Eines für die Darmgesundheit und eines – wenn noch notwendig – gegen das Fieber. Danach dürfe sie ins Bett und sich Gedanken machen, wie sie in Zukunft mehr auf sich und ihre Darmhygiene achten könne.
Mich entlässt Frau Winterschwang im gleichen Atemzug. Es gäbe hier nichts mehr für mich zu tun, sie käme nun allein zurecht, und ich wüsste ja, wo die Wohnungstür sei. Allerdings solle sich Sandrine noch artig für das Geleistete bei mir bedanken. Und also muss die nackte und von einem Thermometer penetrierte Frau mir auf allen Vieren eine Hand reichen und folgsam ein "Dankeschön" hauchen. "Viel Glück", fährt es mir über die Lippen und fast hätte ich noch "Es war mir ein Vergnügen" gesagt.
Im Folgenden beziehe ich immer dann, wenn ich zu Hause bin und Stimmen in der Nachbarwohnung höre, meinen Ausguck. Hoffnungsvoll, gierig, lüstern tue ich es und tatsächlich komme ich noch in den Genuss einiger Extra-Zugaben. Der Bambus kommt noch einmal im nachbarlichen Wohnzimmer zum Einsatz, ohne dass sich mir der Anlass dazu erschließt, auch das Thermometer und einmal nach einer Zäpfchengabe eine frisch von Kennerhand in Form geschnittene Ingwerwurzel. Was sich im Schlafzimmer, geschweige denn im Bad vollzieht, entzieht sich naturgemäß meiner Kenntnis, jedoch ist anzunehmen, dass bei der peniblen Winterschwangschen Strenge und Fürsorglichkeit dem Bambus und der Ingwerwurzel etwas "Unhygienisches" vorausgegangen sein muss.