Bitte Platz nehmen !
Bitte Platz nehmen !
Mit weichen Knien gehe ich in Richtung Behandlungsstuhl. Mein Herz rast, als ich mich auf die Sitzfläche setze. Umständlich hebe ich die Beine auf die Beinablage.
Die Helferin lächelt mich mitleidvoll an.
Dann legt sie mir das Lätzchen um, legt Instrumente bereit, schaltet die Lampe ein und sagt: "Sie bekommen heute zwei Füllungen, richtig? Ich kriege irgendwie kein Wort raus. Nicke nur, was sie mit einem Lächeln registriert. Dann verabschiedet sie sich mit: "Noch einen kleinen Moment! Frau Doktor kommt gleich!" und verlässt den Raum.
Nervös fingere ich am Lätzchen herum. Dann versuche ich, die feuchtkalten Hände an der Jeans trockenzureiben, ohne Erfolg.
Mein Blick heftet sich unweigerlich an die Instrumente, die in ihren Halterungen hängen. Ich kann es mir gar nicht richtig vorstellen, dass der Bohrer gleich aufheult und sich in meine Zähne fressen wird.
Nervös drehe ich den Kopf weg. Der Blick fällt unweigerlich auf die Spuckschüssel, und den kleinen Plastikbecher, der schon bereitsteht. Bohren und dieses Spuckbecken hängen in meinen Erinnerungen unweigerlich zusammen. Schließlich kommt es immer zu Einsatz, wenn vorher gnadenlos gebohrt wurde. Wenn der Becher mit Wasser befüllt wird, ist es ein sicheres Zeichen, dass es gleich losgeht.
Ich strecke vor Nervosität die Beine durch. Wie lange dauert es noch? Könnte es nicht schon vorbei sein?
Ich betrachte das Tablett vor mir. Diverse Spiegel und Sonden, Watteröllchen, kleine, bunte Holzstifte, Schraubgewinde mit Metallmatrizen, ein paar Tiegel und andere Sachen.
Was man so alles für das Füllen eines kleinen Loches so braucht, denke ich mir.....
Dann zucke ich zusammen: habe ich auf dem Flur etwas gehört?
Es sind Schritte.
Die Zahnärztin "Als nächstes?"
Die Helferin "Der Meier, Zimmer 2. Die 2 Füllungen!"…
Schneller, als mir lieb ist, soll die Behandlung losgehen. Ich fühle mich umringt vom zahnmedizinischen Personal.
Vor meinem Mund warten Bohrer und Sauger. Das geht mir etwas zu schnell. Eigentlich wollte ich die Zahnärztin noch fragen, ob ich diesmal nicht weiße Füllungen kriegen könnte. Keine Chance.
"Aufmachen bitte!" wiederholt die Zahnärztin. Widerwillig öffne ich leicht den Mund, nur ein kleines bisschen, in der Hoffnung, noch etwas Zeit zu gewinnen. Mir ist im Moment gar nicht nach Bohren zu Mute.
Ich weiß nicht wie, aber ehe ich mich versehen kann, liege ich mit weit offenen Mund da. Der Sauger drückt von innen die Backe zur Seite, die geübten Finger der Zahnärztin drücken die Lippe und den Unterkiefer nach unten.
Zwangsläufig füge ich mich dem Schicksal. 'Hoffentlich wird das Bohren nicht so schlimm' denke ich und versuche, mich so gut es geht zu entspannen, unterbewusst erwarte ich aber, dass gleich das Ziehen einsetzt.
Der Bohrer heult auf, und zu meiner positiven Überraschung ist vom Bohrer so gut wie nichts zu spüren.
'Das war beim letzten Mal schlimmer' denke ich und entspanne etwas. Mein Blick wandert zwischen den konzentrierten Blicken der Zahnärztin und der Assistentin.
Der Bohrer arbeitet sich weiter vor, und ich fühle mich stolz, wie souverän ich das Bohren über mich ergehen lasse. 'Bin eigentlich doch hart im nehmen' denke ich und mache es mir in meine Liegeposition etwas bequemer.
Die Zahnärztin setzt kurz den Bohrer ab, um das Bohrloch zu kontrollieren. "Geht's noch?" fragt sie bei der Gelegenheit. Ich nicke selbstsicher "Kein Problem" verkünde ich stolz.
Sie nickt unbeeindruckt und setzt den Bohrer wieder an. Ihr Blick konzentriert und auf den Zahn fokussiert.
Das Bohren geht weiter. Langsam deutet sich doch ein zunehmend unangenehmes Ziehen an. Meine Schultern verkrampfen. 'So langsam müsste sie mit dem Bohren doch fertig sein' denke ich. Das Ziehen verstärkt sich. Parallel dazu verstärkt sich auch meine Verkrampfung. 'Wie lange denn noch?'.
'Autsch'. Der Bohrer trifft offenbar eine besonders empfindliche Stelle. Instinktiv versuche ich, den Kopf etwas wegzudrehen. Er ist jedoch fest durch die Kopfstütze fixiert.
"Weiter auf!" höre ich und reiße gehorsam den Mund auf. Ein intensiver Schmerz durchzuckt mich. 'Autsch'.... 'Dauert es noch lange?' .... 'ahhhhh'... 'habe ich gerade laut aufgestöhnt, oder habe ich nur daran gedacht?' ich bin mittlerweile völlig orientierungslos. Meine Augen fest geschlossen, meine Hände um die Armlehnen gekrallt, Brust und Schulter völlig verkrampft.
Das Bohren nimmt kein Ende, immer wieder trifft der Bohrer auf schmerzhafte Stellen, regelmäßig sehe ich Sterne vor Augen. 'Es muss doch gleich vorbei sein' flehe ich innerlich. 'kann man das nicht betäuben?'
'Ahhhh'... Tränen schießen mir in die Augen. Flehender Blick zur Zahnärztin - keine Reaktion, ihr Blick ist fest auf den Mund gerichtet. Blick zur Assistentin - scheinbar teilnahmslos hält sie den Sauger und auch ihr Blick ist auf den Mund fokussiert.
Wieder ein durchziehender Schmerz. Ich krampfe die Augen zu, wieder Sterne.
Nichts, was ich tun kann. Ausgeliefert und hilflos liege ich verkrampft im Behandlungsstuhl, unfähig, irgendwas zu tun.
Ich weiß nicht, wie lange es geht. Sämtliches Zeitgefühl fehlt. Doch dann, plötzlich, die Erlösung. Der Bohrer wird aus meinem Mund entfernt. Die Verkrampfung lockert sich. Ich sacke erschöpft in den Behandlungsstuhl.
Leider währt die Freude nur kurz. Noch bevor ich mich richtig sammeln kann, habe ich wieder den Bohrer im Mund.
'Nein, bitte nicht' bettele ich innerlich, unfähig, irgendetwas dagegen zu unternehmen.
...::: to be continued
:-) ::::...