Der Nachbar ist Zeuge
Akt 5
Frau Winterschwang seufzt. Sie seufzt mit einem Berg weiterer Enttäuschung auf ihrer Brust. Sie seufzt meiner Meinung nach, der hinter dem Guckloch ausharrt, eine Spur zu tief. Aber sie soll ja ihre Rolle spielen, die Rolle der fürsorglich und wieder und wieder von der Nichte enttäuschten Tante. Ich habe nichts dagegen, würde in meiner Proszeniumloge nicht auf den Gedanken kommen, sie für ihr Spiel auf der anderen Seite der Wand auch nur im geringsten Detail zu kritisieren.
"Halten wir fest", ruft sie vom erneut missglückten Versuch ihrer Nichte offenbar gequält, "ich habe Dir zweimal die Gelegenheit gegeben, Dich endgültig vom Unflat zu befreien, aber Du bleibst trotzig und verwehrst jegliche Einsicht, dass alles zum Besten für Dich ist. Also werde ich Dir jetzt wieder den Po abwischen und danach wirst Du sehen, was Du davon hast."
Wir kennen die erneut am Hinterteil Sandrines vollzogene Prozedur nun schon. Allerdings kommt kein freundlich feuchtes Tuch zum reinigenden Einsatz, nein, aus der "Tasche der Gründlichkeit" wird ein grobleinener Lappen gezaubert, der mürrisch scheuernd zwischen den wieder in die Höhe dirigierten Pobacken seine Arbeit verrichtet und auch die von den vergeblichen Anstrengungen braun gefärbte Rosette nicht vom unhöflich Gekratze verschont. Erst nach dieser ruppigen Vorreinigung gönnt Frau Winterschwang dem so malträtierten zarten Löchlein feineres Gewebe, wischt mit einem weiteren Tuch auch über die schmallippe Spalte darunter, entfaltet sie, so dass Rosarotes und – sehen wir es oder bilden wir es uns ein? – Glitzerndes zum Vorschein kommt und reibt und frottiert das sensible Organ ungleich behutsamer, wenngleich nicht minder gründlich. Nichts soll die Gesundheit der Nichte gefährden.
Lappen und Tücher fallen in die Schüssel, die sich mittlerweile sichtbar mit Bröckchen und Brocken und mit von der quellend, aufweichenden Leistung des Hausgemachten auch Breiigem gefüllt hat. Dann findet der Deckel seinen Platz, störende Gerüche sollen schließlich drinbleiben, auch wenn ein gewisses Ordeur, welches sich überallhin verteilt hat, nicht mehr zu leugnen ist.
Nachdem diese – die einen nennen es Arbeit, die anderen Vergnügung – erledigt ist, greift Frau Winterschwang erneut in die "Tasche der Gründlichkeit" und holt zielstrebig einen Gegenstand hervor, den Laien wie ich hinter der Wand als eine Art schwarze Schuheinlage aus festem Leder beschreiben würden. Dass ich mit meiner Assoziation, nach allem, was bisher vorgefallen ist, nicht richtig liege, erscheint mir naheliegend, aber dass ich doch nicht völlig falsch lag, zeigt mir das, was nun übergangslos folgt: Der fragliche Gegenstand klatscht mit einem Mal mehrmals hintereinander in voller Breite über die sich reckend empfangsbereiten Pobacken der Nichte und hinterlässt zarte, aber nicht zärtliche Spuren auf den derartig Ver s o h l ten.
In die jähen Schmerzensschreie der überrumpelten Nichte hinein, räsoniert Frau Winterschwang: "Schon unsere Altvorderen wussten: Wer nicht hören will, muss fühlen. Und Du wirst nun fühlen…" – das schwarze Leder landet wieder auf den zur bloßen Erziehungsfläche umgedeuteten Backen der im Lederstuhl knieenden Frau – "…ich werde…" – wieder das harte Aufklatschen und wieder das korrespondierende Zittern des Fleisches – "…nun nachholen…" – Klatsch und Schrei – "…was Deine Eltern verabsäumt haben.." – die Erziehungsfläche will ausweichen, aber es gibt kein Entkommen – "…Gehorsam…" – Platsch – "…Hygiene…" – das sohlige Leder auf der einen, Deformation und Resilienz auf der anderen Seite – "…Motivation…" – Klatsch, Platsch – "…ich höre Dich nur betteln, dass ich aufhören soll…" – Röte wird zu Rot – "…aber warum denn? Warum?..." – Rot wie Feuer, Rot wie Warnung, Rot wie Korrektur – "…spürst Du denn nicht…" – Füße und Unterschenkel, die strampeln – "…wie gut, wie g u t, Dir das tut?"
Der letzte Streich bleibt schwebend, die Hand der Weißbekittelten, der Eiferin, steht in der Luft, hoch über dem rotgestriemten Po der wie im Beichtstuhl knieenden Nichte, er scheint auf Antwort zu warten, auf die richtige Antwort, während das Erziehungswerkzeug vor Ungeduld zappelt, weil es wieder, noch einmal, aber so energisch wie nie, landen und die prompte körperliche und emotionale Reaktion der Empfängerin auskosten möchte.
Allein, wir hören keine Antwort. Wir hören nur wimmern, und meinen, dieser nächste Schlag wird im gleichen Moment fallen. "Sag' irgendetwas", wollen wir der Nichte zurufen, nun von Mitleid durchdrungen, "sag' einfach 'Ja'. Das ist leicht, Sandrine, ja, ja, ja, Du sagst es jeden Tag, warum nicht jetzt?" Doch wir sind nicht die Soufleuse in diesem Stück, haben keinen Einfluss, das Geschehen zu lenken, können nichts, nicht die herrschende Tante, nicht die knieende Nichte beeinflussen.
"Weißt Du, was das ist?", fragt Frau Winterschwang, uns aus unseren Gedanken reißend. So versunken waren wir, dass wir nicht mitbekamen, wie und wann sie das erzieherische Instrument austauschte.
"Ein… ein.. ein Stock", stößt die Befragte, rot Gestriemte hastig hervor.
"Und hast Du schon Bekanntschaft mit dem… seien wir gerecht… mit so einem Stöckchen gemacht?"
Eine kurze Pause, zögerlich und wie sich selbst befragend, um zum unsicheren, vom Kopfschütteln begleiteten Schluss und zu kommen: "Nein…?"
"Dann wird es höchste Zeit, dass wir das nachholen. Du wirst feststellen, dieses Bambusrohr ist erschaffen worden, um schmutzigen Mädchen wie Dir auf die Sprünge zu helfen." Bei diesen Worten schmeichelt Frau Winterschwang, wir nehmen es zur Kenntnis, mit einer Hand zärtlich über das röhrichtige Naturprodukt. "Aber wir sind gnädig, Sandrine. Ich verabreiche Dir jetzt, zum ersten innigen Kennenlernen, nur drei Streiche. Nicht einmal mitzählen musst Du."
Und schon pfeift der Stock, das Stöckchen richtigerweise, wir folgen da dem Duktus der Tante, probeweise durch die Luft. Böse zischend tut es das trotz seiner bescheidenen Dimensionen und soll es wohl auch, damit es der noch vom schwarzen Lederpaddel eingeschüchterten Nichte durch das Trommelfell schneidet. Vom scharfen Klang erschreckt, zuckt sie zusammen, obwohl nichts auf ihren baren Halbkugeln gelandet ist. Noch und noch einmal zischt es gallig, noch und noch einmal reagiert ihr gebeugter Körper instinktiv und trotzdem falsch.
"Oh Tante, biiiittte…", schluchzt es ängstlich, um in Heulen überzugehen, als der Bambus sie schließlich doch ein Mal, ein zweites Mal, ein drittes Mal in die Pobacken beißt.
Wir wollen uns gerade fragen, ob die bislang unerbittlich auftretende Frau Winterschwang ihre Nichte wirklich so davon kommen lässt, als sie sagt: "Und nun kommt Dein ungezogenes, störrisches Poloch dran." Dabei tippt sie mit der Spitze ihres weisenden Werkzeug zwischen das nun mit drei Striemen verzierte, rot gespreizte und ihr noch immer folgsam entgegengestreckte Gesäß.
"Dort vernachlässigst Du Dich", sagt das Rohrstöckchen. "Dort bist Du ein kleines Ferkel", ergänzt es. "Dort steckt die Wurzel des Übels."
Wir meinen, der auf diese Art mit jedem Satz immer energischer angesprochene gekräuselte Anus zöge sich mehr und mehr zusammen, als ob er sich verkriechen wolle.
"Dort müssen wir ran!", zischt es und "Tante, das kannst Du doch nicht…" winselt es.
Dann sehen wir, das offenkundig von erfahrener Hand und ungerührtem Gemüt geführte Stöcken auf der avisierten Stelle landen, wieder ein Mal und noch einmal und ein drittes Mal. "Wie weh muss das tun?", durchschauert es uns, auch wenn die Schläge eher tänzelnd ausgeführt wurden. Eine durchaus rhetorische Frage, denn durch das Guckloch ist jede Reaktion der Nichte akzentuiert zu hören und zu beobachten.
"Jetzt komm hoch!"
Wie aus einem furchtbarenTraum erwachend, verlässt Sandrine ungläubig, mit Schmerzens- und Verzweiflungstränen im Gesicht ungelenk den Armchair, der ihr in den letzten Stunden – so lang muss alle ihr widerfahrene Behandlung erschienen sein – zu einem grässlichen und peinlichen Ort geworden ist. Dann, nicht mehr in erniedrigender Haltung knieend, muss sie ausgerechnet neben der äußerlich so weiß strahlenden Porzellanschüssel zum Stehen kommen. Es ist ihr anzusehen: Sie mag dort nicht hinblicken, sie will sich vorstellen müssen, was darin ist und vor allem nicht, wie es dort hineingekommen ist. Sie schnieft, sie reibt sich die brennenden Backen, sie ist nervös, sie hofft, dass es nun überstanden ist, sie wartet darauf, dass ihre Tante etwas sagt.
Seltsam, aber unser Blick fällt gleichzeitig in die geöffnete "Tasche der Gründlichkeit". Kurz nur tun wir das, weil im gleichen Augenblick Frau Winterschwang nach der Tasche greift und ihre Nichte anweist, ihr in das Bad zu folgen.
Resolut verlässt zuerst die Weißbekittelte den Raum, der mir zur Bühne wurde und mich und Sie, die Leserinnen und Leser, zu Zeugen eines erregenden Schauspiels machten, dann die nackte, kleinlaute Nichte. "Schade", denke ich und darf nicht applaudieren. Dabei war mir so, in der Tasche ein Bündel schwarzer, unterschiedlich länglich geformter Gegenstände gesehen zu haben, auch einen zu einem Ring gedrehten roten Schlauch und etwas, was wie eine Gummiwärmflasche aussah…
Eine Zugabe? Im Grunde startet doch jet…
Ich denke auch, dass es eine Zugabe geb…
... vielleicht muss der Akteur hinter d…
Ich fände auch sehr schade, wenn das ni…