Allgemeine Feststellung der Wehrdienstfähigkeit (Teil 5 in der Stammeinheit)

Allgemeine Feststellung der Wehrdienstfähigkeit (Teil 5 Stammeinheit)

n der Stammeinheit

Friedrich hatte durch seinen Einspruch, den Abiturenten-Einzug (01.07.) verpasst, das bedeutete drei Monate Grundausbildung, drei Monate von Ausbildern herumkommandieren lassen, die wohl nur die Hälfte seines IQ hatten. Drei Monate Gängelung, wann er aufstehen, duschen, essen muss. Drei Monate der Willkür der Ausbilder ausgesetzt, die wenn sie dich auf dem Kieker hatten, dich zum Nachreinigen schicken und dich länger in der Kaserne halten konnten – so sauber kannst du alte Spinde und Stuben nicht putzen, dass ein Ausbilder nicht ein Stäubchen finden könnte. Friedrich hatte einen Hass auf seinen Vater entwickelt, er wusste doch Bescheid, warum lies er ihn so ins Messer laufen? Um von seinen Vater unabhängig zu werden – sechsfacher Lohn – und wenig Möglichkeiten etwas auszugeben, da kann er schon etwas zur Seite legen für sein anschließendes Studium, beschloss er sich für zwei Jahre zu verpflichten. Damit wollte er das kleinere Übel wählen und hier als Ausbilder zu bleiben -statt zu den Pionieren. Das wurde ihm von seinem S1 Personaloffizier als die wahrscheinlichste Option auch zugesagt. Am letzte Tag erhält Friedrich den Marschbefehl für seine Stammeinheit Ingolstadt, Pioniere! Der S1 Personaloffizier war schon im Wochenende, ein Kamerad aus dem Geschäftszimmer erklärte ihm noch, dass es wohl schwerverletzte Kameraden bei den Pionieren gegeben hätte, bei Übungen die mit Baumfällarbeiten durchgeführt wurden, und er ist einer der ganz Wenigen, die Erfahrungen in diesem Bereich hätten.

Friedrich war am Boden, aber es soll ja in der Stammeinheit alles lockerer zugehen, nur noch Gammeldienst – die Zeit absitzen. Der Empfang auf der Stube war für die beiden Neuen wenig freundlich, für Friedrich noch unfreundlicher, weil er sich als Z2 verpflichtet hatte und einen „von“ wollten die vier Zimmergenossen schon gar nicht auf ihrer Stube haben. Am zweiten Tag Antreten im Trainingsanzug, Abmarsch in den Sanbereich. Im Geschäftszimmer sitzen zwei männliche Rekruten im selben Alter. Der Eingangsbereich füllt sich, zum Schluss treten ca. 30 Mann im 1. Stock an, hier nur weibliches Sanpersonal und eine unsympathische Oberstabsärztin. Dann der Befehl des Unteroffiziers: „Vollständig ausziehen, mit Ausnahme der Socken, die Kleidung legen sie hinter sich ab, das Hemd mit Namensschild liegt oben auf!“ Was sollte das, die Musterung war nicht mal sieben Monate, die Eingangsuntersuchung etwas mehr als drei Monate her. Welcher gesundheitliche Status verändert sich in drei Monaten? Dieser Gedanke ging wohl allen durch den Kopf, weil sich keiner rührte und ein Flur als Umkleideraum, fühlt sich unangenehm offen an. Die Oberstabsärztin tritt heraus: „Den Hörtest haben sie doch alle bestanden. Ausziehen! Wir haben heute noch zwei weitere Gruppen zu untersuchen!“ Wieder der gleiche erniedrigende Ablauf eine kompletten körperlichen Untersuchung, vor ausschließlich weiblichen Sanpersonal. Bei Friedrich stellte sich keine Gewöhnung ein, der barsche Ton der Ärztin und das süffisante Grinsen des Sanpersonals; als ob sie sich darüber amüsierten, über das schamhaften Verhalten der jungen Männer, die es offensichtlich nicht gewohnt waren, dass hier im Sanbereich die Frauen die Befehle gaben.

Die Meinung von Friedrich über seine Ausbilder war nicht von Arroganz geprägt, sondern von seinen Erfahrungen - ein Beispiel: bei der Schießausbildung mit dem G3 mit Übungsmunition, sitzt der Ausbilder links, er setzt ein Gerät mit halbtransparenten Spiegel auf um zu sehen, ob richtig anvisiert wird. Als Friedrich an der Reihe ist und sagt, dass er Linkshänder ist, steckt der Ausbilder seinen Spiegel um, und nimmt mit seinem Stuhl auf der anderen Seite platz. Er soll anvisieren und erhält den Befehl 'Feuer frei'. Friedrich drückt ab und der Ausbilder liegt fluchend am Boden. Er hatte außer Acht gelassen, dass er zwar seinen Spiegel und Stuhl auf die andere Seite nehmen kann, der Hülsenauswurf bleibt aber rechts. Dank Übungsmunition ist nichts Größeres passiert, aber trotzdem muss er sich anbrüllen lassen, obwohl er alle Anweisungen des Stabsunteroffiziers befolgt hatte. Friedrich dachte nur: 'Ich bin doch sicherlich nicht der erste Linkshänder der hier eine Schussausbildung erhält?'

Aber dieser geistige Tiefflieger führt den Zug am nächsten Morgen zur Schwimmausbildung. Das Hallenbad ist relativ modern, liegt vor der Kaserne und wird auch von der Gemeinde genutzt. Alle Mann ziehen sich um, als sie den Duschbereich betreten ist noch eine weibliche Reinigungskraft am arbeiten. Etwas zögerlich beginnen die ersten zu duschen, dann der gebrüllte Befehl: „Ausziehen, wir wollen hier keine Sauerei im Becken haben!“ Die Bademeisterin kommt herein: „Sie sind schon zehn Minuten über der Zeit, wir haben danach eine Schulklasse.......und gut, dass sie das sagen, wir achten auf Hygiene im Schwimmbereich! Dass man die Jungs darauf aufmerksam machen muss, da ist in der Erziehung wohl einiges schief gegangen.“ Mit ihrer Erziehung ist natürlich nichts schief gegangen, sie bleib neben den Ausbilder stehen und betrachtet die 50 jungen Männer beim Nacktduschen. „Zum Schluss, Vorhaut zurückziehen säubern, anschließend den Analbereich waschen!“ Dann wird der Freischwimmer abgelegt, „Mutsprung“ aus einem Meter und eine halbe Stunde schwimmen ohne sich am Beckenrand festzuhalten.

Danach treffen sie wieder auf die Putzfrau, niemand zieht beim Abduschen seine Badehose aus. Der Ausbilder sitzt schon in der Umkleide: „Ausziehen und abtrocknen im Nassbereich, der Umkleidebereich bleibt trocken, nicht dass einer ausrutscht und sich ein Aua macht! Keine falsche Scham, seid froh, dass jemand euren Dreck weg macht!“ Also legen sie wohl oder übel wieder einen Strip vor der Putzfrau hin. Den meisten war es nicht egal, warum dürfen andere über dein individuelles Schamempfinden entscheiden. Natürlich gewöhnt man sich an die Gemeinschaftsduschen, auch wenn man sich immer beobachtet fühlt, weil natürlich die Kameraden die anstehen schauen ob schon eine Duschkopf frei geworden ist; und natürlich schauen die Kameraden nicht nach unten auf die Füße und nicht in die Augen, sondern auf die Körpermitte. Aber da sind wir alle gleich und damit war es erträglich. Unter Aufsicht eines Vorgesetzten mit einfachsten Charakter zu duschen, verstärkte das unangenehme Gefühl.

Einige Tage später, antreten im Trainingsanzug und Abmarsch in den Sanbereich. Erster Stock, antreten in alphabetischer Reihenfolge, drei offene Behandlungsräume mit jeweils drei jungen Sanitäterinnen. Die unfreundliche Oberstabsärztin trat heraus und legte los: „Wir führen heute Auffrischung der Tetanusimpfung durch. Dazu treten sie an den Tisch heran, ziehen ihre Hosen bis zu den Knie herunter, nennen sie ihren Namen, danach treten sie an die erhöhte Liege heran, übertreten sie nicht die Markierung auf dem Boden, die Genitalien dürfen die Liege nicht berühren, der nachfolgende Soldat, tritt an den Tisch heran und macht sich frei. An der Liege ruht ihr nahezu gesamtes Gewicht auf den Unterarmen, das verbleibende Gewicht ruht auf dem linken Fuß, der rechte Gesäßmuskel ist vollkommen entspannt! Wir spritzen in den oberen äußeren Quadranten. Keine höhere körperliche Betätigung innerhalb der nächsten 24 Stunden. Fragen?“ Immer zwei Stubenbelegungen nahmen Aufstellung vor einem Eingang. Im Behandlungsraum waren die Faltwände zurück gefahren, so dass alle Eingänge in den selben großen Raum mündeten. Freier Blick für alle auf diese wunderbar knackigen Männerhintern. Eine Gefreite desinfizierte, die zweite knetete die rechte Pobacke um zu prüfen ob der Gesäßmuskel entspannt ist und verabreichte die Spritze.

Irgendwie fragte sich Friedrich, ob die Verletzung der Intimzone zum Pflichtprogramm erklärt wurde. Ab 16 erhielt Friedrich alle Impfungen in den Oberarm, und hier dieser Ablauf. Hose runter und Namen nennen, natürlich schauten die Damen auf die Genitalien, es fühlte sich so an, dass nicht er, sondern sein Schwanz sich vorstellte. Bei dieser Impfung war er nur Genitalien und Arsch.

Die unfähigen Ausbilder und das rücksichtslose San-Personal, aber das Schlimmste waren die „Kameraden“. Als Aufnahmeritual, mit zugebundenen Augen einen Ast durch-hacken, für Friedrich kein Problem, nur als er die Augenbinde abnimmt, haben die Kameraden sein Barett aufgelegt, da kann er sich morgen schon mal den ersten Anschiss beim Morgenapell abholen. Auch sehr schön „Eckelbier trinken, die Flasche macht die Runde und jeder aus der Stube gibt etwas hinein, Zigarettenasche, Regenwürmer, Dreck oder Rotz....Bei der letzten „Übung“ soll es nur um Kraft gehen: Friedrich werden die Augen verbunden, er muss sich hinlegen, einer hält die Beine fest, und einer drückt mir den Händen die Schultern Richtung Boden. Er soll mit seinen Bauchmuskeln zwei Minuten dagegen halten, ohne sich ganz herunter drücken zu lassen. Es geht los, der Druck wird höher, er wir angefeuert 'du hast es fast geschafft', dann wird er ohne Vorwarnung losgelassen und stößt mit seinem Kopf, seiner Nase auf etwas Weiches. Die Augenbinde wird ihm abgenommen, der Stubenälteste hatte seine Hosen heruntergezogen und war über ihn in Hockstellung gegangen. Friedrich hatte seine Nase in seine Arschspalte gerammt. Es ekelt Friedrich so an, dass er das letzte Ekelbier, und damit die feierliche Aufnahme in die Stubengemeinschaft verweigert. Er wäscht sich und verzieht sich unter üblen Beschimpfungen in sein Bett.

Damit gilt er nicht als aufgenommen und der Stubenälteste lässt ihm das die nächsten Monate spüren mit immer wieder neuen Schikanen. Kurz vor dem Wecken wird ihm ein Schuhputzbeutel über den Kopf gezogen, er wird in den Duschraum geschleppt, die Hose heruntergezogen und sein Hinterteil mit schwarzer Schuhcreme eingerieben, danach werden seine Hände und Beine mit seinem Schlafanzug -ober- und unterteil gefesselt. Er kann sich befreien, dabei vergeht aber genug Zeit, dass die Täter locker wieder in ihren Betten verschwinden können. Kaum ist er wieder auf der Stube ertönt der Weckruf, Friedrich beeilt sich um als Erster im Duschraum zu sein – aber nein, nahezu der ganze Zug ist bereits versammelt und unter dem Gejohle der Anderen kann er versuchen die schwarze Schuhcreme zu entfernen. Die „Schwarzärsche sind die, die den Aufnahmeritus nicht bestanden haben.

An einem Morgen wacht er mit einem nassen Waschlappen in der Hand auf, und bemerkt, dass er sich eingenässt hat, man hat nur die besten Scherze für ihn auf Lager. Und dann passiert es, Friedrich schlägt sich mit seinem Stubenältesten. Eine Platzwunde über dem linken Auge und eine gebrochene Nase. Der Kompaniechef ruft sie in sein Dienstzimmer und brüllt sie an, aber keiner lässt etwas verlauten – zwei Wochen Ausgangssperre und zwei Wochenenden zusätzlicher Wachdienst! Auch Frau Oberstabsarzt Beringer glaubt Friedrich anschnauzen zu müssen, was ihm besonders unangenehm war, da er bereits die Hosen hatte herunter lassen müssen. Die offen Wunde erforderte es, dass der Tetanusschutz aufgefrischt wird. Zumindest entsteht, durch sein Schweigen vor dem Kompaniechef eine Art Waffenstillstand auf der Stube.

Friedrich ist gut im laufen, er soll für bei den Bataillonswettkämpfen antreten, er ist gut im Schießen, war von Kind auf mit seinem Vater auf der Jagd, auch hier soll er „seine“ Kompanie vertreten. Beim Gelöbnis die Fahne halten – größer hätte der Widerspruch nicht sein können, er verachtet den Staat, für den er Monate seines selbstbestimmten Lebens opfert, er verachtet seine Vorgesetzten die diese ekelhaften Rituale nicht beenden und nur unflätiges Gebrüll für sie übrig haben, er verachtet die Beschäftigten im Sanitätsbereich, die egal was sie tun, nie Rücksicht auf seine Intimsphäre genommen haben und nie ein freundliches Wort für ihren Patienten übrig hatten.

Die Wut auf seien Vater war auch gewachsen, an einem gemeinsamen Essen sagt er: „Friedrich ich bin stolz auf dich, die Bundeswehr hat einen Mann aus dir gemacht, das sieht man dir an!“ Friedrich antwortet: „Man sieht es mir an? Was gefällt dir besser? Die gebrochene Nase, oder die Platzwunde? Auf diese Bundeswehr, die ihre Wehrpflichtigen wie den letzten Dreck behandelt, da scheiß ich drauf! Du wusstest genau was auf mich zukommt und hast mich nicht gewarnt!“ „Mein Sohn, nicht in diesem unflätigen Ton.....!“ „Unflätiger Ton, willst du ein paar unflätige Beschimpfungen unserer Ausbilder hören, 'Arsch aufreißen bis zum Stehkragen, marsch, marsch bis das Arschwasser kocht....“Ich habe nicht gesagt, dass du dich prügeln sollst...“ Die Mutter legt die Hand auf seine und beendet den Disput mit dem Verweis auf die Hausregel: kein Streit am Essenstisch!