Der erste Tag im neuen Job als Zahnarztmuffel
Gefangen in der Hilflosigkeit
Anna versuchte, aufzustehen, doch der Zahnarzt drückte sie zurück in den Stuhl, während er diesen noch weiter nach hinten kippen ließ. Ihre Beine hingen nun gefühlt weit oben in der Luft, ihr Kopf leicht nach hinten überstreckt im Kopfpolster. Bei aller aufkommenden Panik versuchte sie erneut, das OP-Hemdchen zu richten, was in dieser Liegeposition immer schwerer wurde. Gleichzeitig spürte sie unzählige neugierige Blicke auf ihrem Körper.
„Bleiben Sie still“, sagte der Zahnarzt scharf, als er den Bohrer ansetzte. Eine Assistentin hatte links von ihr Platz genommen und schob ihr zeitgleich einen großen Sauger in den Mund.
Der Sauger setzte sich lautstark in Gang, spätestens jetzt nahm jeder in dem Saal Notiz von der Behandlung. Der Bohrer heulte auf und grub sich in einen der oberen Backenzähne.
Anna atmete flach. Sie hatte keine gute Erfahrung mit dem Zahnarztbohrer gemacht. Die Tatsache, dass der Zahn nicht betäubt wurde, entspannte sie auch nicht gerade. Ein leichter, kaum merklicher Druck verstärkte sich zunehmend, und ihre Hände suchten die Armlehnen, um sich daran festzukrallen.
Je tiefer der Bohrer kam, desto unangenehmer wurde die Kälte der Wasserkühlung in diesem Zahn und schließlich im gesamten Kiefer. Ein Gefühl, dass sie schließlich völlig übermannte und sie jedes Gefühl für Raum und Zeit verlor.
Die Zuschauer im Hinterkopf versuchte Anna, weiter Haltung zu bewahren. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass sich ihre Augen mit tränen füllten.
Immer wieder hallten die Worte durch ihren Kopf: “Zustand der Zähne unzureichend”. Sie konnte nicht aufstehen, konnte nicht protestieren. Sie war gefangen in dieser entwürdigenden Prozedur, während sie spürte, wie ihre Selbstachtung mit jedem Moment bröckelte.
Ohne, dass sie es steuern oder gar verhindern konnte, stöhnte sie auf. Ein stechender Schmerz durchzog den aufgebohrten Zahn, als der Bohrer bereits einiges der Zahnsubstanz entfernt und sich noch tiefer in den Zahn gegraben hat. Sie zuckt zusammen und krallt sich fester an den Stuhl, ohne dass sie es unterbrechen kann. Ein unkontrolliertes Stöhnen dringt aus ihrem Mund.
Als der Schmerz etwas abnimmt, kann sie sich wieder orientieren. Sie muss daran denken, wo sie sich befindet, und Scham überkommt sie - wie peinlich! Ihr bleibt aber nichts anderes übrig, als es weiter über sich ergehen zu lassen.
Diese Erkenntnis ist von kurzer Dauer, als der nächste Schmerz sie wieder völlig in Beschlag nimmt. Der Zahnarzt verzieht dabei keine Miene, sondern arbeitet konzentriert weiter. Hin und wieder gibt er den versammelten Medizinern eine kurze Erklärung, etwa: “der 1-6 ist soweit präpariert, der 1-5 ist als nächstes dran.”.
Anna vergeht fast Hören und Sehen. Verkrampft rutscht sie im Behandlungsstuhl herum. Warum war sie nicht vorher einfach beim Zahnarzt gewesen? Sie ist wütend über sich selbst, aber auch diesen erbarmungslosen Zahnarzt und das ganze Szenario hier.
Als der Bohrer endlich stoppt, entspannt Anna. Erschöpft lässt sie sich in den Behandlungsstuhl sinken. Hoffentlich kommen jetzt die Füllungen und ich kann gehen, denkt sie. Der Zahnarzt kontrolliert die Zähne sorgfältig mit Sonde und Spiegel und wirkt zufrieden.
Anna entspannt weiter, und stellt fest, dass ihr OP-Hemdchen bis auf den Bauchnabel hochgerutscht ist. “Wie peinlich!”, sie spürt, wie sie rot wird, während sie das Hemdchen wieder glattstreicht und herunterzieht. Sie würde am liebsten im Boden versinken.
Sie versucht, einen Blick auf die Zuschauer zu gewinnen, kann sie aufgrund der extremen Liegeposition aber kaum sehen. Zusätzlich blendet die Behandlungslampe, dahinter ist alles nur schleierhaft im Dunkeln zu erkennen.
Dafür sieht sie im Augenwinkel, wie der Zahnarzt den Bohrer wieder heranzieht. Ein Zittern durchfährt sie.
“Kopf etwas zu mir drehen!”, befiehlt er und Anna gehorcht. Wenige Momente später hat sie wieder einen laut röchelnden Sauger und das hohe Pfeifen des Bohrers im Mund. Diesmal arbeitet er sich in einen der Backenzähne auf der anderen Seite….
Raum und Zeit verschwimmen für Anna, und sie kann unmöglich sagen, wie lange die Behandlung dauerte, und wie sie es überhaupt überstanden hatte. Hatte sie laut gestöhnt? Was hat sie wohl für ein Bild abgegeben?
Als es überstanden war, war sie schweißgebadet. Peinlich berührt versuchte sie, ihr Gesicht hinter ihrer Hand zu verstecken, als sie endlich aus dem Behandlungsstuhl aufstehen durfte. Benommen stand sie unsicher auf ihren Beinen.
super geschrieben