Abhören des Herzens aus der Sicht des Arztes für einen Sportcheck eines jungen Mannes
Er kam zügig zurückgelaufen, seine Schritte federnd, sein Blick auf den Boden gerichtet – nur kurz, dann hob er das Kinn. Thomas, 18 Jahre alt, wenn ich mich recht erinnerte. Anders als einige seiner schmalen Mitschüler hatte er einen kräftigen, klar trainierten Oberkörper, für sein Alter fast schon eindrucksvoll: definierte Schultern, breite Brust, kaum ein Gramm zu viel, wie ein kleiner Läufer, der sich dessen aber nicht bewusst war.
Er blieb vor mir stehen, rührte sich nicht. Dann – und das fiel mir auf – richtete er sich bewusst auf. Nicht trotzig, nicht herausfordernd. Es war diese ernste Haltung eines jungen Mannes, wie jemand, der verstanden hat, dass der Körper etwas zeigen soll. Vielleicht hatte ihm jemand gesagt, dass man beim Arzt „gerade stehen“ muss. Vielleicht wollte er einfach helfen, dass ich es leichter hatte.
Sein Brustkorb hob und senkte sich schnell, aber rhythmisch, kraftvoll. Die Rippen zeichneten sich klar unter der Haut ab, sein Atem ging tief – nicht gehetzt, sondern wie ein sauber eingestellter Blasebalg. Ich nickte ihm wortlos zu und zog das Stethoskop von meinem Hals. Das Metall war, wie immer, ein Hauch zu kalt.
Ich trat näher, legte meine linke Hand auf seinen Rücken, unterhalb des Schulterblatts – ruhig, nicht drückend. Ich wollte spüren, wie sich die Lunge bewegte, wie gleichmäßig sie arbeitete. Ich konnte unter meiner Hand die kräftigen Atemzüge spüren, jede Ausdehnung, jede Rückkehr zur Mitte.
Dann setzte ich das Stethoskop auf seine Brust – direkt über dem Herzen. Sofort war es da: ein klares, drängendes Hämmern, das gegen das kalte Metall schlug, als wolle es gehört werden. Kein Murmeln, keine Störung, keine Unregelmäßigkeit. Nur ein fester, lebendiger Herzschlag, der noch ganz im Takt des Laufschritts stand.
Ich wechselte die Position, hörte auch die Lunge ab, hörte das tiefe Einziehen der Luft, das rauschende, saubere Strömen. Dann noch einmal das Herz – diesmal etwas tiefer, über der linken Kammer. Es pochte mit solcher Klarheit, dass ich unwillkürlich die Luft anhielt. Das Herz dieses jungen Mannes arbeitete nicht nur – es sprach. Es schlug mit der Selbstverständlichkeit eines Motors, der gerade warmgelaufen ist.
Er stand dabei weiter aufrecht, die Schultern nur leicht gesenkt, vielleicht aus Anspannung, vielleicht aus Konzentration. Kein Zittern, kein Wegsehen, kein Zappeln. Er ließ es einfach zu – das Hören, das Spüren, das Prüfen.