Der Nachbar ist Zeuge
Akt 7
Und nun? Ist Frau Winterschwang zufrieden mit meinem Werk? Sollte ich nicht vielleicht den Sitz des Darmrohres etwas nachjustieren? Es noch ein Zentimeterchen tiefer in den Darm schieben, damit es besser sitzt? Probeweise folge ich meiner Intuition, sehe, wie der schwarze Kunststoff mit Nachdruck weiter durch den aparten Strahlenkranz gleitet, wie er fast vollständig verschwindet und es so wirkt, als ob nur noch der rote Gummischlauch aus ihrem Hintern streben würde, als ob die Schlange kopflos geworden wäre. "Was für ein Bild", denke ich, "eines Malers, eines Fotografen würdig, und wert, festgehalten zu werden" – was, wie ich beiläufig bemerke, ich mit meinen Händen durchaus eifrig tue. Die rechte Hand, einerseits, hält die elastische Röhre in die Höhe, hält Verbindung zum in Teleskopständerhöhen wartenden, pratzprallen Beutel, die linke Hand andererseits, ganz nah an Sandrines penetrierter Seelenpforte, hält die Stellung der schwarzen Kanüle, wacht über ihren korrekten Sitz, antwortet auf peristaltischen Druck mit Gegendruck.
Frau Winterschwang aber, die sich nicht mit meinem Werk, sondern einzig und allein mit dem Attentat auf ihr Sauberkeitsbedürfnis beschäftigt, befiehlt ihrer Nichte, ihre Beine exakt so gespreizt und in die Höhe gestreckt zu halten, auch wenn sie gleich loslasse, "damit ich das Resultat Deiner Tölpelei, Deiner Nichtachtsamkeit beseitigen kann. Unser Nachbar darf sich derweil vorübergehend vom Anblick Deiner ungezogenen Rosette lösen und die Schlauchklemme öffnen. Du willst doch auch, dass wir hier vorankommen und Du von Deinem Problem endgültig befreit wirst, oder?"
"Ja, Tante", fiepst es leise zurück.
"Ich verstehe Dich schlecht. Was möchtest Du?
"Ich… ich… ich möchte von meinem Problem befreit werden…"
"Und was ist das für ein Problem?"
"Mein schlechtes Benehmen… dass ich nicht folgsam bin… dass ich nicht genügend auf mich achte… dass ich mir zu wenig Mühe gebe…"
Immer hastiger stößt Sandrine die Halbsätze hervor, in der Hoffnung, ich, der Fremde, der Eindringling (im zweifachen Sinne), würde von all dem nichts verstehen, würde den Kern all dessen nicht durchdringen. Doch ihre Tante lässt nicht locker, während sie sich Einmalhandschuhe aus der "Tasche der Gründlichkeit" überzieht und einigermaßen aufgesetzt mit spitzen Fingern das Kotbröckchen von der Liege entfernt. Gleichsam in einer einzigen fließenden Bewegung, die wir der resoluten Frau kaum zugetraut hätten, verschwindet die zur unrechten Zeit hervorgestoßene braune Masse des Anstoßes in der Toilette, sind die mit diesem Unflat in Berührung gekommenen Handschuhe verschwunden und die Fußfesseln der ausgelieferten Nichte wieder umfasst.
"Oh ja, Du bist auf dem Pfad der Selbsterkenntnis! Aber wobei gibst Du Dir zu wenig Mühe?"
"…mich sauber zu halten…" – leiser – "…reinlich zu sein…" – noch leiser, schon nicht mehr als gehaucht: "…auf einen regelmäßigen…" – Pause, zittrig Anlauf nehmend, mit geschlossenen Augen tonlos herauswürgend: "…Stuhlgang zu achten."
"Und das hast Du nicht getan?"
"Ja, Tante, das habe ich nicht getan."
"Weshalb Du jetzt brav Deinen Einlauf empfängst."
Das ist mein Stichwort, so ist anzunehmen, und ohne die weitere Choreografie mit der hygieneversessenen Tante einstudiert zu haben, löse ich die Klemme, lasse die seifigen, reizend-reinigenden Fluten strömen.
"Und mit brav meine ich brav, meine ich pflichtschuldig, meine ich dankbar. Du wirst den Inhalt des Beutels dort ohne zu zappeln bis zum letzten Tropfen in Dich aufnehmen. Du wirst Dich konzentrieren…"
Wir sehen nicht, wie sich die beißende Flüssigkeit ihren Weg bahnt, wie sie sich Eingang verschafft, wie sie füllt und löst und dehnt und aufweicht und sich mit dem mächtigen Gesetz der Schwerkraft immer mehr Platz verschafft. Wir sehen es nicht, aber wir sehen, wie sich bei solcher elementaren Gewalt die Augen der Nichte verengen, wie sich ihr Gesicht ungläubig verzieht, wie sich ihre Hände zu Fäusten verkrampfen, wie ihr Blick nach innen geht, wie sich ihre Gedanken auf den einen verzweifelten Gedanken verengen – dem in ihr entfesselten, purgatorischen Drang Widerstand zu leisten.
"…Du wirst Dich konzentrieren, sage ich", psalmoniert es derweil weiter von oben auf die nackte Gespreizte herab. "Sei dankbar für das Gute, das Dir widerfährt. Sogar ein Dir Unbekannter nimmt sich die Zeit für Dich, um Dir zu helfen, ist das nicht erstaunlich? Bedank Dich bei ihm!"
Sie bedankt sich leise bei mir mit immer noch verschlossenen Augen.
"Schau Deinen Wohltäter gefälligst an, wenn Du Dich bedankst."
Sie öffnet die Augen - wie schwer ihr das fällt, wie unangenehm ihr das ist, mich direkt anzuschauen und danke zu sagen in dieser für sie unendlich unsäglichen Situation.
Je mehr derweil das flüssigkeitsspendende Behältnis erschlafft, desto mehr wölbt sich der Bauch der Irrigierten, desto mehr presst sich der hilflose Schließmuskel um das Darmrohr, desto mehr japst und hechelt und windet es.
"Nimm es an, nimm es auf, sei erfüllt von der Gabe, die Dir verabreicht wird und gebe Dich hingebungsvoll und diszipliniert dem Unvermeintlichen hin. Denn Sauberkeit ist der Spiegel Deiner Disziplin."
Kurz, nach einem auffordernden Nicken Frau Winterschwangs, schließe ich die Schlauchklemme und bin mir nicht sicher, ob dies als Atempause für die Nichte zu verstehen ist oder als hinterhältige Verlängerung des Gefühls der Bedrängnis, welches die Seifenlauge im Gedärm der Klistierten längst ausgelöst hat.
Dann ist es vorbei, der Einlaufbeutel leer, Frau Winterschwang am Ende ihrer Predigt. Aber was heißt schon "vorbei"? Mir, uns zum Wohlgefallen, hören wir die Anordnung, dass das Klistier noch fünf Minuten Zeit für die vollständige Entfaltung seiner Wirkung bekommen solle und so lange das Darmrohr in ihrem After stecken zu bleiben habe. "Aber Du darfst Dich jetzt auf der Liege ausstrecken und Dich auf die Seite legen."
Das Gesicht der Nichte ist gerötet, ihre Lippen zittern, sie atmet, als sei sie gerannt. Wir sehen das nur flüchtig, weil sie sich schnell von uns wegdreht, dabei einen Arm schützend vor sich hält, obwohl ihre langen, roten Haare schon ihr Gesicht bedecken. Was sie nun fühlt? Ihr Gedärm, das ist sicher, das Rumoren, das Zwicken und Zwängen am Hinterausgang, den unwiderstehliche Drang – aber auch immer noch Scham?
Ist Scham etwas, was sich irgendwann aufbraucht? Immerhin sind dieser prüden und naiv-unschuldigen Frau doch schon einige Prüfungen ihrer Selbstachtung auferlegt worden, finden wir. Sicher ist sie über alle für sie nur denkbaren Grenzen gegangen, hat sich im Moment der Schwäche, nach anstrengender Reise und fiebrigem Kopf, von der besorgt gebenden Tante überrumpeln und rascher, als wir es vermuten und ehrlicherweise auch erhoffen konnten, unterwerfen lassen. Nun also liegt sie nackt und noch immer auf ihre Restwürde bedacht auf dieser handtuchbelegten Liege, einen Einlaufschlauch in ihrem Poloch und bis zur Grenze der Erträglichkeit gefüllt mit abführender Lauge. Schlimmer noch: Ein für sie wildfremder Mann war im letzten Akt anwesend, hat sie inspizieren und Hand an sie legen dürfen. Und – das muss sie in Anbetracht all dessen, was ihre Tante ihr heute angetan hat, befürchten – wird das Bad auch nicht verlassen, wenn sie sich entleeren wird. Geht dies alles über die Grenzen ihrer Scham hinaus, oder hat sich nicht längst ein weiteres, nicht minder starkes Gefühl eingemischt, welches ja schon beim Einführen des Klistierrohres sichtbar wurde: Das der Erregung, eine durch Scham provozierte Erregung.
"Tante…? Bitte…"
"Noch zwei Minuten. Ich muss nicht auf die Uhr gucken, ich weiß, dass die Zeit noch nicht herum ist."
"Aber, Tante…"
"Hier gibt es kein aber! Zwei Minuten und keine Sekunde weniger!"
"Ooooh, aber es tut so weh."
"Tja, wärst Du nicht so dumm gewesen und hättest Du rechtzeitig mehr auf Dich geachtet, wäre Dir das erspart geblieben. Noch eine Minute."
Noch eine Minute. Das sagt sich so leicht. Aber wenn die Not groß ist, wird sie, wir können es uns vorstellen, zur Qual. Zu einer möglicherweise so großen Qual, dass ihr alles egal wird. Aber wirklich alles?
"Oooooh, ooooh, ich kann nicht mehr… ich kaaaann nicht mehr!!!"
Strampeln, zappeln, Zehen, die sich biegen, ein ganzer Körper, der sich windet und eine unerbittliche Frau Winterschwang, die daneben steht und ihre Prinzipien hat. Langsam zählt sie rückwärts: zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, eins.
"Die Zeit ist um. Unser Nachbar wird Dir jetzt die Klistierkanüle aus dem Darm ziehen, und ich gehe davon aus, dass er kein einziges vorzeitiges Tröpfchen sehen möchte. Du hast ihn vorhin ja schon so unartig mit Deinem Unrat überrascht. Gelingt Dir das nicht, stöpsel ich Dich höchstpersönlich und dann verlängert sich Deine Wartezeit um weitere zehn Minuten! Also, enttäusch uns nicht, denn dann darfst Du Dich sofort in die Badewanne hocken und dort erleichtern."
Trotz aller Dringlichkeit, höre ich Sandrine, während ich ihr langsam und ein wenig wehmütig den vormals schwarzen und nun kotig verschmutzten Schlangenkopf aus ihrem Schließmuskel ziehe, fragen: "Allein?"
Und ich höre die Tante spöttisch lachen: "Was glaubst Du denn! 'Allein'… dass ich nicht lache."
Wann können wir hier denn mit einer For…
Der nächste Akt, die Spannung steigt, d…