Betriebsausflug mit Folgen
Geniesse die Aussicht!
Betriebsausflüge sind doch grossartig, denkst du dir zufrieden, während du über die wunderbare Aussicht vom Berg runter aufs Meer blickst. Besonders wenn ihr, wie heute, mit den Abteilungen 3 und 5 zusammengelegt werdet. Du beugst dich ein bisschen vor und bewunderst eine etwas andere Aussicht: Den Knackarsch von Franz aus der 5. Du hast dich heute auf der Hinfahrt angenehm mit ihm unterhalten und erfahren, dass er in seiner Freizeit Aikido macht. Kein Wunder, dass er seine Klamotten so perfekt ausfüllt!
Plötzlich steigt dir ein vertrauter Geruch nach fruchtigem Shampoo in die Nase. Anabell aus der 3 hat sich dicht neben dich gestellt — eine süsse Rothaarige mit Sommersprossen um die Stupsnase. Sie war früher Tänzerin und hat den zierlichen aber durchtrainierten Körper davon behalten. Mit ihr hattest du heute auch sehr anregende Gespräche. Ihr habt jede Menge Anzüglichkeiten ausgetauscht und seid einhellig zum Schluss gekommen, dass ihr niemals zusammen im Bett landen werdet — sondern wenn dann auf einem Küchentisch oder Wohnzimmersofa! Jetzt stupst sie dich grinsend mit dem Ellbogen an. „Bewunderst du die Aussicht?“, flüstert sie kichernd. Du grinst, schaust sie von oben bis unten an und sagst dann völlig ernst „ja“. Oh, wird sie da etwa ein bisschen rot unter den Sommersprossen? Das ist neu. Du zwinkerst und schaust kurz zu Franz‘ Hintern zurück. „Die Aussicht ist wirklich fantastisch hier!“, sagst du laut. Anabell lacht auf. Hmm, jetzt fragst du dich, wie sie wohl beim Orgasmus klingt. Vielleicht auf deiner Couch, auf dem Rücken liegend mit hoch gestreckten Beinen und du dazwischen. „Was denkst du?!“, flüstert sie neben dir und reisst dich aus der Fantasie. „Ich denke an mein Wohnzimmersofa,“ flüsterst du zurück. „Oh!“ Sie versteht sofort und bekommt grosse Augen. „Du hast das ernst gemeint, oder?“, flüstert sie dann, „dass du und ich..?“ Sie lässt den Satz unbeendet.
Du nickst. „Wenn du möchtest..?“
Sie lächelt. „Ich möchte. Aber vielleicht sollten wir uns davor mal unterhalten, über die Kombination von Arbeit und Privatem und so.“
Das ist tatsächlich eine gute Idee, findest du. „Wir können uns ja mal einfach für Snacks und quatschen auf meiner Couch treffen?“
„Oh ja. Erst Snacks, und dann,“ sie deutet mit den Augenbrauen Gänsefüsschen an, „’Snacks‘.“
Du nickst grinsend.
„Oh mein Gott,“ ruft Martin aus der 5 plötzlich direkt hinter dir, was dir einen halben Herzinfarkt beschert, „habt ihr gerade Snacks gesagt!? Ich brauche unbedingt noch etwas zu futtern, wenn wir nachher unten sind!“
Du wechselst mit Anabell einen Blick und ihr brecht in Gelächter aus. Martin schaut euch verwirrt an.
„Überhaupt,“ mischt sich dein Abteilungsleiter ein, „könnten wir eigentlich langsam mal los, oder? Ich würde gerne nachher pünktlich meine Kinder abholen können, und da hinten sieht’s aus als würde ein Sturm aufziehen.“
Tatsächlich, siehst du, am Horizont wird der Himmel dunkel. Einige Leute pflichten deinem Abteilungsleiter bei. So wird beschlossen, den Abstieg anzugehen.
„Aber erst noch ein Gruppenfoto!“, bestimmt Regina aus der 3. Anabell verdreht die Augen. Manche anderen murren auch, aber am Ende ist mitmachen einfacher als diskutieren. Ihr stellt euch alle vor das Geländer der Aussichtsplattform und jemand rekrutiert einen Touristen, der das Foto schiessen soll. Du schnappst dir Anabell und legst ihr deinen Arm um die Hüfte. Sie lehnt sich an dich und legt ihrerseits ihren Arm um dich — und dann wandert ihre Hand ganz langsam und völlig nebenher weiter nach unten zu deinem Hintern. Du grinst breit, allein dafür hat sich das mit dem Foto schon gelohnt!
Um euch herum wird diskutiert, wer hinten und wer vorne stehen soll. Völlig unnötig, findest du, aber sollen sie machen, wenn es ihnen wichtig ist. Du geniesst es, Anabell im Arm zu haben und machst dich bereit, im richtigen Moment zu lächeln.
„Nee, ich steh hier gut,“ hörst du plötzlich eine tiefe Stimme, die dir die Haare auf den Armen zu Berge stehen lässt.
„Jetzt geh nach hinten,“ faucht deine Büronachbarin, „wir wollen los!“ Sie gibt immer den Ton an und du hättest darüber gegrinst, wenn dir nicht so mulmig gewesen wäre. Die tiefe Stimme gehört René aus deiner Abteilung, dem du aus dem Weg gehst, wann immer du kannst. Früher war das anders gewesen, da hattest du ihn ziemlich interessant gefunden und auch mit ihm geflirtet. Er ist gross und kräftig gebaut und er hat eine ruhige, irgendwie warme Art. Aber dann hatte jemand fallen gelassen, dass er nebenher als Rettungssani arbeitet. Und das geht gar nicht, alles was irgendwie mit Krankenhäusern zu tun hat, löst bei dir sofort einen Fluchtimpuls aus. Seither meidest du ihn, wann immer möglich. Aber jetzt gerade kannst du nicht flüchten. René drückt sich an dir vorbei und stellt sich hinter dich, wie ihm angewiesen wurde. „Sorry,“ murmelt er in deine Richtung. Dein Lächeln ist dir auf den Lippen gefroren und du schaffst es nur knapp, zu nicken. Shit, weiss er etwa, dass du mit ihm nicht klar kommst?! Eigentlich dachtest du, du verhältst dich ihm gegenüber einfach neutral, völlig unauffällig. Deine Gedanken rasen. Du weisst, dass er jetzt direkt hinter dir steht, du kannst ihn beinahe im Nacken spüren, und du kannst dich nicht umdrehen, du bist wie erstarrt und gefangen.