Das waren noch Zeiten, als es im Schaufenster eines Sanitätshauses noch Klistierspritzen, Frauenduschen und Irrigatoren aus Email zu sehen gab. Heute geht es nur noch darum, älteren Herrschaften - das Wort Senioren möchte ich mir ersparen - eine mehr oder minder eingeschränkte Mobilität zu ermöglichen.
Oh ja, da stimme ich dir zu, das waren echt noch schöne Zeiten. Meine ersten Erfahrungen mit Sanitätshäusern hatte ich Anfang der 80er gemacht, da bin ich auch immer mit etwas wackligen Knie rein gegangen. In den Schaufenstern waren da oft Krankenpflegeartikel ausgestellt, meistens Bettpfannen, Urinenten, Gummiunterlagen, Trinkbecher, Nierenschalen, aber auch Irrigatoren, Klistierbälle, Glyzerinspritzen und auch Krankenhosen und Stoffwindeln. Erst später dann kamen auch die damals noch neuen Wegwerfwindeln für Erwachsene dazu.
Ich erinnere mich noch an meinen ersten Besuch in so einem Sanitätshaus, es war bei uns in der Innenstadt in einem sehr alten Gebäude, im Inneren hatte die Decke die damals üblichen Deckengewölbe für größere Räume. An den Wänden waren große Vitrinen mit Glastüren und auch die Theken hatten Glasplatten oben darauf, so dass man die Auslage darunter sehen konnte. Von außen konnte man nicht in den Laden schauen, da die Ladentüre eine Milchglasscheibe hatte, auf welcher der Name des Sanitätshauses sowie die Öffnungszeiten standen. Also musste ich so rein gehen, ohne zu Wissen, was mich erwarten würde. Es waren ein paar andere Kunden im Laden und so musste ich etwas warten. Das nutzte ich, um mich etwas umschauen zu können und plötzlich sprach mich von hinten jemand an “Guten Tag junger Mann, wie kann ich ihnen helfen” und ich drehte mich um. Es war eine schon etwas ältere Verkäuferin welche ich mein Anliegen vorbrachte. Ich wollte einen Irrigator kaufen, was ich ihr mit etwas schüchterner Stimme sagte. Sie bat mich zu einem Tresen, wo in der Vitrine eine Menge verschiedener Irrigatoren standen und in der Auslage mehrere unterschiedliche Darmrohre und Kanülen. Sie fragte mich, ob ich schon Erfahrung mit Irrigatoren hätte und ich erzählte, dass ich nur den meiner Mutter kannte, welche aus Metall war, einen Handgriff hatte und weiß mit einem blauen Rand war. Darauf sagte sie dass es solche Metall Irrigatoren zwar noch gibt, sie mir aber ein Modell aus Kunststoff empfehlen würde, da man den Inhalt besser erkennen würde. Sie öffnete die Vitrine, nahm einen Irrigator mit Griff heraus und stellte ihn auf den Tresen. Es war ein 2 Liter Irrigator aus einem leicht durchscheinenden weißlichen Kunststoff, an dessen unteren Ende ein roter Gummischlauch angesteckt war. Am Ende des Schlauches war ein kleiner weißer Absperrhahn mit einer kurzen Kanüle daran. Ich schaute den Irrigator genau an und begutachtete die Kanüle. Da meinte die Verkäuferin, dass das zwar ausreichen würde, aber für einen hohen Einlauf nicht geeignet ist und dafür ein Darmrohr besser wäre. Ich blickte sie etwas fragend an, denn am Irrigator meiner Mutter war auch so ein Darmrohr daran. Sie öffnete die obere Schublade des Tresens und nahm einer dieser roten Darmrohre heraus. Er war etwa 40cm lang, hatte eine verschlossene Spitze und seitlich zwei ovale Öffnungen, am Ende stand Rüsch 12mm. Danach holte sie aus einer anderen Schublade noch einen anderen Absperrhahn heraus, steckte das Darmrohr an den Absperrhahn und den Gummischlauch vom Irrigator an das andere Ende des Hahns. Sie erklärte noch kurz den Ablauf eines hohen Einlaufes, dass man sich dazu auf den Boden knien muss, auf die Ellenbogen abstützen und das Darmrohr während die Flüssigkeit in den Darm läuft, möglichst weit rein schieben sollte. Ich war damit einverstanden, sie packte alles zusammen und ging mit mir zur Kasse auf der anderen Seite des Raumes. Dort packte sie die Dinge in eine Plastiktüte, ich zahlte etwa 25 DM für den Irrigator mit extra Darmrohr und Absperrhahn und sie drückte mir die Tüte in die Hand. So hatte ich meinen ersten eigenen Irrigator erworben.
Dieses Sanitätshaus gibt es leider schon lange nicht mehr, es hat Anfang der 2000er geschlossen und heute ist eine Bank in dem Gebäude drinnen. Ich war lange Zeit in diesem und anderen Sanitätshäusern unserer Stadt Kunde und habe es schon sehr deutlich miterlebt, wie es immer weniger wurden. Auch die Auswahl schrumpfte sehr zusammen. Zwar bekommt man auch heute noch Irrigatoren und Klistierbälle in vielen Sanitätshäusern, aber bei den Darmrohren sieht es schon schlechter aus. Wenn überhaupt, dann bekommt man meist nur noch diese Einmal-Darmrohre, die schönen Gummidarmrohre findet man praktisch nicht mehr im stationären Handel. Viele Sanitätshäuser haben sich auf Orthopädie spezialisiert und führen normale Krankenpflegeartikel überhaupt nicht mehr.
Ja @nma ich habe auch gerne in die Schaufenster von Sanitätshäusern geschaut, auch in anderen Städten oder Ländern und gelegentlich auch mal etwas gekauft. Es war einfach eine schöne Zeit bevor es das Internet gab, da hat sich Bummeln durch die Schaufenster und Geschäfte echt noch gelohnt.