Notfall
Umgekippt
„Hallo!?Hallo!?“, hörst du eine weibliche Stimme besorgt aus dem dunklen. „Sind Sie wach?“ Du öffnest langsam deine Augen und schaust in das Gesicht einer kurzhaarigen, hübschen Dame. Langsam nimmst du deine Umgebung wahr. Du liegst auf hartem Asphalt und der Himmel über dir ist finster und bewölkt. „Oh, gut. Sie sind wieder da“, sagt die Frau die über dich gebeugt ist. Bei genauerer Betrachtung fällt dir auf, dass sie eine rot-gelbe Jacke trägt und ein Stethoskop von ihrem Hals auf dich hinunter baumelt. Erschrocken willst du dich aufrichten. „Nicht so schnell!“, hält dich die Notärztin am Boden, „schön liegen bleiben.“ Ihre Worte klingen beruhigend. Als du die Augen schweifen lässt erblickst du zwei Sanitäter. An deiner Brust sind die Elektroden eines EKGs befestigt, das rechts von dir gleichmäßig piepst und um deinen linken Arm drückt sich eine Blutdruck Manschette. Der Sani links von dir stellt zu deinem Erschrecken einen Defibrilator zur Seite während der zweite eine Trage holt. Dir fallen ein wenig die Augen zu. „Schhh, schön bei mir bleiben“, haucht dich die Notärztin an und streicht dir über die Wange. Sofort öffnest du deine Augen wieder und die Ärztin nimmt ein Taschenlämpchen aus ihrer Brusttasche. Sie untersucht deine Pupillen und kommt dir mit dem Gesicht sehr nahe. Du schaust ihr tief in die grünbräunlichen Augen, als auf einmal das kühle Bruststück des dunklblauen Littmann Stethoskops um ihren Hals deine entblößte Haut berührt. Eine Gänsehaut überkommt dich, doch sie richtet sich schnell wieder auf und steckt die Lampe weg. Das fiepsen des EKGs wird ein wenig schneller als sie ihr Stethoskop vom Hals nimmt. „Schön ruhig weiter atmen“, lächelt sie, als sie es sich in die Ohren steckt und ihre Hand nach deiner Brust ausstreckt. Die Zeit scheint für einen Moment stillzustehen, als die Membran deinen Körper berührt und du spürst, wie dein pochendes Herz dagegen Schlägt. In den Augen ihres konzentrierten Blicks verlierst du dich ein paar Sekunden lang. Sie verweilt mit dem Stethoskop jedoch nur kurz an jeder Stelle. Dann nickt sie: „Schön, der Kreislauf scheint relativ wieder stabil zu sein.“ Sie blickt die beiden Sanitäter an, die dich daraufhin behutsam auf die Trage legen und dann in den Rettungswagen schieben. „Danke, ich bleibe allein hinten bei ihm,“ sagt sie den Beiden, die daraufhin die Tür zuschieben und vorne einsteigen. Die Notärztin stellt das EKG neben dich und setzt sich dann dicht heran. Du blickst erwartungsvoll in ihr süßes, blasses Gesicht, mit der spitzen Nase und den Grün-braunen Augen. Ihre Haare sind kurz und dunkel, mit ein paar blond gefärbten Strähnen.
Sie holt Luft: „Sie haben uns aber einen mordsmäßigen Schrecken eingejagt. Die Leute um Sie herum haben gesagt, Sie seien einfach so auf der Straße zusammengeklappt und hätten sich nicht mehr bewegt.“ Der Krankenwagen fährt mit heulenden Sirenen los und die Ärztin legt das Stethoskop, das sie noch immer in ihrer Hand hatte direkt neben dich und rückt dir noch ein wenig näher. „Ein Wunder, dass Sie sich bei dem Sturz allein nicht schon den Kopf aufgeschlagen haben. Als wir ankamen stand Ihr Herz schon 7 Minuten lang still.“ Deine Augen werden von vor Schreck größer. „Dass das hier“, sie legt ihre Hand auf dein pochendes Herz „überhaupt wieder schlägt ist echt ein Riesen Glück. Die Reanimation hat echt länger gedauert. Da war Ihr Herzchen wohl ein wenig stur.“ Du legst deine eigene Hand direkt neben ihre auch auf deine Brust. Dein Herz schlägt kräftig dagegen. „Ich hoffe Sie haben keine Freundin oder keinen Freund, die wären sonst wahrscheinlich sehr eifersüchtig, so häufig wie ich meinen Mund auf Ihren Lippen hatte,“ zwinkert sie. Eine Weile lang liegt ihr still nebeneinander, beide mit euren Händen auf deiner trommelnden Brust und nur den Sirenen und dem leisen piepsen des EKG Geräts lauschend. Sie legt die zweite Hand direkt neben dich und berührt dabei ihr Stethoskop, das dort liegt. „Wollen Sie vielleicht mal hören wie schön Ihr kleines Herz nun endlich wieder schlägt?“, fragt sie, aber bevor du dazu kommst zu antworten hat sie dir die Oliven schon in die Ohren gesteckt und nimmt ganz vorsichtig deine und ihre eigene Hand von deiner Brust und legt das Bruststück an deren Stelle. Da hörst du es: Dein eigenes Herz, wie es schlägt, als wäre nie etwas gewesen. Vollkommen geflashed davon schließt du die Augen und blendest alles Andere um dich herum aus. Alles was bleibt ist nur ihre Hand, die ruhig auf deinem Körper ruht und dein eigener Herzschlag, bei dem du jeden einzelnen Schlag genießt und würdigst als könnte es dein letzter sein. All das was dir die Ärztin gesagt hatte hat dich darüber ins nachdenken gebracht, wie kostbar eigentlich jedes einzelne Mal ist, das dein Herz gegen deinen Brustkorb klopft und wie sehr diese Menschen dafür gekämpft haben, das es das noch immer tut. Du weißt nicht wie lange die Fahrt gedauert hat, eine Minute oder fünf Stunden, aber irgendwann reißt dich die Notärztin wieder aus deinen Träumen, indem sie leicht an deinen Schultern rüttelt und das Stethoskop vorsichtig wieder aus deinen Ohren nimmt und sich um den Hals legt: „Wir sind da“, sagt sie sanft wie eine Mutter, die ihr Kind weckt. Du lächelst sie ein letztes Mal an: „Danke“
Wunderschön. 😍