Beinahe hätte ich vergessen, wo ich bin, als seine Hände wieder von mir ablassen. Dr. Timm greift zur Sonde und schaut mich fragend an: „Spürst du noch etwas?“, ich schüttle vorsichtig den Kopf. Der Sauger wird wieder in meinen Mundwinkel gehängt und die Turbine heult auf und macht sich an meinem Zahn zu schaffen. Augenblicklich verkrampfe ich leicht – wird das befürchtete Ziehen zurückkehren? Ich versuche mich auf das Brummen in meiner Mitte zu konzentrieren, dass sich etwas verstärkt hat. Wieder wird mein Kopf eingekeilt, so dass ich ihn nicht wegziehen kann. Ich sauge seinen Duft ein und spüre das Ziehen, das sich langsam aber stetig verstärkt. „Unter dieser Füllung hat sich eine ziemliche Karies ausgebreitet.“, stellt er fest und schaut mir kurz ernst in die Augen, „Ich fürchte, da wird kaum eine Füllung halten…“ Er wechselt den Bohrstift, wieder drückt sich dieser kreischend und rumpelnd in den Zahn und das Ziehen setzt abermals ein. Mitten in meiner Verkrampfung wird mir ein anderes Problem gewahr. Das brummende Gerät in meiner Mitte hat sich langsam aber sicher in Richtung Freiheit bewegt. Ich richte meine ganze Energie darauf, es nicht den Ausgang passieren zu lassen, es wieder herein zu saugen. Doch ich verliere den Kampf mit dem nächsten Ziehen in meinem Zahn. Mit einem leisen Schmatzen plumpst das Gerät zu Boden und poltert dort leise vor sich hin. Mich streift ein süffisanter Blick mit einer hochgezogenen Augenbraue, so dass ich hochrot anlaufe und mich eine Flutwelle der Hitze überfährt. Ohne Umschweife fährt Dr. Timm mit der Behandlung fort, vielmehr verstärkt sich sein fester Griff.

Meine Gedanken fahren Achterbahn, war das seine ganze Reaktion? Was wird noch folgen? Wieder durchzieht mich ein heftiges Ziehen, dann verstummt der Bohrer. Dr. Timm lässt ihn in die Einheit gleiten und greift zu Sonde. Wortlos tauscht er erneut den Kopf und schon rumpelt es im Zahn weiter. Nach schier endlosen Minuten zwischen Zucken und Kopfkino, festem Griff und ernstem Blick, gleitet der Bohrer endlich wieder in die Einheit. „So, nun müssen wir einen Abdruck für das Provisorium nehmen. Die Teilkrone muss dann im Labor gefertigt werden.“, mit diesen Worten befreit er mich vom Kofferdamm und dreht sich zum Schrank hinter mir. Das leise Poltern am Boden verstummt nun auch. Ich bin froh, das gröbste überstanden zu haben, hoffe ich zumindest und schließe erleichtert den Mund.

Wenig später erscheint ein Abdrucklöffel voll mit klebriger Masse vor meinem Gesicht: „Weit öffnen bitte!“, die Stimme ist kühl, die Masse auch. Erneut zucke ich zusammen und muss kurz würgen, als der Löffel in mir verschwindet und sich die Masse in meinem Gaumen ausbreitet. Ein Latexfinger hält den Löffel an Ort und Stelle. Meine Zunge betastet ihn neugierig. Endlich scheint die Masse den Ansprüchen des Zahnarztes zu genügen und er hebelt den Löffel vorsichtig heraus. Ein kritischer Blick, er scheint in Ordnung zu sein. Ein weiterer, deutlich kleinerer Teillöffel mit einer anderen Masse wandert in meinen Mund und wieder heraus. Schnell ist ein Provisorium darin angefertigt und wird nach einigen Trocknungsanläufen in den Zahn geklebt. Nach der Aufbissprobe entledigt sich Dr. Timm triumphfierend seiner Handschuhe: „Für die Krönung benötigst du einen weiteren Termin in ca. 10 Tagen. Bis dahin sollte das Labor die Krone gefertigt haben.“ Ich will schon aufstehen, doch er hält mich auf: „Moment, du hast nur den zahnärztlichen Teil hinter dir…“